Hamburg. Projektentwickler will das gigantische Gebäude im Quartier Elbbrücken realisieren. Oberbaudirektor ist skeptisch.
Der Fernsehturm ist mit 279,2 Metern das mit Abstand höchste Bauwerk der Stadt, es folgen mehrere Kirchen, das Rathaus, die Elbphilharmonie mit rund 110 Metern und das Radisson Blu Hotel am Bahnhof Dammtor mit 108 Metern Höhe. Doch nun soll an den Elbbrücken ein Hochhaus der Superlative all diese Gebäude überragen: 290 Meter soll das „Elbsegel“ hoch sein, das der Hamburger Unternehmer Frank Jendrusch gemeinsam mit finanzkräftigen Investoren realisieren will. „Mit diesem Bauwerk soll am Eingangstor nach Hamburg ein Hochhaus der neuesten Generation entstehen. Das Elbsegel soll durch seine einzigartige Architektur bestechen, energetisch völlig neue Maßstäbe setzen und eine Visitenkarte für die Stadt sein“, sagte Frank Jendrusch dem Abendblatt.
Auf 69 Etagen sollen unter anderem Wohnungen, Teilflächen für eine Universität mit angeschlossenem Wohncampus und ein Hotel entstehen: „Das Gebäude wird mit einer Doppelglasfassade geplant, so können wir wintergartenartige Terrassen mit hängenden Gärten anlegen“, sagt Jendrusch.
In der Energieversorgung sollen die Bewohner völlig autark sein: „Ein Aufwindkraftwerk wird die Versorgung mit Strom sichern. Außerdem werden wir Erdwärme nutzen, um das Gebäude zu beheizen.“ Eine weitere Energiequelle sei die komplette Ausstattung der Glasfassade mit photovoltaikaktiven, transparenten Beschichtungen, so Jendrusch weiter. In dem Gebäude soll laut Jendrusch gemeinsam mit dem Hersteller ThyssenKrupp „ein völlig neues Fahrstuhlsystem, auf Basis der Magnetschwebetechnik, gebaut werden.“
Als Standort hat der Investor das geplante neue Quartier Elbbrücken gewählt. Das soll neben dem Überseequartier das zweite urbane Zentrum der HafenCity werden. Wenn es nach den Plänen der städtischen HafenCity Hamburg GmbH geht, sollen hier drei markante Hochhäuser mit bis zu 40 Stockwerken gebaut werden. Allerdings war bislang immer von einer Höhe von bis zu 150 Metern die Rede.
Aktuell läuft für das Quartier Elbbrücken ein städtebaulicher Wettbewerb, der diese drei Hochhäuser allerdings nicht mit einschließt. Die Ergebnisse sollen Anfang Oktober vorliegen: „Wir haben dann ein Ergebnis, wie die Struktur des neuen Quartiers aussehen soll“, sagte HafenCity Hamburg GmbH-Sprecherin Susanne Bühler. Eine Auslobung für die Grundstücke wird nicht vor 2018 starten. Den Entwurf des 290-Meter-Turms, der dem Abendblatt exklusiv vorliegt, kennt Bühler nicht: „Für diesen Standort hat es in den letzten 10 Jahren, als er noch ,Chicago Square’ hieß, schon viele Ideen für Hochhäuser gegeben.“
Schon jetzt steht fest, dass das „Elbsegel“ auch von den Kosten her alle bisherigen Bauwerke in den Schatten stellen würde: „Es wäre nicht seriös, zu diesem Zeitpunkt schon einen genaue Investitionshöhe zu nennen“, sagte Unternehmer Jendrusch. Dem Vernehmen nach müssten wohl um die 750 Millionen Euro angelegt werden. Aber wie will der Mann, der die Immobiliendienstleister Jendrusch&Partner und Jendrusch Capital führt, dieses Projekt realisieren? „Ich habe mehrere Investoren, die großes Interesse haben, weil sie um die Einzigartigkeit dieses Bauvorhabens wissen.“
Mit seinem spektakulären 290-Meter-Hochhaus sorgt Jendrusch für Diskussionen. Dieter Becken, einer der bekanntesten Hamburger Investoren und Projektentwickler, ist angetan: „Die Elbbrücken wären für ein Hochhaus dieser Dimension ideal, denn an diesem Standort wird das übrige Stadtbild durch ein 290 Meter hohes Gebäude nicht beeinträchtigt.“ Ein solches Projekt wäre ein Gewinn für Hamburg und würde sicherlich auch international für Anerkennung und Gesprächsstoff sorgen. Der Immobilienexperte sagt: „New York oder auch Frankfurt sind ein gutes Beispiel dafür, dass Hochhäuser das Stadtbild bereichern.“
Doch Oberbaudirektor Jörn Walter ist nicht begeistert und sagt: „Dickbäuchiges und Maßstabloses kommt daher, wo sich das Auge nach Schlankheit und Eleganz sehnt.“ Auch SPD-Stadtentwicklungsexperte Dirk Kienscherf signalisiert keine Zustimmung: „Soll das ein Witz sein? Da ist der Maßstab wohl verloren gegangen. Gern mal groß beziehungsweise hoch, aber Gigantismus nein.“ Die Maßstäblichkeit müsse immer gewahrt bleiben. Und so ein Gebäude müsse sich in die Stadt einpassen und nicht umgekehrt.