Hamburg. Eva Markowsky muss in ihrer Wohnung arbeiten, kann sich dort aber kaum konzentrieren. Ihr Vermieter zeigt wenig Verständnis.

Das Piepen der zurückstoßenden Bagger bohrt sich in die Eingeweide. Der eindringliche Warnton soll Fluchtimpulse auslösen, um Arbeiter zu schützen. Aber Eva Markowsky sitzt nicht auf der Baustelle in der Wilhelmsburger Zeidlerstraße, sondern in ihrer Wohnung gegenüber. Im Homeoffice. Während Baulärm tost und die Wände zittern, grübelt sie über wissenschaftlichen Fragestellungen der Volkswirtschaft zu Arbeit und Migrationsökonomik.

Dem Fluchtimpuls kann Markowsky nicht nachgeben. Sie muss coronabedingt in der Wohnung bleiben und ihre Lehrveranstaltungen an der Uni von zu Hause aus vorbereiten und auch abhalten. Per Videokonferenz. Daneben läuft die Promotion. Und alles vor dem Hintergrund der Erdarbeiten in der mittlerweile zusammengeschobenen Kleingartenanlage am Aßmannkanal und dem Neubau diverser Saga-Wohnblöcke. Seit Ende Januar geht das so. Jetzt liegt der Fall bei Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) im Senat.

Lärm im Homeoffice: Hamburgerin mindert Miete

„Ich habe die Miete gemindert“, sagt Markowsky. „Und Ärger bekommen.“ Die Saga reagierte mit „letzten“ Mahnungen. Plötzlich sah Markowsky das Damoklesschwert der fristlosen Kündigung über sich schweben. Zwei Monatsmieten Zahlungsrückstand können dafür reichen. Dabei hatte Markowsky eigentlich Verständnis und ein gewisses Maß an Solidarität erwartet. „Schließlich ist die Saga ein städtisches Unternehmen. Und durch Corona bin ich auf meine Wohnung als ‚Büro’ angewiesen. Ich muss immer dann denken und arbeiten, wenn draußen auch die Handwerker aktiv sind.“

„Wilhelmsburg und auch Dulsberg sind die Hotspots des Bauens“, sagt Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von „Mieter helfen Mietern“. „Da wird buchstäblich jede Baulücke gefüllt, und es gibt Großprojekte von Saga und Vonovia.“ Spätestens mit Corona sei dies zum echten Problem geworden. „Sehr viele Mieter sitzen im Homeoffice und müssen arbeiten, wenn die Baumaschinen laufen und die Handwerker lauthals konferieren“, sagt Sonnemann.

Markowsky holte sich Hilfe beim Mieterschutzbund. Sie führte, juristisch für die Durchsetzung ihrer Interessen fundamental, ein „Lärmprotokoll“, das die Belastungen seit Januar taggenau festhält. Die Rechtslage scheint eindeutig. „Die Miete mindert sich kraft Gesetz, wenn eine Wohnwertbeeinträchtigung vorliegt“, sagt Sonnemann. „Der Mieter muss nur Gebrauch machen von dieser gesetzlichen Regelung. Das stellt ihn besser als es ein Rechtsanspruch könnte.“

Energieverbrauch im Homeoffice: Tipps zum Stromsparen

  • Der Computer: Bauart und Leistungsfähigkeit beeinflussen den Stromverbrauch erheblich. Ein Standard-Laptop kommt bei einem achtstündigen Arbeitstag auf 0,2 Kilowattstunden, ein Desktop-PC mit vergleichbarer Leistung auf ungefähr das Dreifache. In sechs Wochen Homeoffice ergibt das zwei Euro zusätzliche Stromkosten bzw. sechs Euro für den PC.
  • Hoch gerüstete Gamer-PCs sollten nicht über einen längeren Zeitraum im Homeoffice verwendet werden, da deren Leistungsfähigkeit zu einem 70 % höheren Stromverbrauch führen kann.
  • In Arbeitspausen sollte jeder PC in den Energiesparmodus versetzt werden. In den Optionen lassen sich genaue Energiespar-Einstellungen vornehmen. Nachts und bei längeren Arbeitspausen sollte der PC ausgeschaltet sein.
  • Auch der Stromverbrauch der WLAN-Router lässt sich verringern. So kann bei einigen Modellen die Datenübertragungsfunktionen zeitlich begrenzt und nachts abgeschaltet werden.
  • Wer nachts außerdem WLAN-Empfänger (wie PC, Handy, Smart TV) komplett ausschaltet, verringert damit auch den Stromverbrauch des Routers. Gleiches gilt für WLAN-Repeater. Diese erweitern die Reichweite des Funknetzes und kommen deshalb oft in großen Wohnungen oder Häusern zum Einsatz.
  • Abschaltbare Mehrfachsteckdosen sind empfehlenswert, da einige elektrische Geräte auch nach der Abschaltung weiter Strom verbrauchen. Durch die Abschaltung der Mehrfachsteckdose wird der unnötige Stand-by-Verbrauch verhindert.
  • Sogenannte Master-Slave-Steckdosen schalten selbsttätig weitere Geräte wie etwa PC-Peripherie vom Netz, allerdings haben sie einen Eigenverbrauch. Dieser liegt bei ein bis zwei Watt.
  • Rund ums Stromsparen bietet die Verbraucherzentrale Hamburg eine telefonische Beratung an. Kurzauskünfte und Anmeldungen für ausführliche Beratungsgespräche sind möglich über die Hamburger Energielotsen unter der Rufnummer (040) 248 32-250.

