Hamburg. Der Maler und Fotograf Rolf Krieger und sein höchst ungewöhnlicher Werdegang. Zehn Jahre lang war er Topmanager.
Er sieht aus wie ein Künstler und lebt auch wie einer. Rolf Krieger, groß und schlank, blinzelt vergnügt durch die Gläser seiner schwarzen Hornbrille, verschränkt die Arme im Nacken und macht es sich auf dem Sofa bequem. Der Westwind schaukelt einen bunten Pflanzenmix im Garten vor dem Fenster hin und her. Zwischen ein paar Häusern blitzt in der Ferne das silberne Band der Elbe. Es ist eine Szene, die man fotografieren oder malen möchte. Rolf Krieger wirkt angekommen, das merkt jeder, der seiner gelassenen Sprechweise lauscht. Das war aber nicht immer so, und der Weg bis ins Blankeneser Treppenviertel verlief nicht gerade, sondern im Zickzack.
Der gebürtige Hildesheimer ist nämlich noch gar nicht so lange Künstler. Krieger hatte zunächst das hingelegt, was man gemeinhin eine Bilderbuchkarriere nennt. Nach dem BWL-Studium war er mehr als zehn Jahre lang Top-Manager, unter anderem als Leiter des Anzeigenmarketings eines Verlags, und Direktionsleiter eines Finanzdienstleisters. Krieger, ziemlich weit oben angekommen, hatte einen krisensicheren Job samt gutem Einkommen und ausgezeichneter Reputation. In einer solchen Position richtet man sich entweder auf eine Endlos-Karriere als Machtmensch ein oder verzweifelt im täglichen Hamsterrad und sehnt vor allem den Ruhestand herbei.
Großvater war Kunstmaler
„Bei mir traf nichts von beidem zu“, sagt er. Irgendwann sei da aber die Vision gewesen, in einem eigenen Laden zu arbeiten, Kunst zu produzieren und zu vertreiben. „Es war so eine Art Tagtraum“, berichtet Krieger – „der überdeutliche Blick in ein ganz anderes Leben.“ Schnell und schmerzlos habe er sich mit seinem Vorgesetzten geeinigt, und dann war’s das schon mit dem Managerdasein. Dass sein Großvater Kunstmaler war, mag etwas mit Kriegers tief empfundenem Wunsch zu tun gehabt haben. Ein Leben als verträumter Schöngeist war aber gar nicht, was ihm vorgeschwebt hatte, und sein analytischer Verstand und ein gesunder Geschäftssinn ließen ihn dann auch einen ganz anderen Weg einschlagen.
Im Jahr 2005 baute er das Online-Shoppingportal Kunst-Direkt.de auf, der Rest ist (Erfolgs-)Geschichte. Kunst-Direkt ist eine sogenannte Editionsgalerie. Sie zeigt Kunstwerke, die auf irgendeine Weise durch Hamburg inspiriert wurden – in limitierter Auflage und auf Flächen aller Art.Ein Dreivierteljahr lang betrieb er seine „Pop-up-Galerie“ um die Ecke an der Bahnhofstraße. Dann wechselte er in die Gänsemarkt-Passage mitten in der City. Statt mit Bilanzen und Statistiken beschäftigt sich Krieger jetzt täglich mit Farben und Formen. Er sitzt zwar weiterhin viel am PC, nutzt aber vor allem Photoshop und sein Grafik-Tablet für digitale Malerei. Aktuell experimentiert Krieger mit PVC-Folie und verrostetem Stahl. Zusätzlich gibt er anderen Künstlern, die zum Konzept der Galerie passen, die Möglichkeit auszustellen.
Hafen eines seiner Hauptmotive
Rolf Krieger hat zwar die Seiten gewechselt, ist aber keineswegs weltfremd oder „verplant“. Seit neun Jahren wohnt er nun mit seiner Freundin Ann-Christin Zilling, Expertin für Unternehmenskommunikation und Buchautorin („111 Gründe, Hamburg zu lieben“) im Treppenviertel. Er liebt die Gegend, die „den Kopf freimacht und den Blick schärft“, wie er sagt. Die Nähe zum Fluss trug dazu bei, dass er den Hafen als eines seiner Hauptmotive entdeckte. „Ich komme mir oft wie ein Bildhauer vor, der das Material vor sich hat und überlegt, wie er damit umgeht“, berichtet Krieger. Das scheint mit seinem Lebensweg genauso gewesen zu sein, dem er an einem Punkt eine neue Richtung gab.
Kunst-Direkt Gänsemarktpassage, Gänsemarkt 50 (1. Stock), Mo bis Sa, 10 bis 19 Uhr.