Hamburg. Die Schau „Die Poesie der venezianischen Malerei“ feiert den Maler Paris Bordone – ein Fest der Farben und der verliebten Götter.

Sieben Jahre ist es her, dass die Hamburger Kunsthalle zuletzt Malerei aus der Zeit vor 1800 gezeigt hat. Höchste Zeit also, sich der überaus innovativen und sinnlichen Epoche des 16. Jahrhunderts am Beispiel der venezianischen Malerei zuzuwenden. Als Platzhirsch in Venedig galt der Maler Tizian, von dem die Ausstellung eine stattliche Anzahl an Werken präsentieren kann.

Sein zu Lebzeiten größter Konkurrent war sein Schüler Paris Bordone, der womöglich bis heute zu wenig bekannt und unterschätzt ist, weil Tizian ihn damals so erbittert bekämpfte. Die Kunsthallen-Ausstellung ist somit auch die längst fällige Würdigung eines Künstlers, der zwar anders als Tizian malte, aber ein würdiger Rivale war, der seinen Lehrer gelegentlich, was seine Innovationskraft anging, sogar überrundete.

Allein der erste Raum ist den Besuch wert

Betritt man den ersten Raum mit den allegorischen Werken, dann ist allein der schon ein Grund, in die Ausstellung zu gehen. Was für Farben! Ja, bei Paris Bordones Liebespaaren und Götter-Darstellungen kann man zum Greifen nahe sehen, was dieser Maler konnte, wie er mit den europaweit begehrten venezianischen Pigmenten und mit Farben, in denen zerstoßenes Glas verarbeitet wurde, umzugehen verstand.

Das fein gekräuselte Gewand der Quellnymphe Io hat einen funkelnden Schimmer, die grünen Samtkanten des Umhangs, den ihr zärtlicher Verführer Jupiter gerade um sie legt, um sich ungesehen von seiner Gattin (winzig im Bild links oben) mit ihr zu vergnügen, ebenso. Außerdem hat Paris Bordone dem Himmel über den fast das ganze Bild ausfüllenden Wolkenwirbeln ein tiefes, leuchtendes Türkisblau gegeben.

Tizian malte das Bildnis eines Mannes
in Rüstung, um 1530
Tizian malte das Bildnis eines Mannes in Rüstung, um 1530 © The Arm and Hammer Collection, Hammer Museum, Los Angeles

Wertvolle, 400 Jahre alte Bücher, Gedichte des Ovid, aber auch Originale von Giorgio Vasari liegen nicht zufällig in den Vitrinen der Ausstellung. Ohne Literatur und Dichtung wären diese Bilder nicht gemalt worden, und die frühe (Kunst-)Wissenschaft hätte ergo nichts zum Beurteilen gehabt. Der berühmte Vasari jedenfalls schrieb schon zu Lebzeiten, dass Bordone der bedeutendste Maler aus Tizians Werkstatt sei.

Architektur fasst Paris Bordone wie eine Theater-Kulisse auf, mal als bildfüllendes Wunder menschlicher Baukunst, in das die Figuren wie hineinmontiert wirken, mal als Rahmen für seine Bildnisse. Für Bordones fortschrittlichen Geist spricht übrigens auch sein rotblond gelocktes offenkundiges Lieblingsmodell, das nicht die Vorstellung damals gängiger Sanftmut bedient, sondern Willensstärke und Charakter ausstrahlt.

Feier weiblicher Schönheit

Die Feier weiblicher Schönheit und Fülle bildet einen Schwerpunkt der Ausstellung und sicher auch der damaligen Zeit – in Gestalt von Allegorien, liegenden Akten oder von Idealbildnissen schöner, prächtig gekleideter Frauen, die damals so oft gemalt wurden, dass es dafür viele Abnehmer gegeben haben muss.

Solche schöngeistigen, kultivierten, oft insgeheim verliebten Männer hat es unter Adeligen und reichen Bürgern oft gegeben. Die damals wichtigen Maler Venedigs haben sie gemalt, und nun hängen sie in schönster Konkurrenz beisammen – teils als Beispiele für das angesagte „Sfumato“ (eine Art Weichzeichner) und versehen mit anspielungsreichen Accessoires oder gar in einer Rüstung.

Sehnsucht der Stadtmenschen nach Natur

Es waren wie gesagt Männer, die die Aufträge erteilten, und Männer, die sie ausführten. Ebenso waren es Männer, die im Zuge der Verbreitung italienischer Kunst durch Druckgrafiken aus dem Norden nach Italien reisten, um dort zu lernen, allen voran Albrecht Dürer. Diesem Austausch gilt ein eigener Raum. Augsburger Unternehmer wie der superreiche Kaufmann Jakob Fugger waren der venezianischen Kunst überaus zugetan, weshalb von ihm auch ein Por­trät in der Ausstellung hängt. Und was wäre Lucas Cranach, was Velazquez und was Renoir ohne die venezianischen Maler des 16. Jahrhunderts?

Eine Ausstellung wie diese blättert also eine Epoche auf, deren Kunst weit in die Zukunft leuchtete und vieles in sich vereint, was damals in die Bildsprache drängte – sei es die Sehnsucht der Stadtmenschen nach Natur, eine neue Art des kirchenfernen Körperkults oder die freie künstlerische Auslegung antiker Dichter, seien es die galanten oder ersehnten Beziehungen zweier Liebender.

„Die Poesie der venezianischen Malerei“ Hamburger Kunsthalle (U/S Hbf.), Glocken­gießerwall 5, Di–Fr 10.00–18.00, Do bis 21.00, Eintritt Mo–Fr 12,-/6,-, Sa/So 14,-/7,- bis 21.5.