Schock für die Fahrgäste der Elbfähre „Tollerort“ in Hamburg: Im Sturm kam es zum massiven Wassereinbruch. Der Unfall wirft Fragen auf.

  • Schockierendes Video vom Wassereinbruch im Sturm auf der Elbfähre "Tollerort"
  • Drei Fahrgäste wurden durch die Glassplitter verletzt
  • Offenbar meldete sich keiner der Passagiere nach dem Unglück beim Kapitän

Ein Geräusch, das klingt wie „Pling“ oder ein bisschen so, als ob Glas einen ziemlich großen Sprung bekommt, ist zu hören. Dann sieht man in dem Handy-Video, wie die große Bugscheibe birst und wie in einem gewaltigen Schwall Elbwasser ins Unterdeck der Hafenfähre stürzt. Es handelt sich um die Hadag-Linie 68 mit dem an diesem stürmischen Donnerstagmorgen ziemlich irreführenden Namen „Tollerort“.

Die ganze Szene ist in dem auf Youtube veröffentlichen Video zu sehen, es geht innerhalb kürzester Zeit „viral“: Die Fähre schwankt zunächst bei heftigem Wellengang rauf und runter. Bemerkenswerterweise gucken da die wenigen Fahrgäste an Bord ziemlich unbeeindruckt auf ihre Smartphones. Plötzlich schiebt sich eine dunkle Wand vor die Scheibe und dann: „Pling!“

Wassermassen fluten das Unterdeck. Für einen Sekundenbruchteil wie erstarrt, dann sehr flott, aber keineswegs panisch packen Passagiere ihre Taschen und Rucksäcke zusammen und flüchten vor den Wassermassen. Das Wasser steht einige Zentimeter hoch.

Welle zerschlägt Scheibe von Hadag-Fähre – drei Verletzte

Zwar setzt die Fähre die Fahrt von Teufelsbrück bis zum Airbus-Anleger fort. Die meisten Fahrgäste kommen mit dem Schrecken und nassen Füßen oder durchnässter Kleidung davon. Alle verlassen auf Finkenwerder die Fähre. Doch drei Passagiere, zwei Männer (32, 35) und eine 47 Jahre alte Frau, sind durch Glassplitter leicht verletzt worden.

„Alle hatten sich zum Betriebsarzt begeben und waren dort behandelt worden“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. „Der 32-Jährige war zur ambulanten Behandlung seiner Schnittverletzungen später noch mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus transportiert worden.“

Ein Streifenwagen der Polizei parkt im Hafen vor der Hafenfähre Tollerort. Auf stürmischer Fahrt über die Elbe hat eine große Welle die Frontscheiben der Hamburger Hafenfähre zerschlagen, ein Passagier soll dabei leicht verletzt worden sein.
Ein Streifenwagen der Polizei parkt im Hafen vor der Hafenfähre Tollerort. Auf stürmischer Fahrt über die Elbe hat eine große Welle die Frontscheiben der Hamburger Hafenfähre zerschlagen, ein Passagier soll dabei leicht verletzt worden sein. © dpa | Daniel Bockwoldt

Ein Airbus-Mitarbeiter, der ganz vorne saß, filmte ebenfalls mit seinem Handy. „Mich hat's voll getroffen“, sagte Dirk Papendorf. Er hatte sich zunächst gefreut, dass die Fähre am Morgen fuhr. „Ich fand es toll, wie das Schiff hin- und hergeschaukelt ist, wie eine Achterbahn“, sagte Papendorf. Um das Naturschauspiel besser zu sehen, habe er sich in die erste Reihe vor die Fenster gesetzt.

Die Wellen hätten kontinuierlich gegen die Scheiben geschlagen. „Man konnte kurz in die Welle hineinschauen“, erzählte der 32-Jährige. Er habe sich völlig sicher gefühlt.

Augenzeuge: "Ich war klitschnass von oben bis unten"

Dann sei plötzlich das Wasser über ihn geströmt. „Ich war klitschnass von oben bis unten“, berichtete Papendorf. Er habe zunächst Angst gehabt, dass er beim Zurückfluten nach draußen gezogen werde. Darum sei er wie die anderen Fahrgäste nach hinten gerannt. Aber dann habe er gemerkt, dass das Wasser nach hinten abfloss. Er sei noch mal zurückgegangen, um nach einer Kollegin zu schauen.

