Hamburg. Konstituierende Sitzungen in fünf Bezirken: Noch wird über mögliche Koalitionen diskutiert. Zwei neue Grünen-Fraktionen in Mitte.
Die Bezirksversammlungen in Altona, Eimsbüttel, Mitte, Nord und Wandsbek kommen heute zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammen. Dort werden dann viele neue, aber auch altbekannte Abgeordnete zum ersten Mal nach den Bezirkswahlen aufeinandertreffen.
Bezirk Mitte
Im Fokus wird der Sitzungssaal der Bezirksversammlung Mitte an der Caffamacherreihe 1 stehen: Denn dort werden sich heute gleich zwei Grünen-Fraktionen konstituieren. Ein wohl einmaliger Vorgang, der einem seit Monaten brodelnden Streit im Kreisverband Hamburg-Mitte geschuldet ist: „Wir haben leider keine andere Wahl, als unsere eigene Fraktion zu gründen. Denn wir sechs Abgeordneten sind auf der konstituierenden Grünen-Fraktionssitzung am 14. Juni per Abstimmung aus der Fraktion ausgeschlossen worden“, sagte die Abgeordnete Meryem Dagmar Celikkol dem Abendblatt. Celikkol gehört einer sechsköpfigen Gruppe an, die sich, so die bisherige Darstellung, abgespalten hatte (wir berichteten). Denn seitdem der Landesvorstand Vorwürfe gegen zwei neue Bezirksabgeordnete aufklären will, weil diese angeblich dem islamischen Extremismus nahestehen sollen, haben sich vier Abgeordnete mit den beiden solidarisiert.
Auf Anfrage wollte sich Manuel Muja, der die „andere“ zehnköpfige Grünen-Fraktion anführt, nicht zu den Ausschlussvorwürfen äußern. Noch am Wochenende hatte er in einer Mail an Grüne-Mitglieder in Mitte behauptet, dass die sechsköpfige Gruppe sich „in der aktuellen Situation nicht mit der Grünen-Bezirksfraktion konstituieren möchte, was wir zur Kenntnis genommen haben“. Die beiden Grünen-Lager sollen dem Vernehmen nach darum gebeten haben, nicht in einer Reihe in der Bezirksversammlung sitzen zu müssen. Bleibt die Frage, wer mit wem koaliert, hier gibt es 51 Abgeordnete. Um eine Mehrheit zu haben, sind aktuell nur Bündnisse aus drei Parteien möglich: Zum Beispiel SPD (14 Sitze), die zehnköpfige Grünen-Fraktion und die FDP-Fraktion (3 Sitze). Zusammen würde das 27 Sitze ergeben. Aber FDP-Fraktionschef Timo Fischer zumindest hat andere Pläne: „In der Bezirksversammlung bedarf es keiner Koalition, auf Bezirksebene finden wir das Modell der wechselnden Mehrheiten interessant.“
Nach Abendblatt-Informationen ist wohl eine Koalition aus SPD, großer Grünen-Fraktion und CDU – die zusammen 30 Sitze haben würden – die wahrscheinlichste Variante. Der neu gewählte parlamentarische Geschäftsführer der sechsköpfigen CDU-Fraktion, Robert Hoitz, sagte, die CDU könne sich eine Koalition mit SPD und Grünen vorstellen. Doch zunächst müssten nun offizielle Gespräche mit den potenziellen Partnern geführt werden. Der CDU sei vor allem wichtig, dass bei Verkehrsthemen künftig nicht nur die Zielgruppe der Radfahrer im Fokus stehe, sondern die Interessen von Autofahrern und Fußgängern gleichermaßen vertreten würden.
