Hamburg. Kultursenatorin Kisseler ist gegen den Abriss, kann sich jedoch nicht gegen die Finanz- und Stadtentwicklungsbehörde durchsetzen.

Der geplante Abriss der City-Höfe am Hauptbahnhof hat zu massiven Verstimmungen im Senat geführt. Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) hatte sich nach Abendblatt-Informationen für den Erhalt und die Sanierung der denkmalgeschützten Hochhäuser eingesetzt, konnte sich jedoch nicht gegen Finanzsenator Peter Tschentscher und Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (beide SPD) durchsetzen, die beide die Variante Abriss und Neubau favorisieren – und dabei auf die Unterstützung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zählen dürfen.

Das beantwortet auch die Frage vieler Oppositionspolitiker, warum die Kultursenatorin vergangene Woche in der Bürgerschaft der Debatte über das Thema fern geblieben war. Sie wolle nicht die Prügel für etwas einstecken, was andere zu verantworten haben, soll sie im kleinen Kreis gesagt haben.

Neubau mit Büros, Wohnungen und Hotel

Wie berichtet, hatte die Bürgerschaft dem Verkauf des Grundstücks zwischen Klosterwall und Johanniswall für 35 Millionen Euro an die Baufirma Aug. Prien zugestimmt. Das Unternehmen ist als Siegerin aus einem Gebotsverfahren der Finanzbehörde hervorgegangen und will die vier Gebäudescheiben aus den 50er-Jahren, in denen derzeit noch das Bezirksamt Hamburg-Mitte sitzt, abreißen und einen Neubau errichten.

Der Umzug des Bezirksamt an die Caffamacherreihe ist bereits beschlossen. Ersten Planungen zufolge soll der Neubau am Klosterwall 47.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche haben, die sich zu 40 Prozent auf Büros, 30 Prozent Wohnungen und zu einem Fünftel auf ein Hotel verteilen. Der Rest steht für Geschäfte, Gastronomie, Kultur und eine Kita zur Verfügung. Ein internationaler Architektenwettbewerb steht aber noch aus.

Sowohl die Finanzbehörde als auch Oberbaudirektor Jörn Walter hatten nie verhehlt, dass sie die nach der Sanierung in den 70er-Jahren mausgrauen Hochhäuser für einen Schandfleck halten, an dessen Stelle möglichst ein Neubau entstehen sollte. Wie das Abendblatt erfuhr, hatte die für den Denkmalschutz zuständige Kulturbehörde aber von Anfang an Bedenken angemeldet. Ihre Haltung war: Wenn man die Gebäude abreißen will, muss man das öffentliche Interesse an einem Neubau schon sehr gut begründen. Und sollte es einen ernsthaften Vorschlag für einen Erhalt geben, komme man daran kaum vorbei oder müsse das Verfahren neu aufrollen.

Sanierungsplan verlor im Bieterverfahren

Das soll Tschentscher jedoch abgelehnt haben. Da das Gebotsverfahren beide Varianten zuließ – Abriss oder Erhalt – sollte schlicht der Sieger den Zuschlag erhalten, Denkmalschutz hin oder her. Aus dem Verfahren, das 2012 schon einmal abgebrochen und 2014 wieder aufgenommen worden war, ging dann in der ersten Runde tatsächlich ein Vorschlag für den Erhalt als Sieger hervor: Die Baufirma Hochtief wollte einen Entwurf des bekannten Hamburger Architekten Volkwin Marg umsetzen, der die Gebäude sanieren und ihnen ihre urspüngliche helle Fassade zurückgeben wollte. Mit knapp 32 Millionen Euro bot dieses Konsortium für das Grundstück auch nicht viel weniger als die Firma Aug. Prien.

