Hamburg. Die Pianistin Hélène Grimaud und der Fotograf Mat Hennek kooperieren im Hamburger Konzerthaus.

Hélène Grimaud hat ja schon so einiges gesehen. Als weltweit gefragte Pianistin ist sie ein Stammgast in den wichtigsten Konzerthäusern zwischen Sydney, Tokio, Berlin und New York. Doch der Erstbesuch in der Hamburger Elbphilharmonie, Ende Januar, war selbst für sie ein außergewöhnlicher Moment. „Was mich, abgesehen von der Akustik, besonders beeindruckt hat, ist die natürliche Aura“, bekennt die Französin mit dem hellen, wachen Blick bei einem Glas Wasser im Café gegenüber. „Durch seine eigentümliche Haut fühlt sich der große Saal für mich an wie ein Organismus, er lebt und atmet. Ich hatte wirklich den Eindruck, dass er sich bewegt!“

Begehrte Abos

Trotz seiner vom Menschenhirn erdachten und durch Maschinen- und Computerkraft geformten Struktur wirkt der Raum wie ein Gebilde aus der Natur. Damit ist der Große Saal der ideale Schauplatz für das neue Programm von Hélène Grimaud. Gemeinsam mit ihrem Partner, dem deutschen Fotokünstler Mat Hennek, präsentiert sie am 8. April die Weltpremiere von „Woodlands and beyond ...“: ein multimediales Konzert, das Musik und Fotoprojektionen von Waldlandschaften zu einem rund 70-minütigen Gesamtkunstwerk vereint – und damit auch von der Seelenverwandtschaft der beiden erzählt, die im Gespräch deutlich zu spüren ist.

Hier kommen Sie zum neuen Podcast

Impressionistische Klavierwerke von Komponisten wie Claude Debussy treten dort in einen Dialog mit Waldbildern, die auf einer elf mal elf Meter großen LED-Wand aufscheinen und wie in Zeitlupe ineinandergleiten. „Wir haben für diese Übergänge ein sehr, sehr langsames Tempo gewählt, wodurch Momente entstehen, in denen das eine Bild weg ist und das andere noch nicht da“, erklärt Mat Hennek. „Diese Räume und Farbakkorde sind so auf die Musik von Hélène abgepasst, dass aus dem Zusammenspiel eine neue emotionale Ebene erwächst.“

Auch eine spirituelle Erfahrung

Die Begegnung mit dem Wald und den Bäumen ist für Hennek selbst nicht bloß eine künstlerische, sondern eine spirituelle Erfahrung. Das hat der schlanke, groß gewachsene Mittvierziger vor etwa zehn Jahren gemerkt, als er die Glamourwelt der Starfotografie – seine langjährige berufliche Heimat - ­irgendwann einfach überhatte, obwohl er mit seinen Porträts von Künstlern wie Sting, Tracy Chapman und Simon Rattle sehr gut im Geschäft war. „Das hat lange Zeit großen Spaß gemacht. Aber es ist eine stilisierte, verkaufsorientierte Welt, die mir nach einer gewissen Zeit langweilig und überflüssig vorkam. Da ich oft in großen Teams mit viel Aufwand unterwegs war, habe ich – auch wenn es wie ein Klischee klingt – nach Ruheorten gesucht und die im Wald gefunden.“

Hennek und Grimaud sind vom Wald fasziniert

Durch die privaten Momente des Rückzugs hat sich für Hennek auch ein neues berufliches Ziel erschlossen. In seinen Bildern unter dem Motto „Woodlands and beyond ...“ – die ab 8. April auch in der Galerie Flo Peters im Chilehaus zu sehen sind – nähert er sich dem Wald und den Bäumen aus der Perspektive des Fotografen und versucht, das ­Naturerlebnis zu visualisieren.

Mat Hennek lenkt den Blick des Betrachters oft auf die Form und die Strukturen der Stämme, indem er die Krone und die Wurzeln ausklammert und sich auf den Mittelkörper fokussiert. Dadurch hebt er die tiefendimensionale Wirkung der Baumgruppen hervor. „Für mich entstehen dabei sakrale, beinahe kirchliche Räume. Sie können einen anziehen, aber auch beängstigen und eine Gänsehaut auslösen. Ich finde, dass die Bäume auch auf den Bildern eine große Strahlkraft entfalten.“

Mat Henneks
Baumfotos haben
eine geradezu
mystische
Ausstrahlung
Mat Henneks Baumfotos haben eine geradezu mystische Ausstrahlung © Mat Hennek

Mit seiner Faszination für den Wald ist Hennek bei seiner Partnerin auf offene Ohren gestoßen, die ihm im Gespräch aufmerksam zuhört und in seiner Gegenwart auffallend geerdet wirkt. Die enge Verbindung zur Natur spielt im Leben, Denken und Schaffen von Hélène Grimaud schon lange eine wichtige Rolle und zeigt sich nicht bloß in ihrem hinlänglich bekannten Engagement für Wölfe. Sie lebt mit Hennek eineinhalb Stunden nördlich von New York, mitten in der Pampa, um der Natur möglichst nahe zu sein.

Deren Bedeutung beschränkt sich nicht allein auf die frische Landluft und den Umgang mit den Tieren, wie Grimaud betont: „Sie ist ein Ort der Spiritualität. Die Natur zeigt uns etwas, das größer ist als wir selbst, sie macht uns einerseits bescheiden und erinnert uns andererseits daran, wie wichtig es ist, das eigene Potenzial zu erkennen und auszuschöpfen. Die Begegnung mit der Natur lässt erkennen, wo unser Platz im Leben ist.“

„Wunderbares Zwiegespräch“

Im „Woodland“-Programm lässt Grimaud beim Spielen von den Waldbildern ihres Lebensgefährten sich in­spi­rieren. „Sie bringen eine neue Dimension dazu, etwa beim Umgang mit der Zeit. Durch die Fotos entsteht für mich ein wunderbares Zwiegespräch. Es fühlt sich an, als würde ich Kammermusik mit einer anderen Kunstform machen.“ Die Bilder, so sagt Grimaud, eröffneten ihre eine neue Ebene der Wahrnehmung. „In Verbindung mit der Musik wecken sie eine Sehnsucht in uns, sich wieder mehr mit der Natur zu verbinden und damit zu sich selbst zu finden.“

Die Elbphilharmonie Konzerte von Hélène Grimaud und Mat Hennek am 8.4., 17.00 und 20.00, sind ausverkauft

Ausstellung Mat Hennek 7.4. bis 20.5, Di–Fr 12.00–18.00, Sa 11.00–15.00, Flo Peters Gallery, Chilehaus, Pumpen 8, Eintritt frei

Buch Mat Hennek: „Woodlands“, Steidl Verlag, 96 Seiten, 78 Euro, erscheint am 1.7.

Infos helenegrimaud.com

Das ist der Beweis: In der Elbphilharmonie klingt alles gut

weitere Videos