Hamburg. Hamburg will Asylbewerber mit deutschen Regeln und Gesetzen vertraut machen. Ein „umfangreiches Ankunftspaket“ ist angedacht.
Flüchtlinge sollen künftig von Beginn ihres Aufenthalts an mit den hier geltenden Regeln, Werten und Gesetzen vertraut gemacht werden. In der Bürgerschaft gibt es ein großes Einvernehmen über dieses Vorhaben. Nachdem die CDU bereits Ende vergangenen Jahres einen entsprechenden Antrag formuliert hat, ziehen FDP und nun auch die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen nach. Am 10. Februar wird das Landesparlament über die Maßnahme debattieren.
Wie berichtet hatte CDU-Vizefraktionschefin Karin Prien zuerst gefordert, dass alle Flüchtlinge unabhängig von ihrer Bleibeperspektive nach ihrer Ankunft in der Hansestadt grundlegende Informationen über die hier geltenden Grundwerte und Rechtsnormen erhalten und sich auch verpflichten sollten, diese einzuhalten. Sie erwarte von jedem Schutzsuchenden ein Bekenntnis zur hier geltenden Rechts- und Werteordnung. Per Unterschrift, so Priens Vorschlag, solle er dies kenntlich machen.
Verstöße gegen die Werteordnung des Grundgesetzes seien nicht hinnehmbar
Nun haben auch SPD und Grüne einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht. Es gehe darum, „Klarheit zu gewinnen über die eigenen Rechte und Pflichten, über das hier geltende Werte- und Rechtssystem sowie über die Funktionsweise der verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen und Behörden“, heißt es im Antrag. Nur wer seine Rechte und Pflichten kenne und akzeptiere, könne Rechte geltend machen und Pflichten nachkommen. Zu wenig Informationen über das Leben in Deutschland und Hamburg und fehlende Aufklärung über Recht und Werte könnten gegenseitiges Misstrauen verursachen und den Integrationsprozess verlangsamen oder womöglich verhindern. Verstöße gegen „die Werteordnung unseres Grundgesetzes“ bezeichnen die rot-grünen Antragssteller als „nicht hinnehmbar“.
Ähnliches fordert auch die FDP-Fraktion. Demnach sei es versäumt worden, Sozialisierungs- und Orientierungshilfen zu vermitteln. Das müsse nun aufgearbeitet werden. Und zwar mit einem Konzept zur Vermittlung der Werte „unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung“, wie es in dem FDP-Antrag heißt.
Tatsächlich werden den Flüchtlingen bisher erst dann Werte vermittelt, wenn sie bereits einen Aufenthaltsstatus bekommen haben. Das ist Teil der Integrationskurse. Flüchtlinge in den Erstunterkünften dagegen erhalten derartige Informationen derzeit nicht, weil diese als Teil der Integrationsmaßnahmen verstanden werden, die Flüchtlingen ohne Aufenthaltsstatus nicht zusteht. Doch die Ereignisse in der Silvesternacht, in der mutmaßlich auch Flüchtlinge sexuelle Übergriffe auf Frauen begangen haben sollen, haben Behörden und Politik umdenken lassen.
Derzeit ist laut Innenbehörde ein „umfangreiches Ankunftspaket“ angedacht, das neben den Verhaltensweisen auch allgemeine Informationen zum Asylrecht sowie zur Unterbringung enthält. Nur Letzteres erhalten Flüchtlinge in der Erstunterkunft schon heute – etwa Informationen über die Unterkunft selbst sowie Haltestellen und Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung.
Konkret fordert Rot-Grün ein fertiges Konzept spätestens zur Fertigstellung der neuen zentralen Registrierungsstelle in Rahlstedt, die die bisherige Einrichtung an der Harburger Poststraße vermutlich im Frühjahr ablösen wird. Die Informationen sollen dann auf Arabisch, Farsi, Französisch und Englisch in Broschüren dargestellt werden. Außerdem schlagen die Politiker von SPD und Grünen vor, Rechtsbildungskurse für Flüchtlinge einzurichten, in denen etwa Richter, Staatsanwälte oder Rechtspfleger Unterricht geben. Bayern hat ein entsprechendes Projekt bereits gestartet.
Der Innenausschuss soll die Werte und Normen im Detail formulieren
„Begleitend zum Aufenthalt in der Erstaufnahme setzen wir auf eine umfassende und obligatorische Werte- und Normenvermittlung – in Papierform, online, über Gespräche, Beratungen und im Unterricht“, sagt Kazim Abaci, flüchtlingspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Das ist allemal nachhaltiger, als den Flüchtlingen bei Ankunft lediglich ein Info-Heft zum Quittieren hinzulegen wie es zum Beispiel die CDU vorschlägt.“
Flüchtlingsexpertin Antje Möller (Grüne) sagt: „Das Ankommen in dieser Gesellschaft ist ein schwieriger Prozess. Damit er gelingt, brauchen die Geflüchteten von Beginn an unsere Unterstützung. Sie benötigen ein Grundwissen, wie unsere Gesellschaft funktioniert.“ Deshalb wolle die Koalition künftig bereits in der Erstaufnahme mit den Männern und Frauen über den sozialen Umgang miteinander, die Prinzipien des Grundgesetzes und über die Rechte und Pflichten für alle informieren.
Dem Vernehmen nach werden die drei Anträge von Rot-Grün, CDU sowie FDP in den Innenausschuss überwiesen. Dieses Gremium soll dann im Einzelnen festlegen, welche Werte und Normen festgeschrieben werden.