Hamburg. Beim Global Citizen Festival haben zahlreiche Popstars das Publikum über Stunden mitgerissen. Auch Politiker ließen sich blicken.

Üblicherweise wartet man bei Konzerten bis zum Ende auf die Höhepunkte, aber beim Global Citizen Festival am Donnerstag in der Barclaycard Arena wird gleich zu Beginn groß aufgefahren. Die populärste Band beginnt: Coldplay. Kann man machen.

Beim roten Teppich vor Konzert­beginn sprachen die Teilnehmer vom „Statement“, das sie hier heute abgeben wollen – gemeinsam mit den Fans, darf man hinzufügen, die zeitgleich zum Defilee der VIPs aus Pop, aber auch Politik in die Halle strömen. Dass die Fans in den Genuss der Superstars kommen können, liegt übrigens auch an den Topgönnern: Namen wie die Bill & Melinda Gates Stiftung, Live Nation, YouTube und Johnson & Johnson, der Pharmariese, zierten die Sponsorenwand.

Alle Global Players, alle mit Moral ausgestattet, man würde es nicht unbedingt bei jedem voraussetzen. Aber Moral war eine gute Kategorie bei diesem friedvollen Fest mit fröhlichen Fans, die sich nämlich fast alle mit guten Taten und gesellschaftlichem Engagement für eine Eintrittskarte qualifizierten. „Für Freiheit, für Gerechtigkeit, für alle“ ist der offizielle Slogan. Schlagworte mit ordentlich Wums.

Grönemeyer: Größtes Problem ist "Hungerkatastrophe"

Und wuchtig ist auch das, was Herbert Grönemeyer auf dem roten Teppich sagt. Die Politiker sollen auch durch ein Festival wie dieses „einen kräftigen Atem im Nacken spüren“. Das drängendste Problem, das von G20 gelöst werden muss? „Die Hungerkatastrophe in Afrika“, so Grönemeyer.

Er tritt neben Coldplay, Shakira, Ellie Goulding, Pharrell Williams, Lena und Andreas Bourani auf. Dazu gab es Moderatoren satt – Barbara Schöneberger, Elyas M’Barek, Florian David Fitz etwa, die die Begrüßung übernehmen. Für Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, der zum Grußwort auf die Bühne kommt, gibt es erst mal Pfiffe. Politiker haben es also schwer? Nicht alle: Als Scholz den kanadischen Premierminister Justin Trudeau – in Jeans und T-Shirt unterm Jacket – auf die Bühne bittet, wird er begrüßt wie ein Popstar. Dann kommt schon Coldplay. Das Aushängeschild des Festivals mit Kurator Chris Martin hebt 9000 Besucher mit „Paradise“, „Fix You“, Something Just Like This“ und „Adventure Of A Lifetime“ aus den Sitzen. Tausende vorab verteilte LED-Stäbchen glühen, Konfetti regnet hinab, alle stehen und klatschen. Unfassbarer Jubel, auch wenn das erste Duett mit Shakira hörbar kaum geprobt wurde. Chris Martin bedankt sich kokett, nicht in einem leeren Saal zu spielen, und betont den „Spirit of Global Citizen“.

Die besten Bilder vom Konzert:

Shakira, Coldplay und Co. beim Global Citizen Festival

Chris Martin führt durch das Konzert
Chris Martin führt durch das Konzert © dpa | Daniel Reinhardt
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau spricht  in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau spricht in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Daniel Reinhardt
Voller Saal beim Global-Citizen-Festival in Hamburg
Voller Saal beim Global-Citizen-Festival in Hamburg © dpa
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) spricht  auf dem ersten Global Citizen Festival-Konzert
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) spricht auf dem ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Georg Wendt
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz auf der Global Citizen-Bühne
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz auf der Global Citizen-Bühne © Screenshot HA
Chris Martin mit der Band Coldplay beim Global Citizen Konzert in Hamburg
Chris Martin mit der Band Coldplay beim Global Citizen Konzert in Hamburg © Marcelo Hernandez
Shakira singt am 6. Juli 2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Shakira singt am 6. Juli 2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Georg Wendt
Andreas Bourani singt n Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Andreas Bourani singt n Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Georg Wendt
Andreas Bourani singt  beim ersten Global Citizen Festival-Konzert.
Andreas Bourani singt beim ersten Global Citizen Festival-Konzert. © dpa/Georg Wendt
Blick auf die Zuschauer am 6. Juli 2017  in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Blick auf die Zuschauer am 6. Juli 2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Georg Wendt
Weltbankpräsident Jim Yong Kim spricht am 06.07.2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Weltbankpräsident Jim Yong Kim spricht am 06.07.2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Georg Wendt
Ellie Goulding singt am 06.07.2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Ellie Goulding singt am 06.07.2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Georg Wendt
Ellie Goulding singt am 06.07.2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Ellie Goulding singt am 06.07.2017 in Hamburg beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Sina Schuldt
Ellie Goulding  beim ersten Global Citizen Festival-Konzert
Ellie Goulding beim ersten Global Citizen Festival-Konzert © dpa/Sina Schuldt
Pharrell Williams während seines Auftritts beim Global Citizen Konzert in Hamburg
Pharrell Williams während seines Auftritts beim Global Citizen Konzert in Hamburg © Marcelo Hernandez/HA
Pharell Williams beim Global Citizen Konzert in Hamburg
Pharell Williams beim Global Citizen Konzert in Hamburg © Marcelo Hernandez/HA
Die Sängerin Shakira mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri beim Global Citizen Konzert in Hamburg
Die Sängerin Shakira mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri beim Global Citizen Konzert in Hamburg © Marcelo Hernandez
Lena Meyer-Landrut beim Konzert Global Citizen in Hamburg
Lena Meyer-Landrut beim Konzert Global Citizen in Hamburg © Marcelo Herndandez
Sängerin Shakira, die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg und der ehemalige britische Premier Gordon Brown auf der Bühne in Hamburg
Sängerin Shakira, die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg und der ehemalige britische Premier Gordon Brown auf der Bühne in Hamburg
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Dann gibt es noch einige Songs mehr von Coldplay und Shakira, die seit gestern Nacht sicher heftig im Netz geklickt werden. Das Programm ist streng durchgetaktet. Nach Coldplay kommt Sigmar Gabriel („Ich muss jetzt erst mal die Krawatte ausziehen“) auf die Bühne, der Außenminister. Er gibt sich einigermaßen kämpferisch („Wir müssen die an den Tisch holen, die unter Hunger und Armut leiden – G20 gehört eigentlich unter das Dach der UN“). Als er auf Donald Trump angesprochen wird, gibt es Buhrufe – wenig überraschend. Das überwiegend junge Publikum ist voll auf den Dualismus Pop und Politik eingestellt. Umjubelte Ansagen wie „Gleich kommt noch Andreas Bourani mit einem Überraschungsgast und dann eine Kampfansage an Ebola“ sind an diesem Abend völlig normal.

