Hamburg. Für 250.000 Euro wurde das Toilettenhaus errichtet – obwohl 100 Meter entfernt ein weiteres steht. Warum es Kritik hagelt.

Es gibt Neuigkeiten vom Hansaplatz, einem der sozialen Brennpunkte dieser Stadt. Das Pissoir wurde abgebaut und stattdessen hat die Stadtreinigung Hamburg (SRH) dort eine Toilettenanlage aufgestellt. Noch fehlt der Strom. Die Inbetriebnahme soll voraussichtlich Mitte Dezember erfolgen. Doch die Anwohner, der Bürgerverein zu St. Georg und die Bezirkspolitik sind wenig begeistert von dem grauen Kasten, der nun unweit des Brunnens steht.

Das hat mehrere Gründe. „Was soll diese Aktion? Am Steindamm, gut hundert Meter entfernt und von hier aus zu sehen, steht doch bereits eine Toilettenanlage. Da brauchen wir doch keine weitere auf dem Hansaplatz“, sagt Mehmet Simsit beim Ortstermin mit dem Abendblatt. Der Gastronom, der den Hansa-Treff führt, weiß zu berichten. „Die Toiletten am Steindamm werden zweckentfremdet und zum Dealen und zur Prostitution genutzt. Das wird hier auf dem Hansaplatz nicht anders sein.“ Zum Pinkeln würden die Trinker dort eh an die Bäume gehen.

Kritik wegen neuer WC-Anlage auf dem Hansaplatz

Und Wolfgang Schüler, Quartiermanager der Interessengemeinschaft Steindamm, ergänzt: „Die Anlage am Steindamm ist ein Meeting Point, der nicht primär für den Toilettengang genutzt wird, sondern gerne auch als geschützter Rückzugsort, um beispielsweise Drogen zu konsumieren. Das hier jetzt am Hansaplatz noch so ein Ort geschaffen wird, ist nicht nachvollziehbar.“

Seit 22 Jahren lebt Yvonne Goy am Hansaplatz. „In den vergangenen Monaten hat sich die Situation hier am Hansaplatz wieder verschlimmert. Wir haben schon genügend Probleme mit den Betrunkenen und Drogenkonsumenten. Dass man jetzt hier auch noch diese Toilette aufstellt, ist überflüssig, und ich möchte mir gar nicht ausmalen, wofür diese dann genutzt wird.“ Auch Anwohnerin Lena Kemphaus ist irritiert. „Ich sehe darin keinen Sinn. Das Geld hätte man sinnvoller investieren können. Wer eine Toilette braucht, kann doch zum benachbarten Steindamm gehen.“ Johanna Schirmer, die in der Nähe wohnt, sagt. „Ich finde diesen grauen Kasten hässlich. Man hätte hier doch ein Backsteinhäuschen mit kleiner Gastronomie und integrierter Toilette bauen können.“

Hansaplatz: Die Nutzung der neuen Toiletten ist kostenlos

Die Anlage am Hansaplatz, die übrigens kostenlos benutzt werden kann, koste rund 250.000 Euro inklusive sämtlicher Anschlüsse, sagt SRH-Sprecher Kay Goetze auf Abendblatt-Anfrage. Das Geld stammt aus der „Toilettenoffensive im öffentlichen Raum und Grünanlagen“ des Senats.

Die Politik im Bezirk Mitte wurde offensichtlich vorab nicht informiert. „Wir waren ein wenig überrascht, dass hier plötzlich diese Toilettenanlage stand. Wir hätten es begrüßt, wenn man im Vorfeld das Gespräch mit der Politik und Akteuren aus dem Umfeld des Hansaplatzes gesucht hätte. Es gibt ja bereits in unmittelbarer Nähe eine weitere Toilette“, sagte SPD-Fraktionschef Oliver Sträter dem Abendblatt und hat eine Idee. „Ich würde vorschlagen, dass man das WC auf dem Hansaplatz zunächst nicht öffnet und abwartet, ob die Anlage am Steindamm ausreicht. Es wäre ja auch kein Problem, die Anlage vom Hansaplatz an einem anderen Standort aufzustellen. Auf der Veddel gibt es zum Beispiel keine öffentliche Toilette.“

Wenig erfreut ist auch Markus Schreiber. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete ist Vorsitzender des Bürgervereins zu St. Georg. „Der Hansaplatz ist ein Kriminalitätsschwerpunkt und wird kameraüberwacht. Da stellt sich die Frage, warum man hier einen geschlossenen und nicht einsehbaren Raum schafft. Und warum hat man nicht mal im Vorfeld die Anlieger gefragt, ob ausgerechnet hier eine Toilettenanlage Sinn macht?“

WC-Anlage soll hygienische Bedingungen verbessern

Die SRH ist da ganz anderer Auffassung. Sprecher Goetze zählt die Vorteile auf. „Die neue niedrigschwellige Toilette besteht aus zwei Kabinen. Sie sind, im Gegensatz zum bekannten Urinal, von allen Geschlechtern nutzbar und verfügen über Strom und Wasser. Dadurch werden die hygienischen Bedingungen vor Ort deutlich verbessert.“ Ein Trinkbrunnen an der Außenfassade stelle einen zusätzlichen Mehrwert für die Menschen dar. Auch das Argument, dass es eine weitere Anlage in der Nachbarschaft gibt, zählt für Goetze nicht. „Diese niedrigschwelligen genderneutralen Toiletten haben sich an Standorten mit erhöhter Nutzung oder Problemstandorten sehr bewährt.“ Der Hansaplatz sei aufgrund der sehr hohen Frequentierung in der bestehenden Anlage am Steindamm/Ecke Stralsunder Straße mit rund 10.000 Nutzungen pro Monat zur Sicherung des Sauberkeitszustandes dauerhaft mit einer weiteren Anlage zu versorgen.

Übrigens wurde am Steindamm im März 2018 zunächst eine Automatiktoilette errichtet. Die wurde laut SRH-Sprecher Goetze „wegen Fehlnutzungen“ im September 2019 wieder abgebaut und durch „eine niedrigschwellige Toilette ersetzt.“