Eine zweite Welle sei nicht durch die zersplitterten Scheiben geschwappt. Der Schiffsführer habe sogleich das Gas weggenommen. Dass er verletzt war, habe er erst gar nicht gespürt. Vermutlich habe er unter Schock gestanden. „Du blutest ja“, hätten ihm seine Kollegen gesagt. Er habe Schnitte am Kopf und am Unterarm erlitten, sagte der 32-Jährige.

Fähre war auf dem Weg zum Airbus-Werk

Die gelbe Hadag-Fähre mit rund acht Pendlern an Bord hatte am Donnerstagmorgen gegen 8.40 Uhr Teufelsbrück verlassen und war auf dem Weg zum Airbus-Gelände, als kurz vor Erreichen des Anlegers auf Finkenwerder die Frontscheibe aus Sicherheitsglas unter dem Druck der Wellen nachgab und zerbarst. „Wir werden jetzt analysieren, wie das passieren konnte“, sagt Hadag-Chef Tobias Haack.

Die Wasserschutzpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Regelhaft wird nach solchen Vorfällen auch geprüft, ob die Fahrgeschwindigkeit den Verhältnissen angepasst war.

Hadag reagiert auf Unglück

Eigentlich sollte das Sicherheitsglas „seeschlagfest“ sein. Bei der Hadag könne man sich nicht daran erinnern, dass es einen derartigen Defekt schon einmal gegeben habe, so Haack. Das eindringende Wasser sei aber weder für die Passagiere noch für die Fähre gefährlich gewesen. „Der Schock sitzt einem natürlich in den Knochen“, sagt Haack. „Aber Gott sei Dank hat sich niemand ernsthaft verletzt.“

Die Hadag kommt nach Haacks Angaben auch mit solch widrigen Verhältnissen gut zurecht. „Seit Jahrzehnten fahren wir unter solchen Bedingungen“, so Haack. Dass das Sturmtief „Ylenia“ jetzt für eine Premiere gesorgt hat, auf die das Fährunternehmen gerne verzichtet hätte, sei „purer Zufall, so einen Unglücksfall haben wir zuvor noch nicht erlebt.“ Wegen des Sturmtiefs seien aber am Donnerstagvormittag vorsorglich die kleineren Hafenfähren außer Betrieb genommen worden.

Auf einem weiteren Video, das dem Abendblatt vorliegt, sieht man die havarierte Fähre mit den zerstörten Scheiben, das Wasser im Innenraum ist großenteils abgelaufen. Man hört, wie jemand die Bilder kommentiert mit den Worten: „Das muss so gescheppert haben, kein Fahrgast hat Bescheid gesagt, die ganze Zeit einfach so weitergefahren.“

Hafenfähre von Wellen zerstört - der ganze Schaden
Hafenfähre von Wellen zerstört - der ganze Schaden

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    Ist das möglich, dass kein Passagier das Personal informiert hat? Und dass der Kapitän nichts von dem Wassereinbruch mitbekommen hat?

    Unwahrscheinlich. Wie Tobias Haack auf Nachfrage sagte, seien Kameras im Innenraum der Fähre installiert, sodass der Fährführer die Situation jederzeit im Blick gehabt haben müsse. Außerdem sei das Schiff unmittelbar nach dem Vorfall zum Betriebsgelände am Fischmarkt gefahren.

    Dort wird es jetzt instandgesetzt. Die Fähre 68 solle so schnell wie möglich wieder in Betrieb genommen werden, so Haack. Auf den sonstigen Hadag-Fährverkehr habe der Defekt an Bord von „Tollerort“ keinerlei Auswirkungen.

    Auf Youtube brachte es der Film über den Wassereinbruch in die Hadag-Fähre rasch auf mehrere Tausend Abrufe. Ein Nutzer kommentierte mit Blick auf den geordneten und ziemlich ruhigen Abzug der Fahrgäste lakonisch: „Die Hamburger haut so schnell nichts um.“