Neue Erkenntnisse im Fall des misshandelten und getöteten Kindes. Untersuchungsausschuss verwundert über Schweigen der Sozialarbeiter.
Hamburg. Der Andrang war enorm im Großen Festsaal des Rathauses, obwohl die Gäste wussten, dass sie den Raum bereits nach wenigen Minuten wieder verlassen mussten. Denn alle als Zeugen geladenen Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) durften in der Sitzung des Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zum gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur („Yaya“) am Donnerstagabend nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden.
Dennoch kamen rund 80 Jugendamtsmitarbeiter, um ihre Kolleginnen zu unterstützen. „Wir wollen nicht, dass sie an den Pranger gestellt werden“, so eine Sozialarbeiterin. Die ASD-Mitarbeiter überreichten dem PUA-Vorsitzenden André Trepoll (CDU) einen vier Seiten langen Brief, in dem sie ihre Probleme, Forderungen und ihren Arbeitsalltag schildern.
Gut drei Stunden befragten die PUA-Mitglieder die Jugendamtsmitarbeiterinnen, die anschließend schützend umringt von Kollegen das Rathaus verließen. Überrascht war im PUA niemand, dass die vier ASD-Beschäftigten aus Eimsbüttel und Mitte von ihrem Zeugenverweigerungsrecht Gebrauch machten. Dass jedoch auch die ASD-Mitarbeiterin aus Bergedorf, gegen die die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt, auf Weisung der Bezirksamtsleitung nur in nicht-öffentlicher Sitzung aussagen durfte, irritierte einige Abgeordneten bereits im Vorfeld.
„Für die Zukunft erwarte ich, dass bei der Erteilung der Aussagegenehmigungen durch den Senat neben dem Sozialdatenschutz auch dem großen öffentlichen Aufklärungsinteresse an dem Fall Yagmur Rechnung getragen wird“, sagte der PUA-Vorsitzende. Diese Ansicht teilt auch der Obmann der FDP im PUA, Finn-Ole Ritter: „Für die Aussagen der ASD- und Jugendamtsleitungen im Juni darf Schweigen keine Option sein.“
Öffentlich befragt wurde lediglich die Kinderärztin Brigitte von Bosse, bei der Yaya bis Ende 2012 in Behandlung war. Nach 40 Minuten Vernehmung wollte sich die sichtlich nervöse Ärztin zunächst jedoch nicht mehr äußern. „Ich habe das mulmige Gefühl, dass ich auf der Anklagebank sitze“, sagte sie. Von Bosse hatte zuvor angegeben, dass sie bei Yaya im Juni 2011 multiple Hämatome an Armen und Bauch festgestellt habe. Bisher ging das aus keiner Akte hervor, wie die Mitglieder des Untersuchungsausschuss feststellten.
„Ich habe daraus geschlossen, dass das Kind hart angefasst worden war und eine Misshandlung vorliegt.“ Deshalb habe sie der Pflegemutter geraten, beim Jugendamt vorstellig zu werden, um die blauen Flecken zu dokumentieren. Selbst habe sie keinen Kontakt zum Jugendamt aufgenommen. „Ich hatte keinen Anlass, der besorgten Pflegemutter zu misstrauen, die die leiblichen Eltern in Verdacht hatte“, sagte von Bosse. „Nach meiner Auffassung war Yagmur bei der Pflegemutter in Sicherheit.“
Yaya starb am 18.Dezember an den Folgen eines Leberrisses. Die Staatsanwaltschaft hat Mordanklage gegen die Mutter erhoben, dem Vater wird Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen vorgeworfen. Vom 11. Juni an müssen sich die Eltern vorm Landgericht verantworten. Vorerst sind 22 Verhandlungstage anberaumt.