Im Herbst gründete Simone Herrmann den Verein. Noch immer gehört die Kleiderkammer zur größten Anlaufstelle Hamburgs.

Der Blick von oben in die Halle B7 auf dem Hamburger Messegelände lässt auf eine Art Versandhandel schließen, der dort sein Zentrallager betreibt. Über und über ist sie mit Kartons belegt. Ordentlich aufgereiht und gestapelt auf Paletten bedecken sie die kompletten 9000 Quadratmeter. Etwa 3000 Paletten lagern mittlerweile hier, schätzt Simone Herrmann.

Die 36-Jährige ist Vorsitzende des im Herbst gegründeten Vereins Hanseatic Help, der dieser Kleiderkammer in den Messehallen nun so etwas wie einen organisatorischen Rahmen gegeben hat. Noch immer ist hier die wohl größte Anlaufstelle für Hamburger, die Bekleidung, Bettzeug, aber auch Hygieneartikel wie Shampoo, Seife und Zahnpasta für Flüchtlinge spenden wollen. Hier werden die Spenden sortiert, verpackt und zu etlichen Flüchtlingsunterkünften in der Stadt gefahren. Täglich verlassen im Schnitt 15 Lkw-Ladungen die Messehallen, pro Woche werden etwa 50.000 sortierte Artikel ausgeliefert, inzwischen auch an Obdachlosen-Einrichtungen und Frauenhäuser. Bestellt wird in der Regel per E-Mail, im Lager sorgt ein eigens entwickeltes EDV-Wirtschaftswarensystem für den Überblick: Längst ist hier der Organisationsgrad eines mittelständischen Unternehmens erreicht – aber die Kleiderkammer ist immer noch eine Institution, die ausschließlich aus ehrenamtlicher Arbeit besteht.

Manche Mithelfer kommen regelmäßig, viele aber auch spontan. Einige nutzen wie Simone Herrmann eine berufliche Auszeit, andere packen nach Feierabend oder am Wochenende mit an. 20.000 Mitglieder zählt die Facebook-Gruppe, die so etwas wie die zen­tra­le Informationsdrehscheibe der Kleiderkammer ist. Zwar muss die demnächst die Messehalle verlassen, doch es gibt inzwischen Angebote für andere Hallen in der Stadt. „Wir machen auf jeden Fall weiter“, sagt Herrmann. Angefangen hatte alles erst vor einigen Monaten. Simone Herrmann fragte beim städtischen Unternehmen Fördern & Wohnen an, ob sie helfen könne. Das betreibt viele Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt und musste angesichts der immer weiter steigenden Zahlen sogar eine Messehalle vorübergehend mieten. Herrmann half dort gemeinsam mit wenigen Mitstreitern, die ersten wenigen gespendeten Kleidungsstücke zu sortieren. In einer kleinen Ecke der Halle hatten sie dazu zwei windschiefe Regale aufgestellt.

Dann kam im Juli die Abendblatt-Spendenaktion, bei der Leser gut 60 Tonnen Bekleidung und auch Kinderwagen, Spielzeug und vieles andere spendeten. Zwei Lkw rollten auch zum Messegelände. „Wir haben anfangs nur gedacht: Ach du Schreck, wie schaffen wir diese Mengen?“, erinnert sich Herrmann. Über soziale Netzwerke und Medienberichte rief man zu Mithilfe auf. Die Resonanz war enorm. In Spitzenzeiten sortieren 1200 Menschen in der Halle. Aus dem Nichts heraus organisierten die Ehrenamtlichen Hamburgs größte Kleiderkammer.

Kleidung muss nicht nur passen, sie muss auch „typgerecht“ sein

Anfangs halfen auch Flüchtlinge mit. Doch das erwies sich manchmal als schwierig. Es gab Missverständnisse und Gerüchte unter Flüchtlingen, wonach Helfer bevorzugt würden. „Außerdem ist das Sortieren und Beschriften schwierig, wenn man die Sprache nicht beherrscht“, sagt Herrmann. Heute helfen Flüchtlinge daher nur bei der Ausgabe mit, meist als Dolmetscher. „Eine wichtige Aufgabe“, wie die Vereinsvorsitzende sagt. Passende Kleidung habe eben nicht nur etwas mit der richtigen Größe zu tun, man müsse auch herausfinden, was „typgerecht“ ist. Sneakers tragen Jugendliche gern, bei älteren wirken sie vielleicht komisch. „Das hat etwas mit Würde zu tun“, sagt Simone Herrmann, „das ist uns sehr wichtig.“ Die Kleiderkammer in der Messehalle – sie ist eben mehr als nur ein technisch ausgeklügeltes Spenden-Verteil-Zentrum.

Tel. 040/81 29 99;
E-Mail: kleiderkammer.messehallen.hh@gmail.com

Hier geht es zu den weiteren Preisträgern:

Runder Tisch Blankenese

Ohlstedt hilft

Die Insel hilft

Sprachbrüche-Hamburg