Hamburg. Bei einem Hamburger Pärchen kam es immer wieder zu Übergriffen. Doch eines Tages eskaliert die Situation komplett.
Die Frau war einem Martyrium ausgesetzt. Über drei Tage wurde sie von ihrem Lebensgefährten misshandelt, gedemütigt und gefesselt. Dann endlich ergriff sie eine Gelegenheit, sich aus den Fängen ihres Peinigers zu befreien.
„Heute möchte ich unser Gespräch mit einem Zitat beginnen“, sagt Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher im Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Rechtsmediziner Klaus Püschel über den Fall aus dem Jahr 2021. „Es ist ein Satz, den ein Mann über seine ehemalige Partnerin gesagt hat. Er meinte über die 63-Jährige: ,Die Drecksau ist nicht totzukriegen!‘ Das ist eine Aussage, die mich zugleich entsetzt und wütend macht.“
True Crime: Das Opfer ist Rentnerin
„Das kann ich gut nachempfinden“, sagt Püschel. „Wenn man diese Worte hört, aus denen so viel Kälte und Menschenverachtung sprechen, muss einen das zutiefst empören! Und ich habe ja schwarz auf weiß lesen können, was der Mann der Frau alles angetan hat. Fälle mit einer derartigen Vielzahl an schweren Verletzungen erlebt man auch als Rechtsmediziner nicht allzu oft. Glücklicherweise!“
Als es zu dieser brutalen Tat gekommen ist, sind Holger H. und Marion L. (Name geändert) seit etwa zwei Jahren ein Paar. Sie wohnen gemeinsam in der Wohnung der 63-Jährigen in Hamburg-Stellingen. Sie ist Rentnerin, er gelernter Schlosser. Beide sind dem Alkohol zugetan. Es hat offenbar schon früher Übergriffe des Mannes gegen seine Partnerin gegeben. Er soll sie geschlagen haben.
Täter kommt müde und angetrunken in die Wohnung
Deshalb hat die Tochter von Marion L. schon mal Anzeige erstattet. „Entsprechend ist ihm die Tochter ein Dorn im Auge“, berichtet Püschel. „Also hat er ihr schlicht verboten, Kontakt mit ihr zu haben.“ „Kontaktverbot mit der Tochter, das muss man sich mal vorstellen!“, meint Mittelacher. „Für Holger H. war das völlig normal, dass er seiner Partnerin seinen Willen aufzuzwingen versucht.“
Es ist der 6. Juni 2021, als das Unheil beginnt. Holger H. kommt von einer Hausrenovierung in die Wohnung zurück. Er ist müde und angetrunken. Als er erfährt, dass Marion L. wieder Kontakt mit ihrer Tochter hatte, schlägt er ihr mit der Faust ins Gesicht. Und das ist erst der Anfang einer regelrechten Gewaltserie. Als Nächstes, so heißt es später in einem Prozess vor dem Schwurgericht, wo sich Holger H. schließlich verantworten muss, habe er ihr mit einem Jagdmesser in die Vorderseiten der Unterschenkel gestochen und mit einem Baseballschläger auf ihre Knie eingeschlagen, um eine Flucht zu erschweren.
Täter schlug mit einem Baseballschläger zu
Er zertrümmert laut Anklage auch ihr Jochbein, bricht ihr Schienbein, schlägt ihre Rippen ein. Schließlich habe er sie auf dem Sofa gefesselt, und zwar mit Kabelbindern. Diese seien so fest gezogen gewesen, dass Marion L. über Stunden vornübergebeugt und praktisch regungslos habe sitzen müssen.
Und schließlich habe er versucht, sie mit einem Kabelbinder um den Hals zu erdrosseln. Als das fehlschlägt, habe er ihr mit dem Baseballschläger wuchtig auf den Kopf geschlagen. „Danach soll er diesen Satz gesagt haben, den ich eingangs zitiert habe“, so Mittelacher: „,Die Drecksau ist nicht totzukriegen.‘ Und er sagt weiter: ,Die geht nicht kaputt.‘“
Täter gibt Partnerin die Schuld für die Tat
„Unfassbar!“, findet Püschel. „Mich hat auch erschüttert, was der Angeklagte im Prozess als Auslöser für diese unglaublichen Brutalitäten genannt hat. Nämlich dass er müde gewesen sei und sich habe ausruhen wollen. Dass sie nicht still sitzen geblieben sei, habe er als „Absichtsverhalten interpretiert“.
„Stimmt“, pflichtet Mittelacher bei. „Das klingt so, als gebe er seiner damaligen Partnerin die Schuld dafür, was dann passiert, für all die Misshandlungen und Schmerzen, die er ihr zufügt. Das ist ein typisches Muster in Fällen häuslicher Gewalt: dass die Männer ihren Frauen Mitschuld an den Misshandlungen geben.“ Im Prozess räumt Holger H. einen Teil der Körperverletzungen ein, relativiert sie aber sofort.
„Frauen haben devot zu sein“
„Ein Beispiel“, erzählt Mittelacher: „Er sagte, er habe zwar mit dem Baseballschläger auf seine Freundin eingeschlagen, aber dabei nicht einmal weit ausgeholt. Er habe mehr so ,pro forma‘ zugeschlagen. Er sagte, wenn er sie wirklich hätte umbringen wollen, hätte dafür ein einziger Schlag ausgereicht. ,Dann wäre die Rübe runter gewesen.‘“ „Das klingt ja wirklich nach einer unglaublich menschenverachtenden Einstellung“, meint Püschel. „Und so selbstgerecht! Aber die Frau hat die Ereignisse anders geschildert. Da klang das nach einem Martyrium.“
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Als Marion L. für ihre Zeugenaussage in den Gerichtssaal kommt, geht sie am Rollator. Dass sie auf eine Gehhilfe angewiesen sei, daran sei der Angeklagte schuld, sagt Marion L. Beim Anblick ihres Peinigers verspüre sie Todesangst. Holger H. habe gemeint: „Frauen haben devot zu sein.“ Die Zeugin schildert die Misshandlungen, auch die Fesselung und das Strangulieren mit den Kabelbindern.
True Crime: Täter zu acht Jahren Haft verurteilt
Das Urteil, das gegen Holger H. verhängt wird, lautet auf acht Jahre Freiheitsstrafe. Die Vorsitzende Richterin sagt, das Opfer habe durch den 54-Jährigen ein ,tagelang andauerndes Martyrium‘ über sich ergehen lassen müssen.