Die Kultursenatorin soll große Sympathie für diese Lösung gezeigt haben – zumal sie ein anderes Problem gelöst hätte: Bei einem Abriss des Denkmals City-Höfe wäre der Weltkulturerbe-Titel des benachbarten Kontorhausviertels samt Chilehaus in Gefahr, bei einem Erhalt nicht. Ihr warnender Hinweis auf Dresden, dem die Unesco den Welterbetitel wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke aberkannt hatte, drang jedoch nicht durch: Marg und Hochtief wurden in der finalen Runde wegen Formfehlern aus dem Verfahren ausgeschlossen, und Aug. Prien bekam den Zuschlag.

Die Umstände sind umstritten. Die Finanzbehörde wirft Hochtief und Marg vor, dass sie die für alle Bieter geltenden Regeln ändern wollten. Dabei ging es etwa um die Kosten für Kampfmittelräumung und das Rücktrittsrecht der Stadt von dem Geschäft. „Das Konsortium wusste, dass sein Angebot nicht annahmefähig war“, sagte Behördensprecher Daniel Stricker. „Bei der Übergabe wurde sogar der Bote erneut darauf hingewiesen: Wenn Sie dieses Angebot jetzt so einreichen, hat das den Ausschluss aus dem Verfahren zur Folge. Er hat es trotzdem abgegeben.“

Der Grund für den bestehenden Denkmalschutz

Volkwin Marg hatte hingegen bei einer Expertenanhörung der Bürgerschaft dem Senat Anfang März vorgeworfen, in letzter Minute die Bedingungen geändert zu haben. Unter anderem hätten vier Millionen Euro für einen Grundstücksdeal hinterlegt werden müssen, von dem die Stadt jederzeit zurücktreten könne. „Darüber wollte man sprechen, und das wurde abgelehnt“, so Marg. Wegen der in einem achtseitigen Begleitschreiben formulierten Bedenken sei er disqualifiziert worden. „Entscheidend ist, dass mit der formalrechtlichen Begründung die eigentliche Auseinandersetzung in der Sache, eben die Auseinandersetzung mit dem Denkmalschutz, ausgeschaltet wird“, so Margs Vorwurf.

Die City-Höfe stehen unter Schutz, weil sie, ähnlich wie die Grindelhochhäuser, als Nachkriegsbauten eine Art Aufbruch in die Moderne verkörpern. Ihre einst helle Fassade galt auch als bewusster Bruch mit der Backsteinarchitektur des Kontorhausviertels aus den 20er- und 30er-Jahren. Obwohl die vier Gebäudescheiben und die im Sockelgeschoss versteckte Passage schon lange in einem jämmerlichen Zustand sind, kämpfen die Denkmalschützer daher für ihren Erhalt – mit Unterstützung der Kultursenatorin.

Abriss ist noch nicht in trockenen Tüchern

Finanzsenator
Peter Tschentscher
Finanzsenator Peter Tschentscher © HA | Marcelo Hernandez

Um den Konflikt mit Finanz- und Stadtentwicklungsbehörde zu kaschieren, war die Kulturbehörde zur entscheidenden Sitzung im Stadtentwicklungsausschuss am 22. März gar nicht erst eingeladen. Dennoch sah die Planung der Senatskanzlei vor, dass Kisseler im Parlament zum Thema sprechen sollte – was diese jedoch ablehnte. Sogar Bürgermeister Scholz wurde eingeschaltet und entschied letztlich, dass Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeldt die Senatslinie vertreten solle – denn sie steht hinter den Neubauplänen.

Völlig ausgeräumt ist der Konflikt damit aber noch nicht. Denn mit der Entscheidung der Bürgerschaft ist nur der Verkauf des Grundstücks an Aug. Prien besiegelt. Den Abriss der City-Höfe muss die Firma erst noch beim Bezirk Mitte beantragen, und dann wird auch die Kulturbehörde befragt. Deren Haltung beschriebt Sprecher Enno Isermann so: „Wie in der Ausschreibung gefordert, gilt dabei weiter, dass ein Neubau städtebaulich hochwertig und denkmalpflegerisch mit Blick auf das benachbarte Weltkulturerbe genehmigungsfähig sein muss.“