Hamburg. Gewalttätige Demonstrationen nicht ausgeschlossen. Gefängnisse halten freie Zellen vor. Richter in Bereitschaft.

Während des Treffens der OSZE-Außenminister am 8. und 9. Dezember mit rund 3500 Teilnehmern aus 57 Staaten werden die Gerichte rund um den Sievekingplatz ihre Prozesstätigkeit weitgehend einstellen. Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat den Richtern dringend empfohlen, auf Terminansetzungen an beiden Tagen zu verzichten.

Der „Platz“ liegt in unmittelbarer Nähe zum OSZE-Tagungszentrum in den Messehallen. Zwar werde der Zugang zum Zivil- und zum Strafjustiz­gebäude sowie zum Oberlandesgericht gewährleistet sein. „Aber die umliegenden Straßen können zum Teil nicht benutzt werden. Der Verkehr wird vermutlich beeinträchtigt werden“, sagte Steffen dem Abendblatt.

Wenn die Erreichbarkeit der Gerichte erschwert sei, könne es schnell zu Verzögerungen im Ablauf der Verhandlungen kommen, was für alle Beteiligten nachteilig sei. Engpässe könnten zum Beispiel bei Zivilsachen am Amtsgericht schnell entstehen, wo zum Teil im Halb-Stunden-Takt verhandelt werde. Ein weiterer wichtiger Punkt sei, dass bei jedem Verfahren der Zugang für die Öffentlichkeit gewährleistet sein müsse. In Ausnahmefällen müssten jedoch Prozesse stattfinden, wenn etwa eine Strafkammer einen Termin ansetzen muss, um ein Verfahren fristgerecht fortzusetzen.

Rund 10.000 Beamte im Einsatz

Die Polizei bereitet sich auf den größten Einsatz des Jahres vor. Rund 10.000 Beamte sollen für den sicheren Transfer der Teilnehmer des OSZE-Treffens sorgen und auf die angekündigten Demonstrationen vorbereitet sein. Derzeit gehen die Sicherheits­behörden von einem weitgehend friedlichen Verlauf der Proteste aus. „Bislang zeichnet sich keine besonders gravierende Lage ab. Wir gehen davon aus, dass sich die Auswirkungen möglicher Demonstrationen in einem beherrschbaren Rahmen halten“, betont auch Steffen. „Aber wir wollen vorsorglich so handeln, dass wir nicht in Schwierigkeiten kommen, wenn das Szenario ganz anders abläuft.“

Das bedeutet: Die Justiz stellt sich darauf ein, dass Festnahmen aufgrund von Straftaten rund um das OSZE-Treffen auch in größerer Zahl erfolgen könnten. Grundsätzlich bleibt die chronisch überlastete Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis direkt neben dem Strafjustizgebäude für die Aufnahme von Gefangenen während des Treffens zuständig. Deswegen wird ein Teil der dort schon einsitzenden Untersuchungsgefangenen in die Justizvollzugsanstalt Billwerder verlegt.

Kapazitäten sollen auch dadurch gewonnen werden, dass Straftätern, die eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen, für den 8. und 9. Dezember Vollstreckungsaufschub gewährt wird. Das könnte nach Schätzung der Justizbehörde etwa 40 Fälle betreffen. Außerdem sollen Gefangene, die ihre Ersatzfreiheitsstrafe schon angetreten haben, in die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel verlegt werden.

Personalbedarf steigt

Falls die so geschaffenen Kapazitäten in der U-Haftanstalt nicht ausreichen sollten, kommen weitere vorsorgliche Maßnahmen zum Zuge. So soll das Haus VII in Billwerder mit 35 Haftplätzen zeitlich begrenzt wieder in Betrieb genommen werden. Eher theoretisch ist die Möglichkeit, die im Frühjahr geräumte Teilhaftanstalt für Frauen mit rund 100 Plätzen auf der Elbhalbinsel Hahnöfersand zu nutzen. Die Baumaßnahmen zur Herstellung der Betriebsfähigkeit sollen bis Anfang Dezember abgeschlossen sein, allerdings gibt es bislang keine Personal­planung für das Haus.

Falls in größerer Zahl Festnahmen erfolgen sollten, steigert sich der Personalbedarf entsprechend. Steffen hat angeordnet, dass die U-Haftanstalt und das Gefängnis Billwerder personelle Unterstützung von Anwärtern im Justizdienst erhalten. Dabei sollen nur die Nachwuchskräfte herangezogen werden, die sich zu der Zeit in der Ausbildung an der Justizvollzugsschule befinden, also nicht im Praxiseinsatz in einer Haftanstalt sind. Außerdem sollen alle Zuführungen zum Gericht aus der Gewahrsamnahme grundsätzlich von Polizeibeamten übernommen und Justizvollzugs­beamte somit entlastet werden.

Auch Flugverkehr strenger überwacht

Während des OSZE-Treffens wird auch der Flugverkehr in Hamburg strenger überwacht. Alle Starts und Landungen am Hamburg Airport Helmut Schmidt sollen wie geplant stattfinden – abgesehen vom Flug­hafen Fuhlsbüttel gilt nach Abendblatt-Informationen aber eine Flugverbotszone über Hamburg und Umgebung mit einem Radius von 55,5 Kilometern. In diesem Sektor dürfen nur genehmigte Flüge von Privatmaschinen stattfinden. Flüge mit Drohnen, Heißluftballons, Modellfliegern und anderen Flugfahrzeugen sind in diesem Gebiet vom 8. Dezember um 8 Uhr bis zum 9. Dezember um 19 Uhr strikt verboten – bei Verstößen drohen Strafen.

Die Teilnehmer des Treffens werden bereits vom 7. Dezember an in Hamburg landen. Die wichtigsten Staatsgäste werden, begleitet von Kradfahrern der Polizei, zu ihren Hotels sowie zum Tagungsort in den Messehallen gebracht. Die Polizei spricht von möglichen Verkehrsbehinderungen in der gesamten Innenstadt, wenn etwa Kreuzungen kurzzeitig gesperrt werden. Ebenso müssten Fluggäste, die aus der Innenstadt mit dem Auto zum Flughafen fahren, eventuell etwas mehr Zeit einplanen. Der Flughafen Fuhlsbüttel wird aber auch weiterhin mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Auch alle Parkplätze werden am Airport nach Polizeiangaben regulär nutzbar sein.