Hamburg. Im März waren am Bauwerk Teile der Fassade abgeplatzt. Nun wird geprüft, ob auch andere Bereiche des Rathauses gefährdet sind.

Langsam steigt die Hebebühne am Rathaus nach oben. In 35 Meter Höhe hält der Korb an, und Ralf-Rainer Schmalstieg beginnt mit der Inspektion. Der 57-Jährige kennt hier jeden Stein. Zum einen, weil er von Beruf Steinmetz ist. Zum anderen, weil er vor 20 Jahren bereits schon einmal das Hamburger Rathaus saniert hat. Vier Jahre dauerten die Arbeiten damals. „Diesmal haben wir vier Tage“, sagt Schmalstieg.

Ist das Hamburger Rathaus eine Gefahr für Passanten? Dieser Frage gehen Schmalstieg und Kollegen – auch Dachdecker sind im Einsatz – seit Freitag nach, nachdem im März Gesteinsteile an der Ostfassade abgebrochen und auf den Gehweg gestürzt waren.

Gefrorenes Wasser hatte zum Abplatzen geführt

Als vor fünf Wochen das bekannteste Hamburger Gebäude zu bröckeln begann, war die Aufregung groß. Wie marode ist das Rathaus? Die Sichtung des Schadens ergab, dass Wassereintritt in ein Ziertürmchen und die anschließende Frostbildung zum Abplatzen von Gestein geführt hatte.

Arbeiten an der Rathausfassade

Prüfarbeiten an der Rathaus-Fassade

Steinmetz Ralf-Rainer Schmalstieg untersucht die Fassade des Hamburger Rathauses
Steinmetz Ralf-Rainer Schmalstieg untersucht die Fassade des Hamburger Rathauses © dpa | Christophe Gateau
Am Freitag haben die Sichtungsarbeiten an der Fassade begonnen
Am Freitag haben die Sichtungsarbeiten an der Fassade begonnen © Frank Mares
Hoch oben: Der Steinmetz überprüft kleinlich das Gemäuer,nachdem Gesteinsteile heruntergefallen waren
Hoch oben: Der Steinmetz überprüft kleinlich das Gemäuer,nachdem Gesteinsteile heruntergefallen waren © dpa | Christophe Gateau
Bekam bei der Gelegenheit ihren bronzenen Palmwedel zurück: Die Figur der St. Katharina
Bekam bei der Gelegenheit ihren bronzenen Palmwedel zurück: Die Figur der St. Katharina © dpa | Christophe Gateau
Wappenkunde am Rathaus: Steinmetz Ralf-Rainer Schmalstieg
Wappenkunde am Rathaus: Steinmetz Ralf-Rainer Schmalstieg © dpa | Christophe Gateau
Der aufgearbeitete Palmwedel von St. Katharina wurde fachmännisch angeschraubt
Der aufgearbeitete Palmwedel von St. Katharina wurde fachmännisch angeschraubt © dpa | Christophe Gateau
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Ralf-Rainer Schmalstieg beugt sich über das Geländer der Hebebühne, die sich fünf Meter unterhalb des St. Michael, Schutzpatron für den Michel, befindet. „Zuerst machen wir eine optische Kontrolle der Fassade“, sagt er. „Und sobald wir irgendwo Risse entdecken, erfolgt die Klangprobe.“ Mit einem Eisenhammer wird der Stein abgeklopft, um durch den Klang zu erfahren, wie es innen in ihm aussieht. „Das ist vergleichbar mit einer Glasschüssel“, sagt Schmalstieg. „Reines Glas klingelt, wenn man darauf klopft, gesprungenes Glas dagegen erzeugt ein dumpfes Geräusch.“

Vor 20 Jahren wurde das letzte Mal restauriert

Noch bis zum Dienstag werden die Rathausfassaden Stein für Stein abgeklopft, und erst dann wird feststehen, wie hoch der Sanierungsbedarf des 120 Jahre alten Gebäudes ist. „Bisher haben wir drei Stellen mit Schäden entdeckt, die allerdings völlig unbedenklich sind“, sagt Schmalstieg. Für den Fall, dass sie in den nächsten Tagen noch größere Risse ausmachen, würden diese „mit Edelstahlnetzen notgesichert, damit niemandem hier plötzlich Steine auf den Kopf fallen“.

Wie teuer das Ganze wird, lässt sich noch nicht abschätzen. „Die Kosten hängen vom Aufwand ab und stehen erst nach Abschluss der Prüfung fest“, sagt Sebastian Schaffer, stellvertretender Senatssprecher. Dann könne auch über erforderliche Restaurierungsarbeiten entschieden werden.

Schutzpatronin bekommt Palmwedel zurück

Auf einer zweiten Hebebühne auf der linken Seite des Rathausmarktes bekommt derweil die Figur der St. Katharina, Schutzpatronin für die Katharinenkirche, ihren Palmwedel aus Bronze zurück. „Er wurde ausgearbeitet und wird jetzt von einem Dachdecker dort oben wieder angebracht“, sagt Schaffer.

Im Mai wird dann noch der 112 Meter hohe Rathausturm unter die Lupe genommen und auf Risse untersucht. „Dafür brauchen wir eine höhere Arbeitsbühne, die vorher nicht verfügbar ist“, sagt Schaffer. Und auch der Rathausinnenhof werde mittels Klettertechnik zu einem späteren Zeitpunkt noch auf mögliche Fassadenschäden untersucht.

Fassade war über die Jahre schwarz geworden

Die Vorbereitungsarbeiten für die jetzige Sichtung hatten schon am 18. April begonnen. Bürgerschaft und Senat hatten sich mit dem Rathausservice zu dieser Maßnahme entschlossen. Die Kosten würden vom Aufwand abhängen, hieß es. Erst nach der Prüfung könne über erforderliche Restaurierungsarbeiten entschieden werden. Der Termin hierfür steht noch nicht fest.

Das 1897 fertiggestellte Rathaus war erst im Jahr 1997 zum 100. Jahrestag umfangreich renoviert worden. Unter anderem wurde auch die über die Jahre und von zwei Weltkriegen schwarz gewordene Fassade aufbereitet.