Trotz des Beweises, dass die Hammaburg auf dem Domplatz stand, fehlt dort jeder Hinweis. Geplant ist – nichts. „Man sollte mehr tun, um die historische Relevanz dieses Ortes zu vermitteln.“

Hamburg. Zwei Sätze der Inschrift der bronzefarbenen Steele auf dem Domplatz am Speersort würde Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg, sofort unterschreiben. „Der Domplatz ist der historisch bedeutendste Ort Hamburgs, (...). Hier liegt die Keimzelle der Hansestadt.“ Aber schon der folgende Satz mutet angesichts der jüngsten bahnbrechenden Erkenntnisse der Wissenschaft im höchsten Maße inaktuell an: „Hier vermutet man den Standort der Hammaburg, die der Stadt im 9.Jahrhundert ihren Namen gab.“ Falsch: Heute weiß man, dass die Hammaburg hier tatsächlich stand – und sogar viel früher als bislang vermutet.

Weiss und sein Team haben den wissenschaftlichen Beweis geliefert, dass sich die Hammaburg tatsächlich auf dem Domplatz befunden haben muss. Die Archäologen haben alle Funde aus der Grabung der Jahre 2005/2006 ausgewertet. Ging man bislang davon aus, dass die Hammaburg um 815 errichtet wurde, datieren die Wissenschaftler den Bau nun bereits auf das 8.Jahrhundert. Ende Januar haben die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit bekannt gegeben, dennoch gibt es am Domplatz bislang keinen Hinweis darauf – und geplant ist vorerst auch nichts.

„Man sollte mehr tun, um die historische Relevanz dieses Ortes zu vermitteln“, sagt Weiss. „Hier ist es nun. Zum ersten Mal kann man es in Bronze gießen und in Stein meißeln, dass hier die Hammaburg stand.“ Weiss wünscht sich, dass die Stadt Hamburg Informationen zum aktuellen Stand der Dinge bereitstellt. So könnte die Kulturbehörde etwa einen Ideenwettbewerb starten. Dafür wäre noch ausreichend Zeit. Am 30.Oktober eröffnet Weiss im Helmsmuseum in Harburg eine Ausstellung zu den Grabungen am Domplatz und dem Nachweis der Hammaburg. „Dann sollte man aber auch vor Ort etwas sehen können“, sagt Weiss. „Eine Nichtinformation oder überholte Informationen wären ungünstig.“

Genau das aber wird der Fall sein. „Vor Ort wird in den nächsten Monaten nichts passieren“, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Die Erkenntisse, welche die Hamburger Archäologen zusammengetragen haben und die von einer Gruppe internationaler Wissenschaftler bestätigt worden sind, sollen nach Ansicht der Behörde erneut von der Fachwelt besprochen werden. „Wir wollen die Ausstellung des Helmsmuseums abwarten“, so Isermann weiter. Wer sich für das Thema interessiere, werde am Domplatz „schon jetzt fündig“. Die „skulpturelle Gestaltung des Platzes stellt die Geschichte des Platzes“ dar. Gemeint sind die weißen Sitzelemente, welche den Grundriss des einstigen Mariendoms markieren – aber eben nicht die Hammaburg. Aus Sicht der Kulturbehörde ist das ausreichend. „Früher war dort ja nur ein Parkplatz“, so Isermann.

Dietrich Wersich, Fraktionschef der CDU, ärgern solche Aussagen. „Manchmal wundere ich mich über den Kleingeist der Regierenden“, sagt er. „Hamburg sollte solch einen spannenden und für die Stadt bedeutenden Ort nicht verstecken. Es ist doch eine großartige Leistung, was unsere Forscher herausgefunden haben.“ Es gebe nun die große Chance, das auch angemessen an dem historischen Ursprung zu präsentieren. „Deshalb setzen wir uns dafür ein, sowohl am Domplatz als auch am sogenannten Bischofsturm die Hamburger und unsere Besucher aus aller Welt über unser historisches Zentrum zu informieren.“

Christa Goetsch, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, schlägt vor, sogenannte Audio-Guides anzubieten. Besucher könnten mit einem „Knopf im Ohr“ historische Stadtrundgänge machen. München habe mit den „Memory Loops“, einem ähnlichen Projekt, eine gute Vorlage geliefert. Für Goetsch wäre das ein Angebot, mit dem gerade junge Leute erreicht werden könnten. Es brauche ein Angebot gerade für Touristen und interessierte Hamburger. Auch der finanzielle Aufwand könnte überschaubar gehalten werden. „Man kann darüber nachdenken, ob man Kooperationen mit den Hochschulen eingeht“, so die Kulturpolitikerin. Geschichtsstudenten könnten etwa ihre Abschlussarbeiten dazu schreiben. „Es wäre angemessen, wenn es nicht nur im Harburger Helmsmuseum Informationen zur Hammaburg geben würde, sondern auch vor Ort“, sagt Goetsch. „Und ein aktuelles Schild ist eigentlich das Mindeste.“

Zögerlicher äußert sich die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Isabella Vértes-Schütter: „Aus meiner Sicht sollten keine übereilten Schnellschüsse erfolgen.“ Zwar bezeichnet sie die jüngsten Forschungsergebnisse, die aufgedeckt haben, wo die Keimzelle Hamburgs liegt, als „sensationell und für alle Hamburger bewegend und identitätsstiftend“. Auch stehe Hamburg mit dieser Entdeckung nun vor der Aufgabe, die neuen Erkenntnisse auch sichtbar zu machen. „Ich kann mir hierfür eine Darstellung des ,Ur-Hamburgs‘ unter Einbeziehung der vorhandenen Präsentationen am Speersort mit dem Bischofsturm und dem Pfeilerrest des gotischen Doms gut vorstellen.“ Aber bitte nicht so schnell. „Es sollten die Ergebnisse des im Frühjahr stattfindenden Symposiums und der Ausstellung im Helms-Museum im Herbst abgewartet werden“, findet Vértes-Schütter.

Historiker Prof. Dr. Rainer Nicolaysen, Vorsitzender des Vereins für Hamburgische Geschichte, hofft, dass „die neuen Kenntnisse und Diskussionen um Hamburgs Ursprünge das Geschichtsbewusstsein in der Stadt stärken mögen“. Die neuesten Forschungsergebnisse zeigten, dass die „viel beschworene Hammaburg mehr ist als ein Mythos“. Nach mehreren Anläufen archäologischer Ausgrabungen sei jetzt ein Durchbruch in der Erforschung der Hamburger „Keimzelle“ gelungen. „Davon sollte auch die Gestaltung des Domplatzes profitieren. Denn auch wenn dieser bisweilen als eher randständig wahrgenommen wird, ist er nach Lage und Bedeutung ein zentraler Ort in unserer Stadt.“

Für Rainer-Maria Weiss ist die Sache klar: „Ich hoffe, dass sich Hamburg seiner historischen Verantwortung bewusst ist und auf die Wiege der Stadt hinweist.“