Hamburg. Eine Gruppe chinesischer Künstler auf Hamburg-Besuch malte jetzt am Elbstrand – und war begeistert.
Der Eindruck ist sehr ungewöhnlich: Vier Asiaten unterschiedlichen Alters haben sich rund um den Blankeneser Anleger „Bulln“ verteilt und blicken konzentriert in die Ferne. Vor ihnen stehen oder liegen Papierblöcke und Leinwände, Stifte, Farben, Pinsel. Die zwei Frauen und zwei Männer sind offenkundig Künstler. Aber: Was hat sie hierher verschlagen?
Die vier sind Teil einer Reisegruppe, die auf einer Deutschlandreise für eine knappe Woche Hamburg besucht. Das Quartett ist in seiner Heimat ziemlich bekannt. Alle vier hatten schon viel beachtete Ausstellungen in dem Riesenreich, einige Bilder sollen bereits Teil namhafter Sammlungen sein. Das Ungewöhnliche an diesem Tag: Die Künstler suchen sich für ihre Arbeiten gezielt Hamburger Sehenswürdigkeiten aus, darunter eben auch Blankenese und Umgebung. Die Bilder werden Ende des Monats in der Innenstadt zum Kauf angeboten.
Süllberg in chinesischer Tuschemalerei
Organisiert hat diese Begegnung der in Blankenese lebende Galerist Rolf Krieger gemeinsam mit der chinesischen Künstlerin und Galeristin Lin Ying. Seit 20 Jahren zwischen Hamburg und Peking pendelnd, spricht Lin Ying so fließend Deutsch, dass sie mühelos als Dolmetscherin fungieren kann. Die Künstler sind eher introvertiert, wirken zunächst scheu und vorsichtig. Doch im Gespräch über ihre Arbeiten tauen sie merklich auf, was auch mit den Eindrücken zusammenhängen mag, die der sie umgebende Ort vermittelt.
Die aparte Ting Liu, die den Süllberg in der traditionellen chinesischen Tuschemalerei abbildet, arbeitet vom Anleger „Bulln“ aus an einem schattigen Platz. Unter ihren Händen entsteht Blankeneses Silhouette auf dem feinen Papier, daneben liegt das Porträt einer Frau mit Baskenmütze. Nach einer Krebserkrankung genesen, atmet Ting Liu tief durch und schließt kurz die Augen. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie aus der Millionenstadt Shandong nach Hamburg gekommen, nach Deutschland überhaupt. Was denkt eine sensible Künstlerin wie sie über einen Ort wie Blankenese?
Auf die entsprechende Frage Lin Yings antwortet sie lange, gestenreich und ziemlich aufgewühlt, wie es scheint. Die Übersetzung in Kurzform: Schon Deutschland, das sie nur von Fotos und aus Filmen kannte, habe sie sich nicht so schön vorgestellt. Vor allem nicht so ruhig und abwechslungsreich. „Blankenese mit der Elbe und dem Süllberg ist noch viel ungewöhnlicher“, sagt sie. „Man glaubt gar nicht, dass man in Deutschland ist. Es wirkt wie ein Ort in einem ganz anderen Land, an einem ganz anderen Platz irgendwo in Europa, den ich aber nicht nennen kann.“
Der Künstler Bin Xia aus Shanghai, der den Süllberg auf der Aussichtsplattform über dem „Bulln“ stehend malt, zeigt seine monumentalen abstrakten Werke auf dem Handy. Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier ist da unter anderem zu sehen. Xia, der auch Architekt und Designer ist und mit seiner Kunst schon viel Geld verdient hat, war bereits mehrmals in Europa, zuletzt in der Schweiz.
Saubere Luft kann sich in den Städten keiner vorstellen
Sein Eindruck von Hamburg-Blankenese? „Niemand in einer Stadt wie Peking kann sich vorstellen, wie klar und rein die Luft hier ist“, sagt er, „wirklich niemand. Das wird beim Malen auch dadurch deutlich, dass man viel weiter gucken kann und die Farben der Objekte eine ganz besondere Strahlkraft haben.“ Und dann auf Englisch: „Amazing. Very amazing place. Beautiful.“
Rumping Zhang malt einen Strandabschnitt mit dem Leuchtturm im Hintergrund. Im Mix kräftiger Farben verbinden sich Wasser und Land, Pflanzen und Hausdächer zu einer fröhlich-abstrakten Gesamtansicht. Freundlich lächelt sie die neugierigen Spaziergänger an. In China hat sie ein Asyl für gerettete Tiere, die auch oft ihre Motive sind. Zurzeit teilt sie ihr Leben mit zwölf Hunden und 22 Katzen. Friedlich und freundlich finde sie Hamburg und Blankenese, lässt sie von Lin Ying übersetzen. Und dann mit einer winkenden Handbewegung in Richtung Süllberg: „Wasser, Berge und so viel Grünes. Alles in einer Stadt. Das alles ist ein Wunder.“
Seit 20 Jahre pendelt Lin Ying zwischen Deutschland und China – und damit zwischen zwei Welten. Besonders beeindruckt sie, wie wenig wohlhabende Hamburger ihr Geld zur Schau stellen. „Diese zurückhaltende Art, das ist wirkliche Vornehmheit“, sagt sie, „wirkliche menschliche Qualität.“
Die Bilder sind vom 20. bis 30. Oktober in der Galerie Kunst-Direkt, Gänsemarkt 50 (Gänsemarktpassage), zu sehen. Die Galerie ist täglich außer sonntags von 10 bis 19 Uhr geöffnet.