Hamburg. Lampedusa-Zelt steht seit Mai 2013 als Dauermahnwache auf dem Steindamm. Politiker und der Quartiersmanager fordern Ende der Aktion.
Ein nasskalter Vormittag im Januar. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Auf dem Steindamm unweit vom Hauptbahnhof herrscht die übliche Betriebsamkeit. Zwischen Passanten, die in Eile sind, stehen Prostituierte und warten auf Kundschaft.
Wenige Meter weiter an der Straßenecke steht ein großes weißes Zelt. Es wirkt ein wenig wie ein Fremdkörper. Es ist mit Spruchbändern bespannt, die für Toleranz werben. Daneben stehen Mülleimer und eine Umzugskiste. Im Inneren hat es sich eine offensichtlich angetrunkene oder unter anderen Rauschmittel stehende Dame auf einem Stuhl bequem gemacht, neben ihr steht eine Bierflasche.
Auf einem Tisch liegen Postkarten aus. Auf einer sind schlafende Menschen in dem Zelt zu sehen, und es wird „um Solidarität mit allen Flüchtlingen weltweit“ geworben – so jedenfalls die Übersetzung aus dem Englischen. Die angetrunkene Dame fängt an zu pöbeln und wird von zwei Männern, die offensichtlich zur Lampedusa-Gruppe gehören, verscheucht. Warum steht dieses Zelt hier? Einer der Männer antwortet auf Englisch, kurz und knapp: „Wir demonstrieren.“
Das weiße Zelt steht am Steindamm seit Mai 2013. Damals hatte eine Unterstützergruppe der Lampedusa-Gruppe das „Informationszelt“ bei den Versammlungsbehörden als „Dauermahnwache“ angemeldet.
Die Lampedusa-Flüchtlinge hatten im Frühjahr 2013 für Schlagzeilen gesorgt. Damals wurden die Afrikaner aus Italien gegen geltendes Recht nach Hamburg geschickt. Ein Teil der Flüchtlinge kam temporär in der St.- Pauli-Kirche unter und erfuhr viel Sympathie. Etwa 70 Lampedusa-Flüchtlinge wurden vom Hamburger Einwohnerzentralamt erfasst und hatten einen Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gestellt. Ein einziger Antragssteller wurde bisher anerkannt und erhielt ein dauerhaftes Bleiberecht. 19 wurden abgelehnt, über weitere 46 ist bis heute nicht entschieden. Für einige dieser Lampedusa-Flüchtlinge ist das weiße Zelt wohl weiterhin ein Treffpunkt.
Aber wie lange darf eine „Dauermahnwache“ gehen? Fast drei Jahre sind eine lange Zeit, und die Politik und Quartiersmanager Wolfgang Schüler sehen mittlerweile Handlungsbedarf. „Von diesem Zelt gehen so gut wie keine sichtbaren Aktivitäten mehr aus. Zudem sind die Menschen, die hier am Steindamm ihre Geschäfte betreiben, inzwischen auch genervt von dieser Dauermahnwache.“ Schüler fordert von der Stadt, dafür Sorge zu tragen, dass das Zelt zeitnah abgebaut wird, schließlich stehe es mitten im öffentlichen Raum.
„Ich bin ja mal gespannt, was passiert, wenn die nächste Gruppe ihr Zelt mitten auf dem Hansaplatz aufschlägt“, sagt der Quartiersmanager. „Ob die Stadt dann weiterhin so entspannt die gesamte Situation beobachtet?“
Noch deutlicher wird Gunter Böttcher, CDU-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte: „Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht und zu achten, es darf aber nicht ausgenutzt werden und kann nicht zur Bildung von rechtsfreien Räumen dienen.“ Die Versammlungserlaubnis müsse daher entzogen und das Zelt entfernt werden, so Böttcher weiter. Die CDU hatte im Dezember vergangenen Jahres einen Antrag in die Bezirksversammlung eingebracht, der auch mit den Stimmen von Grünen und SPD beschlossen wurde. Darin wurde der Bezirksamtsleiter – damals noch Andy Grote (SPD) – aufgefordert, sich gegenüber der Innenbehörde dafür einzusetzen, dass geprüft wird, „ob das Informationszelt der Unterstützergruppe der ,Gruppe Lampedusa’ auf dem Steindamm tatsächlich die Anforderungen an eine Versammlung, die unter den Schutz des Grundgesetzes fällt, erfüllt“. Eine Stellungnahme zu diesem Antrag haben die Politiker laut Gunter Böttcher bislang nicht bekommen.
Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte die Aufstellung damals genehmigt
Doch auch die SPD im Bezirk ist von der Einrichtung auf jeden Fall nicht begeistert: „Es muss die Frage erlaubt sein, welchen Sinn eine solche Dauermahnwache noch macht und welche Ziele diese verfolgt“, sagt Vize-Fraktionschef Arik Willner. Die Polizei habe die Mahnwache genehmigt – nun sei es aber durchaus legitim zu hinterfragen, inwiefern das Zelt noch eine Daseinsberechtigung hat.
Auch Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg beschäftigt das Thema: „Versammlungsrecht ist einer der wichtigsten Grundsätze unserer Demokratie. Die Situation der Lampedusa-Gruppe war bei der Errichtung des Zelts ungeklärt, jetzt hat der größte Teil das Angebot des Senats angenommen und befindet sich mittlerweile im regulären Asylverfahren.“ Das Zelt scheine deshalb seine Bedeutung verloren zu haben. Das zu beurteilen sei allerdings Aufgabe der Polizei und der Innenbehörde, so Osterburg weiter.
Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte die Aufstellung des Zelts damals genehmigt. „Rechtlich wird die Mahnwache als eine Dauerversammlung gewertet“, heißt es heute von einem Sprecher. Und diese Genehmigung nach Versammlungsrecht gilt auf unbestimmte Zeit. Die Polizei prüfe täglich, ob das Zelt noch als politische Meinungsäußerung genutzt werde. Das sei bislang der Fall, so der Sprecher weiter. Was das bedeutet? „Die Öffentlichkeit muss jederzeit die Möglichkeit haben, einen Ansprechpartner anzutreffen, um den Inhalt der Dauermahnwache in Erfahrung zu bringen“, sagte der Polizeisprecher. Doch das letzte Wort ist am Steindamm noch nicht gesprochen.