Hamburg . Mitglieder beschließen Konzept für „15-Minuten-Stadt“. Katharina Fegebank stimmt Partei auf Bezirkswahlen im kommenden Jahr ein.
Es sind zwar noch zwei Jahre hin bis zur kommenden Bürgerschaftswahl, aber die Hamburger Grünen laufen sich jetzt schon warm, wie sie am Sonnabend auf ihrer Landesmitgliederversammlung im Bürgerhaus Wilhelmsburg zeigten. Klimaschutz und Verkehrswende als grüne Kernthemen werden nicht reichen, um Boden gutzumachen gegenüber der SPD, das wissen die Parteimitglieder um Landeschefin Maryam Blumenthal, die schon länger hervorhebt, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Grünen kümmerten sich hauptsächlich um Akademiker mit Lastenfahrrad in innenstadtnahen Stadtteilen wie Eimsbüttel.
Deshalb wollen sich die Grünen künftig sehr viel stärker als bisher mit drei weiteren Themen profilieren: Stadtentwicklung, Wirtschaft und Bildung – alles Felder, die aktuell von SPD-Mitgliedern des Senats besetzt werden.
Grüne stimmen für "15-Minuten-Stadt" Hamburg
Den ersten Aufschlag machen Blumenthal und ihr Vize Leon Alam nun mit ihrem Antrag, Hamburg solle zu einer „15-Minuten-Stadt“ werden, nach dem Vorbild von Metropolen wie Paris und Barcelona. Wie berichtet, sieht dieses Konzept vor, dass die Hamburgerinnen und Hamburger alles, was sie zum Leben brauchen, innerhalb einer Viertelstunde im Umkreis ihres Zuhauses erreichen können sollten: Geschäfte, Gesundheitsversorgung, Sport- und Freizeitangebote, Bildungsstätten und „idealerweise auch den Arbeitsplatz“.
Am Sonnabend beschloss der Landesparteitag diesen Antrag einstimmig, mit einer Enthaltung. Mit einem Änderungsantrag, der eine Vergesellschaftung profitorientierter Wohnungskonzerne vorsah, konnte sich die Grüne Jugend nicht durchsetzen.
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Grünen-Vorschlag: Moia soll teilweise kostenlos sein
Der stellvertretende Landesvorsitzende Leon Alam machte unter dem Beifall vieler Grünen-Mitglieder im Saal klar, welchen übergeordnete Anspruch die Parteispitze mit dem vermeintlich „sperrigen“ Thema Stadtentwicklung verbindet: „Es geht darum, allen Hamburgerinnen und Hamburgern jetzt und in Zukunft ein gutes Lebens zu ermöglichen – egal ob sie jung sind oder alt, ob sie viel Geld haben oder wenig, ob sie in Billstedt oder in Ottensen leben.“
Mit ihrem Konzept für Hamburg als „15-Minuten-Stadt“ schlägt die Grünen-Spitze unter anderem vor, dass in Teilen der äußeren Stadt, wo sich ohne Auto kaum die nächste Bahnstation oder Bushaltestelle erreichen lässt, sogenannte On-demand-Dienste wie der Sammeltaxi-Anbieter Moia kostenlos sein sollen – wenn auch nur für eine Übergangszeit, bis es eine bessere ÖPNV-Anbindung der äußeren Stadt gibt.
Tjarks will „Politik für ganz Hamburg“ machen
In die gleiche Kerbe wie Leon Alam schlug Anjes Tjarks, der grüne Verkehrssenator. „Wenn wir antreten, wenn wir im Senat regieren, muss unser Anspruch sein, für ganz Hamburg, für alle Menschen dieser Stadt, für alle Viertel Politik zu machen“, rief er. Zur Erinnerung: 2020 war die SPD mit dem Slogan „Die ganze Stadt im Blick“ in den Bürgerschaftswahlkampf gezogen – und holte dann 39,2 Prozent.
Die Grünen kamen auf 24,2 Prozent, verdoppelten damit ihr Wahlergebnis gegenüber 2015, verfehlten aber ihr Ziel, die Erste Bürgermeisterin in Hamburg zu stellen. Auf den SPD-Slogan angesprochen, erklärten einige Grüne am Sonnabend, die Frage sei doch, wie viel die Sozialdemokraten von ihren Ankündigungen tatsächlich umsetzten.
Anjes Tjarks konnte sich am Sonnabend zumindest einen Seitenhieb auf die SPD nicht verkneifen. Der Verkehrssenator hatte kürzlich angekündigt, bis 2030 sollten bis zu 10.000 autonome (fahrerlose) Fahrzeuge in Hamburg zur Mobilität beitragen. Das sei „für einige SPD-Politiker in dieser Stadt“ offenbar „zu ambitioniert“, sagte Tjarks in Anspielung etwa auf SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, der im Gespräch mit dem Abendblatt skeptisch auf die Pläne reagiert hatte.
Nouripour fordert mehr Klimaschutz im Verkehr
Schon im kommenden Jahr finden die Bezirkswahlen in Hamburg statt. Das Ergebnis der Wahl 2019 – damals wurden die Grünen in vier von sieben Bezirken der Hansestadt stärkste Kraft – sollte die Partei mindestens wieder erreichen, sagte Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin und grüne Wissenschaftssenatorin am Sonnabend auf dem Landesparteitag.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Hamburger Grünen stelle die Partei nun zwei Bezirksamtsleitungen. „Wir hätten gerne noch mehr – und das schaffen wir beim nächsten Mal“, rief Fegebank unter lautem Beifall im Bürgerhaus Wilhelmsburg.
Schon zu Beginn seiner Rede bejubelt wurde der aus Berlin angereiste Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour. Er warb für stärkere Anstrengungen beim Klimaschutz in der Verkehrspolitik - und attackierte insbesondere den Koalitionspartner FDP. „Der Verkehrsbereich ist der Sektor, der am meisten machen muss“, sagte Nouripour. Trotz Ablehnung der FDP müsse alles dafür getan werden, „dass es ein Tempolimit gibt“. Er verstehe nicht, warum zusätzliche Autobahnen gebaut werden müssten. Die FDP biete als „Möchtegern-Wirtschaftspartei“ Lösungen von Vorgestern und spiele „mit der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“.