Hamburg. Pianistin Hélène Grimaud spielte zu Waldfotos ihres Freundes Mat Hennek. Warum Huster in halb voller Elbphilharmonie so nerven.

Mit der Verbindung von Bildern und Musik ist es ein bisschen so, wie mit einer guten Ehe: Einer von beiden muss stärker nachgeben. Diese Erfahrung bestätigte auch das Projekt „Woodlands and beyond“, bei dem am Sonnabend in der Elbphilharmonie eine Stunde lang Bilder des Fotografen Mat Hennek gezeigt wurden, während seine Lebensgefährtin Hélène Grimaud dazu Klavier spielte.

Henneks großartige Naturfotografien brauchen eigentlich keine Musik, und die romantisch-impressionistischen Klänge, die Grimaud am Flügel zaubert, brauchen keine Bilder. Kommen beide zusammen, muss man sich auf eine der beiden Ebenen fokussieren.

Laeiszhalle wäre besser gewesen

Einen entschiedenen Nachteil brachte die Realisierung dieses Projekt außerdem mit sich. Weil Henneks Bilder auf eine Leinwand hinter dem Flügel projiziert wurden, konnte nur die Hälfte der Plätze im großen Weinbergrund der Elbphilharmonie verkauft werden. Eine halb volle Elbphilharmonie wird es in absehbarer Zeit sicher nicht noch einmal geben. Und eine der Erfahrungen, die man nun dabei machen konnte, war, dass das Publikum in einem nur zur Hälfte gefüllten Saal gefühlt doppelt so viel hustet. Warum der Veranstalter mit diesem Projekt nicht in die gute alte
Laeiszhallen-Schuhschachtel gegangen ist, bleibt ein Rätsel.

Ab und zu taucht ein Wolf auf

Mat Henneks Fotografien zeigen die Natur, als wäre sie ein abstraktes Gemälde. Winterliche Landschaften, verzweigtes Geäst, bewegte Wellen werden von Hennek so ins Bild gesetzt, dass sie wie ein reines Spiel aus Formen, Linien, Farben und Licht erscheinen. Bei Landschaftsaufnahmen aus großer Höhe verliert sich die Bindung an eine abgebildete Realität fast völlig, da wird die Fotografie zur Malerei. Nur einige vom Menschen schnurgerade durch die Topografie gefurchte Straßen verraten dann noch, dass man es mit Luftbildern zu tun hat.

Wo Hennek Wälder fotografiert geht es ihm um den Rhythmus von senkrechten Stämmen und waagerechten Zweigen, um Lichtreflexe und Schattenwürfe. Als einziger Bewohner dieser poetischen Welt – und liebevolle Referenz an die Wolfsleidenschaft seiner Lebensgefährtin – erscheint ab und an ein einsamer Wolf, dessen Umrisse mit der ihn umgebenden Natur verschmelzen. Und die Grimaud, so viel drang doch ins Bewusstsein des Betrachters von Henneks Bildern, spielte viel zu gut dafür, dass man ihr nur mit halbem Ohr zuhörte.

In diesem Ambiente war Grimaud ganz bei sich

Schloss man also die Augen und konzentrierte sich ganz auf die Musik, beschlich einen ein seltsamer Verdacht: Was Klarheit und Artikuliertheit angeht war an Grimauds Interpretationen der diversen Werke von im Programmheft nicht genannten Komponisten nämlich nichts zu mäkeln, obwohl ihr übermäßiger Pedalgebrauch sonst gerne gescholten wird. Es schien, als wäre die stets so sensible Künstlerin hier ganz bei sich, gerade weil es weniger als sonst um sie ging.

Von Hélène Grimaud war eigentlich nur ihre Silhouette vor der Leinwand zu sehen; die Blicke richteten sich bevorzugt auf die Bilder ihres Partners. Sollte am Ende der Schutz, den Dunkelheit und virtueller Wald ihr bieten konnten, der heimliche Zweck dieser Konzertinstallation sein?

Viele Gäste hatten Husten

Unterbrochen wurde Grimauds Strom von Klavierklängen nur durch einige vom Band eingespielte „Transi­tions“ des britischen Komponisten Nitin Sawhney. Dessen minimalistische Klangteppiche waren in der Tat unprätentiös genug, um mit den abstrakten Formen auf der Leinwand eine Synthese einzugehen, bei der keine der beiden Ebenen zurücktreten musste. Leider aber waren viele der anwesenden Huster der irrigen Ansicht, dass Zwischengeräusche bei zeitgenössischer Musik weniger stören würden als bei Debussy und Co.

Glaubt man Friedrich Nietzsche, so sind wir deshalb so gerne in der Natur, weil wir hier alleine sein können, ohne einsam zu sein. Hélène Grimaud hat sich mithilfe der Bilder von Mat Hennek einen solchen Ort mitten im Konzertsaal geschaffen.

Und so stellte sich nach gut einer Stunde des Hörens und Schauens doch jenes Gefühl ein, das man sich sonst in langen Spaziergängen erst erwandern muss. In Beethovens Worten: „Allmächtiger im Walde! Ich bin selig, glücklich im Wald; jeder Baum spricht durch dich. In einer solchen Waldgegend, in den Höhen ist Ruhe.“