Die eine Initiative will eine Velo-Route am Ufer in Övelgönne, die andere sammelt Unterschriften dagegen. Der Schlagabtausch.

Zwei Bürgerbegehren, ein Strandweg: Schon lange wurde nicht mehr so erbittert um ein Thema gestritten. Die Debatte um eine mögliche neue Wegeverbindung in Övelgönne schlägt hohe Wellen. Nachdem das Bezirksamt eine bis zu 5,90 Meter breite Radroute über den Elbstrand vorgeschlagen hatte, formierte sich Protest. Eine Initiative hat bereits 10.600 Unterschriften dagegen gesammelt. Nun machen sich die Befürworter auf den Weg. Sie haben ebenfalls ein Bürgerbegehren gestartet. Doch wie unversöhnlich stehen sich die Radwegegegner und die Fans wirklich gegenüber? Welche Ziele verfolgen sie, und welche Lösungen sehen sie? Das Abendblatt hat sie zu einem Streitgespräch vor Ort geladen. Die Kommunikationsexpertin Christiane Petersen (40) aus Ottensen vertritt die Elbstrandretter. Die pharmazeutisch-technische Assistentin Samina Mir (27) aus Blankenese ist Sprecherin der Bürgerinitiative „Elbstrandweg für alle“.

10.600 Unterschriften innerhalb von vier Wochen: Das scheint ein deutliches Votum gegen den geplanten Radweg zu sein, oder wie beurteilen Sie das?

Samina Mir: Ich habe mit vielen gesprochen und bin auch von einigen angesprochen worden, denen das Anliegen des Bürgerbegehrens so nicht klar war. Viele hatten den Eindruck, dass jetzt ein aktuelles Bauvorhaben (Sprich: Morgen rollen die Bagger an) mit diesem Bürgerbegehren gestoppt wird. Und viele waren der Meinung, dass genau dieser Weg, der durch die Presse geisterte, so verhindert wird. Sie waren aber nicht generell gegen einen Weg am Strand. Ich weiß sogar von zwei, die wissen wollten, ob es eine Möglichkeit gibt, ihre Unterschrift zurückzuziehen. Das ist erschreckend.

Christiane Petersen: Also das wundert mich, weil wir sehr stark alle Aspekte kommunizieren. Dass die Bagger hier anrollen, hat nie irgendjemand behauptet. Die Möglichkeiten, an dieser Stelle weiter über einen Radweg nachzudenken, sind aufgrund der Begebenheiten begrenzt. Das zeigt die jahrelange, ergebnislose Diskussion. Da frage ich mich: Warum sollen wir weiterdenken, weiter Zeit, Ressourcen und Geld investieren und uns nicht lieber um einen Radweg auf der Elbchaussee kümmern oder um den Fahrradweg Bernadottestraße? Das ruht alles. Stattdessen will man knapp zwei Millionen in den Lückenschluss von 900 Metern stecken. Wir wollen keine Denkverbote, sondern konstruktive Verbesserungen in der Radverkehrspolitik. Die liegen unserer Meinung nach nicht hier unten am Elbstrand. Wenn das falsch ankommt, ist das nicht das, was wir wollen.

Mir: Es ist immer einfach, dagegen zu sein. Wenn man sagt, das will man nicht, muss man sich keine Gedanken über Lösungen machen. Genau das kostet Gehirnschmalz. Aber seit 20 Jahren wird immer wieder eine Lösung für das Rad- bzw. Fußwegproblem der Övelgönner Schiebestrecke gefordert. Derzeit wird hier illegal morgens durchgefahren.

Welche Lösungen sehen Sie denn?

Mir: Rein hypothetisch gibt es vier Varianten für eine Route: die jetzige Schiebestrecke auszubauen, einen Strandweg entlang der Mauer zu führen, einen Weg über den Strand – was ich auch nicht für die attraktivste Möglichkeit halte – und den vorhandenen Weg am Wasser bei den Schlackesteinen zu verbreitern. Dieser wird bereits jetzt von Menschen rege genutzt.

Petersen: Der Weg entlang der Mauer, den Sie auf der Homepage der Initiative und in den sozialen Medien zeigen, ist faktisch gar nicht möglich. Das ist Privatbesitz, und die Eigentümer sind nicht bereit zu verkaufen. Uns Emotionalisierung vorzuwerfen und dann eine solch irreführende Ansicht als Titelbild auf der Homepage zu zeigen ist schwierig.

Mir: Das ist eine Reaktion von uns auf Ihre Initiative, und rein hypothetisch sind diese vier Varianten möglich.

Petersen: Wie denn? Durch Enteignung?

