Hamburg . Eigentümer droht mit Klage. Einrichtung soll Bieberhaus bis Oktober verlassen. Kinder hoffen auf Hilfe von Bürgermeister Scholz.

Das Hamburger Straßenkinderprojekt Kids, das zum gemeinnützigen Vereins basis & woge gehört, steht vor dem Aus. Spätestens zum 1. Oktober soll die Anlaufstelle für Straßenkinder am Hamburger Hauptbahnhof die Räumlichkeiten im Bieberhaus verlassen. Das teilte der Kids-Leiter Burkhard Czarnitzki am Freitag mit.

„Wenn wir unsere Einrichtung am Bahnhof schließen müssen, haben die Straßenkinder keine Anlaufstelle mehr, in der sie Hilfe und Unterstützung finden“, sagt Czarnitzki. Seit 23 Jahren ist das Kids in dem ursprünglich städtischen Bieberhaus am Heidi-Kabel-Platz ansässig, das 2006 von der Alstria Office Reit-AG gekauft worden ist.

Grund der Kündigung ist umfangreiche Sanierung

„Dem Kids ist gekündigt worden, da der Teil des Bieberhauses Richtung St. Georg grundlegend saniert werden soll“, sagt Ralf Dibbern, Sprecher der Alstria Office Reit-AG, dem Abendblatt. Der andere Teil des Gebäudes, in das auch das Ohnsorg-Theater 2010 einzog, ist bereits saniert. Nun wird das Bieberhaus erneut zur Baustelle. "Für etwa zwei Jahre", sagt Dibbern. Es werde ein neues Dach geben, Innenräume würden entkernt. "Deshalb muss leider auch das Straßenkinderprojekt ausziehen." Ebenso wie das dort ansässige Finanzamt, das das Haus bereits in Kürze verlasse.

Der Investor betont jedoch, dass er versuche, eine Alternative für das Kids zu finden. „Wir haben einen Makler beauftragt, neue Räumlichkeiten zu finden“, sagt Dibbern. „Aber es ist wahnsinnig schwierig, in Hauptbahnhofnähe geeignete Flächen zu finden.“ Ein Angebot am Standort Berliner Tor habe das Kids zudem abgelehnt. Dibbern: „Wir müssen nun auf Kompromissbereitschaft der Einrichtung hoffen.“ Diese gebe es bisher nicht.

Investor drohe mit Schadensersatzklage

Das Straßenkinderprojekt hat seine Gründe, am Hauptbahnhof bleiben zu wollen. „Wir müssen die Straßenkinder mit unseren Angeboten direkt in ihrer Lebenswelt erreichen – und das ist nun einmal der Hauptbahnhof“, sagt Burkhard Czarnitzki. Die Einrichtung in einen anderen Stadtteil zu verlegen, sei deshalb keine Alternative. „Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind darauf angewiesen, uns spontan und ohne lange Wege aufsuchen zu können“, betont der Sozialarbeiter. Eine angemessene Alternative für das Kids sei nicht in Sicht. „Und nun droht Alstria sogar noch mit einer Schadensersatzklage, falls die Einrichtung nicht bis zum 1. Oktober geräumt wird.“

Auch die Jugendlichen, für die das Kids eine wichtige Rolle im Leben spielt, sind entsetzt. „Im Kids habe ich immer Hilfe bekommen“, sagt ein 15-jähriger Junge, der das Angebot der Einrichtung regelmäßig nutzt. „Ich und viele meiner Freunde wissen nicht, was wir ohne diese Anlaufstelle machen sollen. Es ist, als würde man uns unser Zuhause nehmen.“

Kids hofft auf die Unterstützung von Olaf Scholz

Kids-Leiter Czarnitzki appelliert nun an die Alstria AG, die Kündigung zurückzunehmen oder den Zufluchtsort für Straßenkinder nach einer Renovierungsphase durch einen neuen Mietvertrag zu retten. Ob das klappt, ist aber ungewiss. „Die Nutzung nach der Sanierung ist noch unklar“, sagt Alstria-Sprecher Dibbern. Wahrscheinlich sei, dass wieder Büros in die modernisierten Räume einziehen würden.

Kampflos aufgeben will die Einrichtung Kids nicht und setzt stattdessen auf die Unterstützung der Stadt. „Wir starten am heutigen Freitag eine Online-Petition“, sagt Czarnitzki. „Diese werden wir dann Bürgermeister Olaf Scholz, Sozialsenatorin Melanie Leonhard und Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt vorlegen.“

Das Kids bietet an sechs Tagen pro Woche Beratung, Essen, Duschmöglichkeiten und einen warmen, geschützten Aufenthaltsort für Kinder und Jugendliche, die zeitweilig obdachlos am Hauptbahnhof leben. Im vergangenen Jahr hatten die Kids-Mitarbeiter rund 10.000 Kontakte zu Betroffenen. Das Projekt wird von der Sozialbehörde finanziert.