Hamburg. Mangels Nachwuchs gaben die Karmelitinnen auf. Räumlichkeiten waren wochenlang verwaist. Wer nun einzieht.
Prior Amedeus (50) und Bruder Anselm (48) betreten an einem Novembernachmittag die katholische Kirche St. Petrus auf Finkenwerder. Das Gotteshaus trägt einen Hahn als Wetterfahne, und am Fuße des Sakralbaus blüht noch ein Herbststrauch. Die beiden Männer gehören zur St.-Benedikt-Gemeinschaft und suchen gerade, da die Sonne untergeht, in der Kirche den Lichtschalter. Sie finden ihn nicht.
Wenn die Schwestern des ehemaligen Karmelitinnenklosters auf Finkenwerder noch da wären, könnten sie selbstverständlich das Licht anknipsen. Doch es gibt sie nicht mehr. Weil der Nachwuchs fehlte, wurde das Kloster der Karmelitinnen des Teresianischen Karmel, des Ordens der Unbeschuhten Karmelitinnen (OCD), im Frühsommer geschlossen.
Kirche Hamburg: Kloster Finkenwerder gerettet – "Experiment" startet
Wochenlang waren die Kirche St. Petrus, Pfarr- und Gästehaus und der große Garten am Norderkirchenweg auf Finkenwerder verwaist. Bis die christliche Gemeinschaft St. Benedikt das Kloster übernahm, gleichsam zur Probe und als „Experiment“, wie es Erzbischof Stefan Heße formulierte. Deshalb ist für die Brüder fast alles neu hier, auch die Lage der Lichtanlage.
Prior Amedeus, ein gebürtiger Salzburger, telefoniert mit dem Hausmeister. Er arbeitet seit Jahrzehnten für das Kloster und die Kirche und soll helfen. Kaum ist er eingetroffen, wird es hell in der Kirche mit dem riesigen Schiffsmodell an der Decke und der ovalen Kuppel. Am Eingang liegen Flyer und Prospekte. Einer davon umfasst das Veranstaltungsprogramm 2023 im Benediktiner-Kloster Nütschau (Kreis Stormarn).
St.-Benedikt-Gemeinschaft steht in der spirituellen Tradition des Heiligen Benedikt
Das dürfte kein Zufall sein, denn die St.-Benedikt-Gemeinschaft steht in der spirituellen Tradition des Heiligen Benedikt (480–547), dessen Lebensmaxime „ora et labora“ (bete und arbeite) auch den heutigen Menschen verständlich ist. Im Unterschied zum Orden der Benediktiner sind die 19 Männer und Frauen der Gemeinschaft, die am „Kleinen Michel“ in der Hamburger City ihren festen Treffpunkt hat, keine Mönche und Nonnen. Es sind vielmehr sogenannte Laien, die einem Beruf nachgehen und auch verheiratet sein können. Sie arbeiten als Krankenschwestern, Mediziner, als Manager und Erzieher.
Für diese ökumenisch offene Gemeinschaft hatte sich die Leitung des Erzbistums entschieden, als es darum ging, eine Lösung für die Vakanz auf Finkenwerder zu finden. Und so bekam Amedeus Hajek eines Tages einen Anruf des Verwaltungsdirektors, ob sich die Gemeinschaft, die der Erzbischof einmal als „mobiles Kloster“ bezeichnete, auch probeweise vorstellen könnte, eine „Cella“ auf dem früheren Karmelitinnen-Gelände zu errichten und St. Petrus als Ort kirchlichen Lebens aufrechtzuerhalten.
Prior Hajek: „Steine bedeuten Verantwortung“
Die Schwestern und Brüder stellen sich nach intensiver Diskussion nun der Herausforderung. „Steine bedeuten Verantwortung“, sagt Prior Hajek, der im Hauptberuf Geschäftsführer des Cateringunternehmens Alsterfood ist. „Wir wollen hier kirchliches Leben erhalten“, fügt Bruder Anselm Haase hinzu. Er ist im Hauptberuf als Pflegeassistent tätig.
Die Männer und Frauen wollen und können nicht alle ins Kloster ziehen. Aber einige von ihnen werden dort wohnen – so lange jedenfalls, wie das einjährige Experiment läuft. Danach wird man weitersehen. Sie wollen ihren Glauben miteinander teilen, vor allen Dingen in der benediktinischen Tradition des Gottesdienstes, im Stundengebet und der Eucharistiefeier.
Und ganz im Sinne des heiligen Benedikt wollen sie nicht unter sich bleiben, sondern gastfreundlich sein und andere einladen, wie es der Erzbischof gesagt hat. „Wir halten es mit der Ordensregel der Heiligen Benedikt, und die beginnt mit dem Wort ,Höre‘“, sagt Amedeus Hajek, der sich erst als Mittvierziger hat taufen lassen und durch seine Liebe zur gregorianischen Musik zur St.-Benedikt-Gemeinschaft an den Kleinen Michel gekommen ist.
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Kloster Finkenwerder: Christmette am Heiligen Abend um 22 Uhr
Zuhören, was die spirituellen Bedürfnisse der Menschen auf Finkenwerder sind, steht daher am Anfang. Weil Priestermangel in Norddeutschland herrscht, ist es gar nicht so einfach, einen Geistlichen für die Heilige Messe zu finden. Die Gemeinschaft baut sich gerade ein Netzwerk für die sonntäglichen Gottesdienste auf und kann am Heiligen Abend um 22 Uhr eine Christmette anbieten.
Bereits am 2. Adventssonntag soll eine Andacht stattfinden. „Wir müssen das alles organisieren“, sagt Hajek. Auch der Gründer der Gemeinschaft, Bruder Gabriel, werde sie genauso unterstützen wie die Mönche vom Kloster Nütschau. Später könnten neben den festen Gebetszeiten auch Kurse stattfinden, zum Beispiel im Ikonenschreiben. Und vielleicht gibt es im nächsten Jahr auch Kloster-Honig aus Finkenwerder. Denn Hobby-Imker Hajek will seine Bienen mitbringen.