Global Citzen: Gegen Armut, für Bildung

In den Umbaupausen vertreiben Infotainment-Videos sowie die Moderatorinnen Barbara Schöneberger und Linda Zervakis nicht einfach nur die Zeit mit Hintergründen und Ernsthaftem. Wie medizinisch, wirtschaftlich und politisch die Welt verbessert werden kann, steht an diesem Abend an zentraler Stelle. „Global Citizen“ ist eine 2008 gegründete Initiative, die sich gegen Armut und für Bildungschancen in Entwicklungsländern einsetzt. Mit Online-Petitionen, Twitter- und Facebook- Aktionen­, Unterschriften und Veranstaltungen wie dem Festival zum Gipfel in Hamburg sollen sowohl junge Menschen zur Teilnahme an politischen Prozessen motiviert werden als auch den Politikern gezeigt werden, dass sie nicht unter sich sind. Das Hamburger Festival „kann ein dringend benötigtes Signal setzen: dass die Bürger wachsam sind und die Politiker zur Rechenschaft ziehen werden“, wie der australische Organisationsgründer Hugh Evans dem Abendblatt sagte. Der Mann mit Hamburger Wurzeln – sein Großvater wurde in Altona geboren – veranstaltet seit 2012 zu jeder Uno-Vollversammlung Global Citizen Festivals in New York, bei denen die Foo Fighters, Pearl Jam, Ed Sheeran, Beyoncé und Metallica auftraten. Solche Big Names kann die Hamburger Ausgabe nicht präsentieren. Aber das tut der Stimmung keinen Abbruch.

Andreas Bourani freut sich nach „Auf uns“ auf Sido, der ihn bei „Astronaut“ unterstützt. Und Sido weiß, dass im Zweifel beim Publikum ein bisschen Schimpfen auf die Weltenlenker immer gut ankommt, und ruft ein kräftiges „Ich bin nicht wegen irgendeines Politikers da, sondern wegen euch“ ins Rund.

Schön zu sehen, dass die Statements der aus Afrika, Pakistan oder vom Hi­malaja angereisten Aktivisten und Forscher, die vom ewigen Kampf um Fortschritt in weniger entwickelten Ländern berichten und zum fortgesetzten Engagement auch der reichen Welt aufrufen, weitaus mehr Applaus auf sich ziehen. Die Phalanx­ der einflussreichen Macher und Denker ist beim Global Citizen illus­ter.

Bei Andreas Bourani singt die Halle extralaut mit

Der Chef der Weltbank („Ich bin ein Hamburger“) ist genauso da wie die Premierministerin Norwegens. Und es ist keine Einbildung, dass die Besucher bei den Einspielfilmchen, die von der internationalen Entwicklungsarbeit handeln, aufmerksam zuschauen. Sauberes Wasser ist an diesem Abend als Thema fast genauso sexy wie ein Song von Coldplay oder Pharrell Williams. Was daran liegen könnte, dass sich nicht nur Politiker wie der Kanadier Justin Trudeau ganz vorzüglich aufs Einheizen verstehen.

Die Jugend von heute scheint nicht nur Lust auf Pop und Show, sondern auch aufs Einmischen und auf gesellschaftliches Engagement zu haben. Wenn man ihnen signalisiert, dass dies lohnenswert ist. Feiern allerdings darf man sich als „Global Citizen“ durchaus auch mal selbst: Bei Andreas Bouranis „Ein Hoch auf uns“ zum Beispiel singt die Halle extralaut mit.

Grönemeyer („Die Welt ist eine große Familie“) kommt zum Schluss – nach vier Stunden. Der mutige Chris Martin gesellt sich zu ihm: deutsch-britisches Rocken für den Weltfrieden. Auf Deutsch. Der Mensch bleibt Mensch.