Hamburg . Unesco-Berater kritisiert fehlende Informationen über Investoren-Wettbewerb. Abrisspläne könnten Thema im Welterbe-Kommittee werden.
Knapp einen Monat vor der ultimativen Entscheidung in der Hamburgischen Bürgerschaft gibt es doch noch ordentlich Gegenwind für den geplanten Abriss der City-Hochhäuser. Bei einer Sachverständigen-Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss zum Gebotsverfahren "Quartier am Klosterwall" am Dienstagabend gab es Bedenken wegen der Nähe des City-Hofs zum Kontorhausviertel mit dem Chile-Haus, das seit Sommer 2015 in der Weltererbe-Liste der Unesco geführt wird.
„Nicht einmal ein Jahr nach der Aufnahme in die Welterbe-Liste macht Hamburg nun Schlagzeilen mit dem geplanten Abriss eines Denkmals in der Pufferzone“, sagte der Sachverständige Berthold Burckhardt vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (kurz: Icomos). "Das ist befremdlich." Burckhardt, der für die Unesco-Kommission als Berater und Gutachter tätig ist, beklagte, dass die Organisation bei der Ausschreibung des Investoren-Wettbewerbs nicht eingebunden worden sei. Auch im Ausland seien Experten alarmiert.
Unesco-Kommitee tagt im Sommer
Zwar hatte der Senat offenbar während des Nominierungsverfahrens über die möglichen Veränderungen in dem Areal informiert. Damit sei zwar die Transparenz gewahrt worden, hieß es aus Unesco-Kreisen. Allerdings werde der Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes in unmittelbarer Nähe zu einem Weltkulturerbe als schlechtes Zeichen für den Titel gewertet.
Möglicherweise wird das Thema auch auf der nächsten Sitzung des Welterbe-Kommitees im Sommer im Istanbul diskutiert. Dieses Gremium, in dem 21 Staaten vertreten sind, berät über das Monitoring bestehender Titel, entscheidet über Neuaufnahmen in die Welterbe-Liste – und auch über den sehr seltenen Fall der Aberkennung.
Dresden wurde Welterbe-Status aberkannt
Dass sich bauliche Veränderungen negativ auf die Ausweisung als Unesco-Welterbe auswirken kann, hat der Streit um den Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden gezeigt. Die Kommission hatte der sächsischen Landeshauptstadt den Titel 2009 abgekannt – europaweit ein einzigartiger Vorgang. Die Brücke wurde 2013 eingeweiht.
In Hamburg gehen die Meinungen über die Zukunft der vier denkmalgeschützen Hochhäuser aus den 50er-Jahren auseinander. Der Senat hatte einen Investoren-Wettbewerb ausgelobt. Den Zuschlag hatte im November 2015 das Hamburger Bauunternehmen Aug. Prien bekommen, dass das Areal für 35,2 Millionen Euro erwerben und die Gebäude abreißen will. Es soll ein Komplex mit Hotel, Wohnungen, Büros und Geschäften entstehen. Das in dem Wettbewerb eigentlich erstplazierte Angebot, das eine Sanierung der Gebäude vorsieht, war kurz vor Ende des Wettbewerbs aus formalen Gründen ausgeschlossen worden.
Architekt Marg kämpft weiter gegen Abriss
Hinter diesem Konzept steht der Hamburger Architekt Volkwin Marg, einer der schärfsten Kritiker des Abrisses. Er warf dem Senat erneut vor, dass der geplante Verkauf im Widerspruch zum Denkmalschutzgesetz stehe. Zudem sei die Sanierung wirtschaftlich zumutbar. Sein Entwurf sieht in den Hochhäusern unter anderem 310 Wohnungen und ein Hotel vor. Geboten hatten die Projektentwickler nach eigenen Angaben einen Kaufpreis von 32 Millionen Euro.
Aber es gab auch Sachverständige, die für den Abriss plädierten. Der Kunsthistoriker Hermann Hipp von der Universität Hamburg nannte die City-Hochhäuser etwa einen „städtebaulichen Störfaktor“.
FDP befürchtet irreversiblen Schaden
Kritik kommt von der FDP, die den geplanten Abriss einen "eklatanten Fehler" nennt. Der stadtentwicklungspolitische Sprecher, Jens P. Meyer, sagte: "Ein politisch motivierter Abriss des Denkmals Cityhof in unmittelbarer Nachbarschaft zum Weltkulturerbe fügt der Kulturstadt Hamburg einen irreversiblen Schaden zu: der Verbleib des Kontorhausviertels auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes wäre gefährdet. Das Denkmalschutzgesetz durch undurchsichtige Tricks im Vergabeverfahren ad absurdum geführt."
Olaf Duge, Stadtentwicklungsexperte der Grünen-Fraktion, betonte die besondere Bedeutung der City-Hochhäuser für das "Gesicht der Hamburger City". Jetzt müssten die unterschiedlichen Standpunkte ausgewertet werden. Auch die Unesco solle wie geplant eingebunden werden, betonte Duge.
Ähnlich bewertete Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, das Ergebnis der Anhörung. Er sagte aber auch: "Gleichzeitig wurde deutlich, dass der bestehende Gebäudekomplex über erhebliche bauliche und funktionale Mängel verfügt. Ebenso klar wurde, dass das am Rande der City gelegene Gebäude über Jahrzehnte von keinem Experten als architekturhistorisch bedeutend eingestuft wurde. Das durchgeführte Vergabeverfahren hat sowohl den Erhalt als auch die Neuordnung des Bereiches berücksichtigt."
Experten wollen neuen Investoren-Wettbewerb
In der Ausschusssitzung, bei der auch Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) und Oberbaudirektor Jörn Walter anwesend waren, plädierten die Experten für einen neuen Investoren-Wettbewerb. Wie es weitergeht, hängt von der Abstimmung in der Bürgerschaft ab. Sollten die Abgeordneten dem Verkauf an A. Prien zustimmen, könnte dieser schnell abgewickelt werden, heißt es. Der Abriss könnte dann 2018 erfolgen. Bis dahin soll der heutige Mieter, das Bezirksamt Hamburg-Mitte, in das ehemalige Gebäude des Springer-Verlags an der Caffamacherreihe umgezogen sein.