Mir: Das ist letztlich nicht unser Pro­blem. Man könnte erneut den Dialog zu den Anwohnern suchen, ob sie jetzt bereit sind, ihre privaten Flächen, die bis zu zwölf Meter auf den Strand reichen, zumindest teilweise zu verkaufen. Auf Höhe des Museumshafens wäre das möglich. Danach müsste man sonst notfalls verschwenken. Das lässt sich auf einem Bild perspektivisch aber schlecht darstellen.

Wie würden Sie die Diskussion um den Radweg mit einem Wort zusammenfassen?

Mir: Emotional. Jeder verbindet etwas mit diesem Strand und jeder etwas anderes. Ich habe den Eindruck, es sind Ängste geschürt worden, dass etwas mit einem neuen Fuß- und Radweg verloren gehen könnte. Das sehen wir nicht so. Der Strand mit seinem Naherholungswert muss auf jeden Fall erhalten bleiben. Aber man kann auch Naherholung haben mit einem Weg.

Petersen: Das klingt wie die eierlegende Wollmilchsau. Die gibt es nicht.

Mir: Würden Sie denn sagen, dass es ein paar Meter weiter Richtung Othmarschen extrem stressig und konfliktreich zugeht und es jeden Tag mehrere Unfälle gibt?

Petersen: Sie meinen dort, wo der Radweg vom Strand getrennt ist, also wo er nicht über den Strand verläuft?

Mir: Ja, aber auch da handelt es sich um einen gemeinsamen Geh- und Radweg.

Petersen: Gibt es in Hamburg überhaupt einen Radweg, der über den Strand verläuft?

Mir: Na ja, in Blankenese gibt es eine ähnliche Situation ab dem Strandhotel bis zum Segelclub. Da gibt es einen sehr engen Weg entlang von Häusern und auch dort wurde ein Weg Richtung Strand verschwenkt. Dazwischen liegen Gärten. Aber das hat nicht ganz den gleichen Wert wie hier. Es ist kein reiner Strandweg. Aber man kann doch in Övelgönne die Masse an Strand, die vermeintlich verloren geht, wieder mit Sand aufschütten, um so mehr Strand zu generieren.

Petersen: Ich kann gar nicht verstehen, dass Sie das nicht sehen. Das ist doch ein Unterschied. Um die Masse an Strand geht es doch nicht, sondern es geht um den Durchgangsverkehr, der den ­Charakter dieses Ortes total verändern würde.

Mir: Wir müssen uns beide nicht überzeugen.

Petersen: In diesem Punkt sind wir uns einig.


Aktion mit Kunstteppich wirbt für Fahrradweg

Mit einer spektakulären Aktion haben Samina Mir und ihre Mitstreiter am Montagnachmittag für einen „Elbstrandweg für alle“ geworben: In Övelgönne hatten sie auf dem Elbstrand einen etwa 100 Meter langen Kunstrasen ausgerollt: „Die Fußgänger waren begeistert, der Weg wurde sofort gut angenommen. Jetzt können hier auch Leute mit einem Kinderwagen entlanggehen“, sagte Samina Mir, Sprecherin der Bürgerinitiative „Elbstrandweg für alle“. Die Initiative möchte „keinen reinen Radweg, sondern einen Strandweg, der von Fußgängern und Radfahrern gemeinsam genutzt werden kann und damit den Zugang zum Strand für alle ermöglicht“, sagte Björn Harders aus Blankenese, ebenfalls Befürworter des „Elbstrandwegs für alle“.

In der vergangenen Woche hatte die Initiative ein Bürgerbegehren gestartet. Es sind laut Mir rund 6000 Unterschriften für ein „erfolgreiches Bürgerbegehren notwendig. Dann muss sich das Bezirksamt Altona mit diesem Thema wieder beschäftigen und uns einen Vorschlag unterbreiten, wie ein Elbstrandweg realisiert werden könnte“, sagte die Initiatorin aus Blankenese. Wenn es keine Einigung gebe, würde das Bürgerbegehren dann die Grundlage für einen Bürgerentscheid bieten. Insgesamt stieß die Aktion auf positive Reaktionen: „Wir hatten schon sehr viel positive Resonanz. Allerdings sind heute, am Feiertag, viele Menschen unterwegs, die nicht im Bezirk Altona wohnen und deshalb nicht für das Bürgerbegehren unterschreiben dürfen“, sagte Mitstreiterin Sabine Hartmann.

Es gab allerdings auch Passanten, die das Unterfangen in Övelgönne kritisch sehen: „Natürlich bekommen wir auch manchmal zu hören, dass auf dem Elbstrand kein Weg gehört“, sagte Samina Mir. Doch davon lässt sich die Initiative nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Mir überlegt, die Kunstrasenaktion zu wiederholen. Nach zwei Stunden hat die Bürgerinitiative den grünen Weg übrigens wieder abgebaut. (ug)