Hamburg . In einem Brief drohte der Bezirk Mitte angeblich mit Auflösung des Camps an der Alster. Aber: Das Amt wusste nichts von dem Plan.

Die Nachricht, dass das Obdachlosencamp an der Kennedybrücke zwischen der Binnen- und der Außenalster vom Bezirksamt Mitte am heutigen Donnerstag geräumt werden soll, hat viele Hamburger entsetzt. Auch die Politik reagierte prompt und die Linken-Bürgerschaftsfraktion warf dem Senat sofort „Vertreibungspolitik“ vor.

Besonders überrascht von der kurz bevorstehenden Räumung war allerdings das Bezirksamt Mitte selbst. „Wir haben nicht vor, das Obdachlosencamp an der Kennedybrücke zu räumen und haben auch kein entsprechendes Schreiben an die Obdachlosen verteilt“, sagt Bezirksamtssprecher Norman Cordes dem Abendblatt.

Polizist handelte im Alleingang

Die Grünflächen an der Brücke sind schon seit Jahren ein beliebter Rückzugsort für obdachlose Menschen, die dort ihre Zelte aufschlagen. Etwa sieben Personen halten sich dort regelmäßig auf. Vor einigen Tagen wurde den Obdachlosen mit einem Brief ein Ultimatum gestellt.

In dem Standardschreiben, das bei einer bevorstehenden Räumung ausgehändigt wird, heißt es, dass „Zwangsmaßnahmen“ angewendet werden, sollten die Obdachlose ihren Platz am Wasser nicht bis 16.15 Uhr am Donnerstag räumen. Das Schreiben trägt den Briefkopf des zuständigen Bezirksamts. Doch die Obdachlosen haben den Brief nicht von einem Mitarbeiter des Bezirksamts in die Hand gedrückt bekommen – sondern von einem Polizisten.

Bezirksamt duldet das Obdachlosencamp

"Ja, das Schreiben ist von einem Kollegen von uns verteilt worden", bestätigt Polizeisprecher Holger Vehren. "Der Fehler liegt bei der Polizei." Denn diese ist für solch einen Vorgang nicht zuständig, sondern ausschließlich das Bezirksamt. Dieses bittet die Polizei nur um Amtshilfe, wenn die Obdachlosen trotz offizieller Aufforderung das Camp nicht verlassen wollen.

"Der Kollege hätte sich mit dem Bezirksamt abstimmen müssen", räumt Polizeisprecher Vehren ein. Es handele sich um einen unerfahrenen Polizisten, mit dem nun Gespräche geführt würden. Offenbar ist der Beamte davon ausgegangen, er könne im Alleingang handeln, weil Wildcampen in Hamburg grundsätzlich nicht gestattet ist. In einigen Fällen gibt es jedoch gewisse Spielräume.

„Wir dulden das Obdachlosencamp seit Jahren“, sagt Bezirksamtssprecher Norman Cordes. Die Menschen vor Ort seien noch nie auffällig geworden, hätten eine starke Sozialstruktur, passten also gegenseitig auf sich auf und räumten ihren Müll weg. „Sollte nichts Gravierendes passieren, wie etwa ein Feuer unter der Brücke, werden wir das Camp auch weiterhin dulden“, sagt er.