Bezirk Eimsbüttel
Die Grünen, mit 19 Sitzen klar stärkste Kraft, sondieren derzeit noch, ob sie mit der SPD (12) oder mit der CDU (9) koalieren. Die Entscheidung werde wohl nach der Sommerpause fallen, sagte die designierte Fraktionsvorsitzende Lisa Kern. Für die SPD spreche zwar, dass man sich aus rot-grünen Zeiten gut kenne. Einen Automatismus für ein Weiter-so, dann als Grün-Rot, gebe es aber nicht. Entscheidend sei letztlich wohl, mit welchem Partner im Verkehrsbereich mehr umzusetzen sei. Dabei gehe es vor allem um mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger.
Bezirk Nord
Nachdem die Grünen in Nord als mit Abstand stärkste Fraktion (19 Sitze) sowohl mit dem bisherigen Partner SPD (11 Sitze) als auch der CDU (9) Sondierungsgespräche geführt hatten, haben die Mitglieder einstimmig für Koalitionsverhandlungen mit der SPD votiert. „Wir wollen die erfolgreiche Zusammenarbeit der letzten Jahre fortsetzen – wenn auch unter veränderten Bedingungen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Michael Werner-Boelz. „Mit mehr Mut wollen wir die Verkehrswende voranbringen, wir wollen für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen, für eine offene und pluralistische Gesellschaft kämpfen und so den sozialen Zusammenhalt stärken, das Stadtgrün erhalten und dem Klimaschutz endlich die Bedeutung zukommen lassen, die er verdient und benötigt.“ Der Koalitionsvertrag solle nach der Sommerpause stehen, erst danach werde über die Besetzung des vakanten Bezirksamtsleiterpostens entschieden.
Bezirk Altona
Im Bezirk Altona ist ein erstes Problem schon vor der heutigen konstituierenden Sitzung der neuen Bezirksversammlung gelöst worden. Die Fraktionen haben sich auf einen Ausschreibungstext für den frei werdenden Posten des Bezirksamtsleiters geeinigt. Die Amtszeit von Liane Melzer endet Ende August. Die Stellenanzeige soll in der kommenden Woche in Zeitungen und Internetportalen geschaltet werden. Im September oder Oktober könnte die Bezirksversammlung dann einen neuen Amtsleiter auswählen. Ein erster Kandidat steht auch schon fest. Die Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann (Linke) hat parteiintern ihre Bewerbung erklärt. „Sie hat alle notwendigen Qualifikationen“, sagt der Altonaer Linken-Fraktionschef Robert Jarowoy. Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse könnte Altona erstmals einen grünen Amtsleiter bekommen. Bei der Bezirksversammlungswahl sind die Grünen mit 35,1 Prozent der Stimmen deutlich stärkste Partei geworden und haben nun 18 Sitze. Die SPD kommt auf elf Sitze, die CDU auf neun. Die Linke folgt mit acht Sitzen, FDP (3) und AfD (2) sind abgeschlagen. Die Grünen haben angekündigt, mit allen großen Fraktionen sprechen zu wollen. Eine Mehrheit in der Bezirksversammlung wäre sowohl mit der SPD, der CDU als auch der Linken möglich. Denkbar wäre auch das Modell, das in der vergangenen Legislaturperiode in Altona genutzt wurde: wechselnde Mehrheiten.
Bezirk Harburg
Was mögliche Koalitionen oder die Zusammenarbeit von Fraktionen betrifft ist es in Harburg derzeit noch sehr ruhig. Zwar wird sondiert, doch eher hinter den Kulissen. Am 25. Juni trifft sich das Gremium zu seiner konstituierenden Sitzung, doch alle Parteien wollen sich den Sommer über Zeit nehmen, um eine mögliche Zusammenarbeit auszuloten. Klar ist nur eines: Mit der AfD will niemand zusammenarbeiten. Die Initiative geht von den Sozialdemokraten aus, die im Bezirk Harburg immer noch die meisten Wählerstimmen aller Parteien einfuhren. Doch auch im Harburger Rathaus haben sich die Machtverhältnisse drastisch zugunsten der Grünen verändert: Von den Mandaten her liegen die Fraktionen SPD und Grünen mit je 14 Abgeordneten gleichauf. Eine rot-grüne Koalition ist rechnerisch ebenso möglich, wie politisch und hätte eine Mehrheit von zwei Stimmen. Doch die Grünen sondieren auch in Richtung Linke, CDU und FDP. Jamaika in Harburg ist zumindest für CDU-Frontmann Ralf Dieter Fischer eine Option. Er hat zumindest mit den Grünen schon einmal gut harmoniert. Nach dem Scheitern der Harburger Großen Koalition im vergangenen Sommer wurde in der Harburger Bezirksversammlung ohne formelles Bündnis mit wechselnden Mehrheiten agiert. Dabei gab es allerdings Kooperationsabsprachen zwischen SPD, Linken und Grünen zu einzelnen Themen.
