Hamburg. Staat sollte lieber Wohnungen finanzieren als zahlungsunfähige Mieter in die Wohnungslosigkeit abrutschen zu lassen, so der Professor.
Die gesellschaftlichen Folgen von Obdachlosigkeit sind nach Einschätzung des Armutsexperten und Professors für Soziale Arbeit an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Harald Ansen, insgesamt teurer als die staatliche Vermittlung von Wohnungen.
„Wer auf der Straße lebt, ist anfälliger für Krankheiten, sodass es zu erhöhten Behandlungskosten kommt“, sagte Ansen. „Wohnungslose Menschen können aufgrund ihrer Situation meistens auch nicht arbeiten, so dass Sozialleistungen hinzukommen. Außerdem gibt es soziale Einrichtungen für sie, die ebenfalls finanziert werden müssen.“ Wohnraum zu bezahlen sei dagegen deutlich günstiger.
Finnland macht es vor
Dabei zeigten die Erfahrungen anderer Länder, dass die schnelle Vermittlung von Wohnungen ein guter Weg sei, um Obdachlosigkeit vorzubeugen. Mit dem aus den USA stammenden Konzept „Housing First“ erhalte etwa in Finnland jeder, der seine Wohnung verliert, eine neue. Finnland ist das einzige EU-Land, in dem die Obdachlosenzahlen seit Jahren zurückgehen.
„Es ist viel einfacher, Menschen individuell zu helfen, wenn sie einen festen Wohnsitz haben, als wenn sie auf der Straße leben“, sagte Ansen. Hinzu komme: Wer einmal obdachlos sei, bleibe es häufig längere Zeit. „Am Anfang sind die Bemühungen noch groß. Doch je länger Menschen auf der Straße leben, umso stärker resignieren sie, spüren Ohnmacht und Hilflosigkeit.“ Für die Betroffenen werde es dann immer mühsamer, in ein geregeltes Leben zurückzufinden.
Immer mehr junge Wohnungslose
Mit Sorge betrachtet Ansen deshalb, dass die Zahl junger Menschen unter den wohnungslosen Menschen in Deutschland zunimmt. „Wer im höheren Alter seine Wohnung verliert, hat bestimmte Schritte der Sozialisation erlebt, hatte vermutlich Beziehungen und vielleicht einen Job.“ Der Weg zurück sei dann nicht ganz so weit wie bei einem Menschen, dem all diese Erfahrungen von Beginn an fehlten.
Für ein Modell wie „Housing First“ fehle es in Deutschland vor allem in den Großstädten, wo viele Obdachlose leben, an bezahlbarem Wohnraum. „Der soziale Wohnungsbau kommt erst mühsam in Gang“, sagt Ansen. Die Situation werde sich vermutlich weiter zuspitzen, wenn ab dem Jahr 2020 der Bau von Sozialwohnungen nicht mehr Bundes-, sondern Ländersache werde.
Umsiedlung aufs Land keine Lösung
Von dem Vorschlag, Obdachlose in ländlichen Regionen unterzubringen, wo der Wohnraum günstiger sei, hält Ansen nichts. «Jeder Mensch hat das Grundrecht auf die Wahl seines Aufenthaltsortes. Für viele Obdachlose ist ihre Stadt ihr Lebensmittelpunkt und das Leben auf dem Land keine Perspektive.»