Hamburg. Manche Käufer harrten seit Sonntagabend die ganze Nacht aus, andere standen in langen Schlangen. 95.000 Tickets verkauft.

Carola Egner hat die Nacht von Sonntag auf Montag an der Elbphilharmonie verbracht. Zusammengerollt campiert sie seit 21 Uhr auf der unbequemen Fensterbank vor der Vorverkaufsstelle im Nordgang. Geschlafen hat sie kaum. Die junge Frau ist extra aus München angereist, um Tickets für die Konzertsaison 2017/18 zu ergattern. „Meine Mutter wünscht sich nichts sehnlicher, als noch einmal ein Konzert in der Elbphilharmonie zu erleben. Sie ist schon 84 Jahre alt“, erzählte Egner.

Der Hype um das Konzerthaus reißt auch fünf Monate nach der Eröffnung nicht ab. Im Gegenteil: Es wird immer verrückter. Am Montagmorgen um 10 Uhr öffnen Vorverkaufsstellen überall in der Metropolregion Hamburg ihre Türen. Und fast allerorts bilden sich lange Schlangen: Vor der Konzertkasse der Elbphilharmonie reicht sie bis zur Brücke über den Sandtorhafen; 600 Ticket-Hungrige mögen sich dort versammelt haben. „Ich freue mich richtig, hier zu sein“, sagte Manfred Weinhold (75), der die Nacht ebenfalls durchgemacht hat. „Wir haben Schach gespielt, gelesen und uns unterhalten. Wir sind eine tolle Truppe“, schwärmte er. So ein Erlebnis schweißt eben zusammen.

Der Elbphilharmonie-Heimvorteil für Hamburger

Vor allem die Hamburger nutzen ihren Heimvorteil aus: Sie können ihre Wunschtickets an diesem Tag persönlich kaufen, alle anderen müssen bei einer Online-Vorbestellung auf ihr Glück hoffen, denn: Gehen mehr Bestellungen ein, als Karten verfügbar sind, entscheidet das Los. Auch vor der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah campierten die Menschen. Als Erste waren Mirja Schwarz und Julia Jungjohann hier. Tante und Nichte haben sich um halb sechs Uhr morgens auf einer Yoga-Matte direkt vor der Eingangstür platziert.

Eine Stunde später nimmt die Tickethatz im Norderstedter Herold Center Fahrt auf. Mehr als 100 Kaufwillige haben sich bis zum Verkaufsstart eingefunden, doch Unruhe macht sich breit: „Wie viele Karten dürfen wir denn nun kaufen?“, fragt Ulrike Hebert-Rathig, die mit Freundin Angela Skibb ganz vorne sitzt. Auch als es die Elbphilharmonie noch nicht gab, sind die beiden schon regelmäßig zu Klassik-Konzerten gegangen, aber so etwas wie heute haben sie noch nie erlebt, denn die Informationen sind widersprüchlich.

Einige Vorverkaufsstellen blieben gleich ganz geschlossen

Laut Elbphilharmonie können maximal vier Karten für ein Konzert erworben werden, insgesamt höchstens zehn. Mancher möchte nun für zehn Konzerte jeweils eine Karte, doch das geht in Norderstedt und manch anderer Vorverkaufsstelle nicht. Per Facebook klärt die Elbphilharmonie auf: Die genannte Regelung gelte verbindlich nur für die drei eigenen Kassen am Gerhart-Hauptmann-Platz, im Brahms-Kontor und im Konzerthaus selbst, alle anderen Kassen können den Verkauf nach Gusto handhaben, solange sie nicht mehr als zehn Karten pro Kunde abgeben.

Für weiteren Ärger sorgt die Tatsache, dass einige Vorverkaufsstellen „wegen des erwarteten Ansturms auf die Elbphilharmoniekarten“ an diesem Tag geschlossen bleiben. Das gilt für das Kartenhaus Gertigstraße ebenso wie für die Konzertkasse Gerdes in der Rothenbaumchaussee. Und am Dammtorbahnhof sollen sich Wartende vorab schriftlich auf eine Veranstaltung und eine Preiskategorie festlegen. Problem: Es gibt nur 100 Formulare und auch nach einer Stunde ist noch kein einziges Ticket ausgedruckt.

95.000 verkaufte Karten an nur einem Tag

Derweil setzt das Social-Media-Team der Elbphilharmonie alles daran, auf Facebook mit regelmäßigen Updates und der schnellen Beantwortung von Käuferfragen die Gemüter zu beruhigen. Dass etwa zwei Drittel der Veranstaltungen gar nicht von der Elbphilharmonie, sondern von externen Veranstaltern abgewickelt werden, tröstet die Kartenlosen allerdings kaum. Juan Diego Flórez, Diana Damrau und Jonas Kaufmann, Murray Perahia, Anne-Sophie Mutter, Daniel Barenboim, David Garrett, Daniil Trifonow, zahllose Konzerte des NDR Elbphilharmonie Orchesters: Immer neue „Ausverkauft!“-Meldungen ploppen im Laufe des Tages auf und sorgen für erboste Kommentare auf der Facebook-Seite der Elbphilharmonie.

Von einer „Katastrophe“ und „ex­tremem Chaos“ ist die Rede, „Möglicherweise sterbe ich darüber hin, bevor ich in ein Konzert in der Elphi gelange“, schreibt eine Enttäuschte. Dass sie nun an der Online-Verlosung teilnehmen können, also eine weitere Chance auf Tickets haben und außerdem im Laufe der Saison noch zahlreiche Konzerte in den Verkauf gehen werden, tröstet viele erst einmal nicht. Am späten Abend meldet die Elbphilharmonie, dass am ersten Tag bereits 95.000 Karten für die Saison 2017/18 verkauft worden sind. Außerdem gebe es 40.000 Online-Kartenbestellungen für Eigenveranstaltungen.

Carola Egner hingegen ist zufrieden: Sie hat nach einer langen Nacht des Wartens die ersehnten Elbphilharmonie-Karten für ihre Mutter bekommen. Jetzt geht es mit dem Flieger zurück nach München. Übermüdet, aber glücklich.

Online-Registrierung für Karten unter www.elbphilharmonie.de