Bezirk Wandsbek
In Wandsbek sind zwei Konstellationen denkbar: die Fortsetzung von Rot-Grün mit drastisch verschobenen Kräfteverhältnissen oder Jamaika unter Führung der Grünen. In der ersten Variante bliebe Thomas Ritzenhoff (SPD) als Bezirksamtsleiter im Amt, in der zweiten Variante eher nicht. Die Grünen haben nur einen Sitz weniger als die SPD, aber für Schwarz-Grün reicht es wegen der großen Verluste der CDU trotzdem nicht. Zu beiden „Regierungs“-Optionen gab es schon jeweils eine Sondierungsrunde, aber die grüne Parteispitze konnte den Mitgliedern noch keine klare Empfehlung geben. Deshalb wird es laut Mitgliederbeschluss jetzt eine zweite Sondierungsrunde mit der SPD und mit CDU und FDP geben. Die Knackpunkte für die Grünen sind die Verkehrswende und der Grünflächenverbrauch. Der Wohnungsbau soll deutlich bunter und vielfältiger werden, als dies bisher mit der SPD möglich war, weil dies nach den Vorstellungen der Grünen auch Grünflächen erhalten würde. In Verkehrsfragen könnten die Grünen eine Verengung der weitgehend sechsspurigen Wandsbeker Chaussee/Wandsbeker Marktstraße fordern. Definitiv verlangt haben sie eine Förderung des Radverkehrs. SPD und CDU/FDP müssen sich anstrengen, die Grünen zu überzeugen. Am 29. Juni soll die Kreismitgliederversammlung entscheiden, mit wem die Parteispitze Koalitionsgespräche aufnehmen soll.
Bezirk Bergedorf
Die Wahl hat die Mehrheiten in Bergedorf mächtig durcheinandergewürfelt. Die rot-grüne Dominanz ist Geschichte. Zwar bleibt die SPD mit zwölf der 45 Sitze stärkste Fraktion, aber nur mit hauchdünnem Vorsprung vor der CDU (11) und den Grünen (10). Rechnerisch könnten so nur SPD und CDU eine Mehrheit zusammenbekommen. Sonst braucht es Konstellationen wie Rot-Rot-Grün oder auch Jamaika. Denn die Linken sitzen jetzt mit fünf, die FDP mit drei Vertretern in der Bezirksversammlung. Die AfD komplettiert Bergedorfs Bezirksparlament mit vier Abgeordneten.
Feste Koalitionen sind bisher nicht in Sicht. Zwar laufen hinter den Kulissen bereits diverse Gespräche. Aber auf Nachfrage favorisieren alle politischen Lager die Fortsetzung der sogenannten Bergedorfer Verhältnisse, also der sachbezogenen Suche nach Mehrheiten zu jedem Einzelthema. Der am 27. Juni erstmals tagenden Bezirksversammlung stehen schon zur Premiere beherzte Diskussionen bevor. So sollen die Sonderausschüsse zu Oberbillwerder und zu den Flüchtlingsunterkünften aufgelöst werden. Und es geht um die Verteilung der Vorsitze in den verbleibenden elf Ausschüssen. Rechnerisch steht einer davon auch der AfD zu.