Hamburg. Bezirksversammlung Mitte konstituiert sich mit zwei Fraktionen der grünen Wahlsieger. Kritische Kommentare der Opposition.
So viel Interesse an einer konstituierenden Sitzung der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat es wohl noch nie gegeben. Fotografen, Kamerateams und Reporter hatten sich im Sitzungssaal in der elften Etage des Bezirksamts Mitte an der Caffamacherreihe eingefunden. Der Grund war ein Eklat bei den Grünen, nach dem die Partei nun zwei Fraktionen in der Bezirksversammlung hat.
Der Grünen-Landesvorstand prüft Vorwürfe gegen die beiden Abgeordneten Shafi Sediqi und Fatih-Can Karismaz, wonach die beiden angeblich dem islamischen Extremismus nahestehen sollen. Vier Abgeordnete solidarisierten sich mit ihnen. Jetzt bilden die sechs Abgeordneten eine eigene Fraktion, die "Grüne 2".
"Grüne 2"-Chefin spricht von "Rufmord"
Zur Vorsitzenden wurde Meryem Dagmar Celikkol bestimmt. Sie äußerte sich enttäuscht vom Umgang der Partei mit Sediqi und Karismaz und sprach von einer "Vorverurteilung" und "Rufmord". Der Landesvorstand hatte am vergangenen Wochenende mitgeteilt, dass begründete Zweifel aufgekommen seien, ob sich die beiden "in vollem Umfang zum Grundgesetz und unseren Grundwerten bekennen".
Solange die Vorwürfe nicht belegt seien, könne man gewählte Abgeordneten nicht so behandeln, sagte Celikkol. "Das ist nicht grün." Die Mitglieder ihrer Fraktion wollten aber weiter grüne Politik betreiben und auch in der Partei bleiben.
Sediqi und Karismaz kündigen Erklärung an
Die beiden Beschuldigten wollten sich zunächst nicht öffentlich zu den Vorwürfen äußern. Die Situation sei neu für ihn, deshalb habe er sich einen Rechtsbeistand genommen, sagte Sediqi lediglich. Dem Abendblatt sagte Sediqi: "Ich weise sämtliche Vorwürfe zurück. Ich gehe voller Optimismus und Tatendrang an die neue Aufgabe." Für die nächste Woche kündigte Sediqi ebenso wie Karismaz, der sich nicht äußern wollte, eine Erklärung an.
Grünen-Fraktionschef Muja: Gibt viel zu tun
Die andere Grünen-Fraktion, die ursprünglich 16 Abgeordnete gehabt hätte, hat nun noch zehn Mitglieder. Fraktionschef ist Manuel Muja. Er sagte dem Abendblatt: "Es gibt viel zu tun." Er betonte, dass zunächst den im Raum stehenden Vorwürfen "in einem offiziellen, transparenten und fairen Verfahren" nachgegangen werden müsse, "bevor eine Zusammenarbeit möglich ist".
"Für mich ist es unverständlich, dass Teile der gewählten Abgeordneten zu einer anderen Einschätzung gekommen sind, weil sie damit deutlich machen, dass diese schwerwiegenden Vorwürfe ihnen offensichtlich nicht wichtig genug sind, um sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu überprüfen."
Alterspräsident erklärt Fraktionsrecht
Zum Vorsitzenden der Bezirksversammlung gewählt wurde mit großer Mehrheit erneut der dienstälteste Abgeordnete Dirk Sielmann (SPD), der seit 1996 dabei ist. Vorschlagsrecht hatte als größte Fraktion seine SPD.
Dass es zwei Fraktionen einer Partei gebe, habe er noch nie erlebt, sagte Sielmann, der erneut zum Vorsitzenden der Bezirksversammlung gewählt worden. Kurios: Trotz des Wahlsiegs der Grünen Ende Mai stellen Sielmanns Sozialdemokraten mit 14 Abgeordneten nun weiter die größte Fraktion.
Entgegen der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung sei das Rechtsamt zu dem Schluss gekommen, dass eine Partei zwei Fraktionen in der Bezirksversammlung stellen könne, sagte der Alterspräsident bei der Konstituierung. Voraussetzung sei nur, dass mindestens drei Abgeordnete ihr angehören. "Insofern geht das Rechtsamt davon aus, dass heute eine zweite Grünen-Fraktion gebildet werden kann."
CDU-Mann warnt Steuerzahler
Kritik übte der CDU-Abgeordnete Roland Hoitz: "Dass die Grünen jetzt eine zweite Fraktion haben, wird die Steuerzahler in den kommenden fünf Jahren dieser Legislaturperiode rund eine halbe Million Euro kosten. Das ist eine Bereicherung aus öffentlichen Töpfen."
Neben den zehn plus sechs Grünen- und den 14 SPD-Abgeordneten gehören der neuen Bezirksversammlung auch acht Abgeordnete der Linken, sechs der CDU, vier der AfD und drei der FDP an.