Saga schreibt Mieterin Mahnungen

20 Prozent zog Markowsky Ende Januar ab und begründete die Mietminderung gegenüber der Saga schriftlich. Als Antwort kamen Mahnungen. „Erst Ende April erreichte ich meine zuständige Sachbearbeiterin am Telefon. Sie erklärte mir, die Mahnungen seien ein Fehler gewesen, ich würde natürlich eine Mietminderung erhalten, es sei nur noch nicht klar, ob es 20 oder 30 Prozent würden“, sagt Markowsky.

Die Saga sieht das anders. Sie will Markowsky früh darauf aufmerksam gemacht haben, dass für die Inanspruchnahme einer Mietminderung eine schriftliche Darlegung über Dauer und Umfang der Beeinträchtigung nötig sei. „Per Telefon“, sagt Saga-Sprecher Michael Ahrens. Ebenfalls fernmündlich habe man Anfang April angekündigt, der Mietminderung widersprechen zu wollen. „Ende April erhielten wir dann ein Schriftstück, das unserer Meinung nach weiterhin keine Minderung wegen Lärms zulässt“, sagt Ahrens. Auf die Entschuldigung und die Zusage, die Markowsky am Telefon erhalten haben will, ging Ahrens nicht ein.

Definitiv klären lassen sich Zeitpunkte und Inhalte etwaiger Telefonate nicht. Definitv aber bekam Markowsky am 25. Juni Post: Die Saga lehnte die Mietminderung ab. Fünf weitere Mieter und damit laut Saga sämtliche Mietminderer in der Anlage teilen Markowskys Schicksal.

"Am Rand meiner psychischen Belastungsgrenze"

„Ich war so enttäuscht und so wütend über das Versteckspiel“, sagt Markowsky. „Der Lärm, die Arbeitsbelastung und dann noch die vielen Mahnungen haben mich wirklich an den Rand meiner psychischen Belastungsgrenze gebracht.“ Jetzt schrieb sie an die Stadtentwicklungssenatorin. „Stapelfeldt ist ja als Aufsichtsratsvorsitzende die oberste Dienstherrin der Saga und könnte Einfluss nehmen“, sagt Markowsky. „Es kann doch nicht sein, dass ein städtisches Unternehmen in solchen für alle so überaus belastenden Zeiten nur auf Zeit spielt und praktisch keinerlei Solidarität aufbringt.“

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Sonnemann beschreibt die Saga als „sehr zäh, wenn es um Fragen der Mietminderung geht. Die Mieter sollten sich aber nicht ins Bockshorn jagen lassen.“ Sonnemann weist darauf hin, dass ein Hickhack um Mietminderungen für juristische Laien oft außerordentlich belastend sei, weil sie den Schlachtenlärm und die Drohgebärden der Rechtsanwälte nicht gewohnt seien und auch nicht einordnen könnten.

Eine Kündigung der Wohnung steht laut Saga nicht im Raum

„Wir haben schon einmal bessere Zeiten mit dem städtischen Wohnungsbauer erlebt, in denen Verabredungen getroffen wurden“, sagte Sonnemann. „Da haben wir uns bei größeren Baustellen alle drei bis sechs Monate zusammen gesetzt und uns auf einen Betrag für die Mietminderung geeinigt“, sagte Sonnemann. „Das war sinnvoll. Aber in letzter Zeit bröckelt das wieder.“ Letztlich aber habe man sich immer außergerichtlich geeinigt.

Saga-Sprecher Ahrens bat um Nachsicht, wenn es „zu Missverständnissen bei der Kommunikation gekommen sein sollte. In der Sache stehen wir zu unserer Position, dass in diesem Fall nicht gemindert werden muss.“ Eine Kündigung der Wohnung stehe aber „ausdrücklich nicht im Raum“. Wie lange die Belastung noch anhalten werde, konnte Ahrens nicht sagen. Er wisse nicht, wann das Bauvorhaben fertig werde. Die Bausenatorin wollte den Ausführungen der Saga „nichts hinzufügen“. Mit Beginn des Juli zahlt Markowsky wieder die volle Miete.