Das Unternehmen Alster-Touristik bietet jetzt Fahrten auf Plattdeutsch an. Bis Ende Oktober steht die Tour „Alster op Platt“ an ausgewählten Terminen auf dem Programm.
Hamburg. Rudolf und Ursula Birgels bestellen an Bord des Alsterdampfers „Quarteerslüüd“ erst mal einen Pott Kaffee. „So schlimm wird das nicht werden“, sagen die beiden Touristen aus dem nordrhein-westfälischen Krefeld, während eine Windböe über die Binnenalster peitscht. Das Ehepaar meint aber nicht das verregnete Sonntagswetter, sondern weist auf einen Mann mit windzerzaustem Haar, roter Jacke und rotem Schal. Es ist Volker Roggenkamp, der gerade den Dampfer betritt, zum Mikrofon greift und die Passagiere auf Plattdeutsch begrüßt: „Moin, Moin. Dat geiht doch!“
Den ganzen Törn lang wird der 68-jährige Stadtführer und Nachtwächter Volker Roggenkamp ohne Punkt und Komma Platt snacken. Wer diese Fahrt gebucht hat, weiß also, worauf er sich einlässt – auf „Diet un Dat up Platt“.
Zum ersten Mal in seiner Geschichte bietet das Unternehmen Alster-Touristik Fahrten auf Plattdeutsch an. Bis Ende Oktober steht die Tour „Alster op Platt“ an ausgewählten Terminen auf dem Programm. Hochdeutsch sprechen die Stadtführer auf dieser zweistündigen Fahrt vom Anleger Jungfernstieg zum Rondeelteich ganz selten. Zum Beispiel nur dann, wenn solche Worte wie „Oberflächenwasserrückhaltebecken“ nötig sind.
Ganz ohne Schippermütz, aber mit klarem Blick auf den Kurs legt Kapitän Ralph Asmus seinen Dampfer ab. Fremdenführer Roggenkamp, ein Experte für Hummel-Hummel, Heine und ganz Hamburg, packt mehrere Bücher auf den Tisch. Immer wieder wird er Heiteres daraus vortragen, während die „Quarteerslüüd“ wenig später am Mühlenkamp vorbeigleitet. „Kiek mol, die Elbphilharmonie!“, sagt er. Die Hamburger seien froh, dass es kein Flughafen geworden sei, lacht er verschmitzt und weist auf die Kostenexplosion des Flughafens Berlin-Brandenburg hin.
Sobald markante Bauten vor dem Fenster des Alsterschiffes auftauchen, gibt Roggenkamp die wichtigsten Informationen. Rathuus (Rathaus), de Marienkark (Dom St. Marien), die feinen Hotels und, „mein lieber Onkel Otto“, die diversen Rudervereine an der Alster. Fiev dusend (5000) Ruderboote sollen immerhin auf der Alster schwimmen. Sagt der Kapitän.
Die Gäste quittieren, was sie hören, häufig mit Beifall. Und sie wollen mehr wissen. Vertell doch mal! Zum Beispiel das Gedicht des Hamburger Dichters Heinrich von Gyldenfeldt mit dem Titel „Kalzium“. Das geht so: „Es saß einmal auf meinem Schoß / ein Fräulein von den Eskimos. Ich flüsterte: ‚O holdes Kind‘ / wie Kalzium die Lenden sind.“
Mit dem unterhaltsamen Mix aus Poesie und Plattdeutsch erreicht der Dampfer den Stadtpark – und die Stimmung an Bord ihren Höhepunkt. Gisela und Hans-Uwe Seib sehen, wie zwei Kormorane über das Wasser fliegen. Die beiden Hamburger waren schon häufiger mit der Alsterflotte unterwegs. Doch dieses niederdeutsche Hörerlebnis ist auch für sie etwas Neues.
Zwar sprechen immer weniger Menschen die plattdeutsche Sprache. Einige Zehntausend mögen es in Hamburg aber mindestens sein. Aber vielen Hamburgern ist die Pflege des Niederdeutschen besonders wichtig geworden. Nicht von ungefähr bietet die Alster-Touristik deshalb den Törn „Snack op Platt“ an – für eine kleine, höchst interessierte Klientel.
Auch andere Unternehmen wie die Asklepios Klinik Wandsbek greifen das neue Interesse auf und verkünden jetzt auf ausgewählten Krankenstationen, dass dort auch Platt gesprochen wird: „Wi snackt ok Platt“. In einigen Grundschulen wie Neuenfelde und Finkenwerder steht Plattdeutsch sogar auf dem Stundenplan.
Bevor Volker Roggenkamp weitere Geschichten erzählt, passiert das Schiff die ersten Schrebergärten. Eine HSV-Flagge weht da einsam vor einer Laube im Februarwind. Nach den Niederlagen der vergangenen Wochen ein eher bescheidenes Symbol dafür, dass der Verein bald im Aufwind sein könnte. „Holt die HSV-Flagge runter“, ruft da ein Passagier in die Runde. Offenbar steht er mit seiner Position allein. „Die bleibt“, entscheidet Gästeführer Roggenkamp. „Tüdelkram!“
Vom Stadtparksee nimmt die „Quarteerslüüd“ wieder Kurs auf den Heimathafen Jungfernstieg. Die ersten Gäste bestellen Bier, und sechs Osnabrücker Touristinnen dürfen einem NDR-Team vom „Hamburg Jouurnal“ ein munteres „Guten Abend, Hamburg!“ zurufen.
Es geht vorbei bei Bobby Reich, den Pöseldorfer Villen und der Hochschule für Musik und Theater. Wer je einen Alstertörn gemacht hat, kennt Hamburg von seiner schönsten Seite. Aber er hat eines noch nicht erlebt: reichlich Döntjes – 120 Minuten lang Platt auf der Alster. „Gleich sind wir tu huus“, verkündet Roggenkamp. Das Schiff legt an, die beiden Krefelder steigen aus und freuen sich: „Es war lustig und nicht langweilig. Wir haben fast alles verstanden.“