Hamburg. Anna Politkowskaja wurde 2006 vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Hamburg hat als erste deutsche Stadt einen Platz nach ihr benannt.
Anna Politkowskaja war eine mutige Frau. So wie Alexej Nawalny ein mutiger Mann war. Oder Boris Nemzow. Ihren Mut als Menschenrechtsaktivisten, Korruptionsankläger und Regimekritiker haben die Reporterin Politkowskaja, der liberale Politiker Nemzow und der Putin-Gegner Nawalny mit ihrem Leben bezahlt. Nawalny starb dieses Jahr in einem Strafgefangenenlager, Nemzow und Politkowskaja wurden in Moskau erschossen. Sie im Oktober 2006 im Treppenhaus vor ihrer Wohnung, er 2015 auf einer Brücke über die Moskwa.
Seit diesem Donnerstag erinnert ein Platz an der Ecke Feldbrunnen-/Binderstraße in Rotherbaum an die mutige Journalistin Anna Politkowskaja. Bei der feierlichen Einweihung nur wenige Tage nach dem Jahrestag der Ermordung erinnerte Ilya Politkowski an seine Mutter: „Dieser Ort wird uns daran erinnern, dass es Menschen wie meine Mutter gibt, die sich nicht scheuen, gegen den Strom zu schwimmen und für die Wahrheit zu kämpfen. Es ist wichtig, dass ihr Name hier auf diesem Platz in Hamburg und in anderen Teilen der Welt gehört wird. Es ist eine Erinnerung daran, dass die Wahrheit gehört werden muss“, sagte Politkowski.
Hamburg ehrt ermordete russische Journalistin Politkowskaja mit Platz
Für seine Familie sei das nicht einfach nur ein Platz. Er sei vielmehr ein Symbol, dass Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit grundlegende Werte blieben, so Politkowski. „Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass das Verbrechen immer noch nicht aufgeklärt ist. Die Auftraggeber sind nicht gefunden worden, andere Verbrecher, außer den Tätern, sind nicht verurteilt worden.“
„Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass das Verbrechen immer noch nicht aufgeklärt ist“
In keiner anderen deutschen Stadt erinnert bislang ein Ort oder Platz an Anna Politkowskaja. Der Platz in Rotherbaum liegt unmittelbar vor der „Zeit“-Stiftung Bucerius. Um Politikowskajas unermüdlichen Einsatz für Pressefreiheit und Gerechtigkeit zu würdigen, hatte sich die Stiftung für die Umbenennung starkgemacht und die Fraktionen in der Bezirksversammlung Eimsbüttel überzeugt. Schließlich hat die zuständige Senatskommission die Umbenennung beschlossen.
„Hamburger Woche der Pressefreiheit“: Platz-Umbenennung ist kein Zufall
Dass die Umbenennung auf diesen Zeitpunkt fällt, ist kein Zufall: Am kommenden Sonntag startet die „Hamburger Woche der Pressefreiheit“. Bis zum 18. Oktober laden die Stiftung und mehr als 30 Partner – darunter das Hamburger Abendblatt – zu mehr als 30 Veranstaltungen zum Thema unabhängige Berichterstattung ein.
Anna Politkowskaja hatte für die Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“ gearbeitet. Wie vier weitere Reporter des Blattes bezahlte sie ihr journalistisches Engagement mit ihrem Leben. Die 1993 gegründete „Nowaja Gaseta“ galt als eine der letzten unabhängigen landesweiten Zeitungen Russlands. Das brachte ihrem Gründer 2021 den Friedensnobelpreis ein. Nur ein halbes Jahr später, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, drohte dem Blatt ein Publikationsverbot. Inzwischen berichten ins Ausland geflohene Journalisten deshalb aus Riga für die „Nowaja Gaseta“ Europe.
Politkowskaja hatte mehrfach Skandale rund um Russlands Krieg in Tschetschenien und die Korruption im eigenen Land enthüllt. 2002 zeichneten die „Zeit“-Stiftung und die norwegische Stiftung Fritt Ord die russische Reporterin im Hamburger Rathaus mit dem Gerd-Bucerius-Förderpreis Freie Presse Osteuropas aus.
Hamburg-Rotherbaum: Platz erinnert an „große Journalistin und unerschrockene Kämpferin“
„Mit dem Anna-Politkowskaja-Platz erinnern wir an eine große Journalistin und unerschrockene Kämpferin für Freiheit und Gerechtigkeit, die für ihre Kritik am autoritären russischen Staat mit dem Leben zahlen musste“, sagte Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda bei der Enthüllung des Straßenschildes. Den Platz nach Politkowskaja zu benennen sei Ausdruck einer „tiefen Dankbarkeit für ihr Wirken und Ermahnung, die Freiheit der Presse immer wieder neu als Grundpfeiler offener, demokratischer Gesellschaften zu verteidigen“, so der Sozialdemokrat.
Für Manuel Hartung, den Vorstandsvorsitzenden der „Zeit“-Stiftung ist die Verteidigung der Pressefreiheit – auch in Deutschland – wichtiger denn je. Er lobte den „beispiellosen Mut“ und den Kampf Anna Politkowskajas für freie Berichterstattung. Der Platz sei der Stiftung „eine tägliche Mahnung an den Wert von Pressefreiheit für eine wehrhafte Demokratie“.
Unter dem neuen Straßenschild erinnert ein Gedenkstein an die Journalistin. „Wenn ich nicht mehr schreibe, haben meine Feinde ihr Ziel erreicht“, ist dort auf Deutsch und Russisch ein Zitat der ermordeten Frau zu lesen. Zudem, informiert die „Zeit“-Stiftung, verlinke ein QR-Code auf eine Webseite mit weiteren Informationen über ihr Leben und Wirken.
„Woche der Pressefreiheit“ in Hamburg: Fotoausstellung, Fragerunde und Co.
Im Rahmen der „Woche der Pressefreiheit“ ist von Montag bis Freitag täglich von 8 bis 20 Uhr die Fotoausstellung „Ukraine: Journalists in War Zones“ in der Bucerius Law School in der Jungiusstraße zu sehen. Ebenfalls täglich von 13 bis 17 Uhr stellen sich Journalistinnen und Journalisten auf Einladung des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) den Fragen und der Kritik von Bürgern und geben in der Zentralbibliothek am Hühnerposten 1 (Eingang über Arno-Schmidt-Platz) Einblick in ihre Arbeit.
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Am Montag steht tagsüber ein (nicht öffentlicher) Senatsempfang im Rathaus auf dem Programm. Montagabend spricht Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider mit NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz, wie mehr Bewusstsein für freie Berichterstattung geschaffen werden kann, wie sie bewahrt und verteidigt wird. Die Veranstaltung beim Abendblatt (Großer Burstah 18–32) beginnt um 19 Uhr. Anmeldung wird erbeten mit vollständigem Namen und Betreff „Entscheider treffen Haider“ an: hamburger-abendblatt@funkemedien.de, Interessenten werden umgehend informiert, ob Sie einen Platz erhalten haben.
Weitere Informationen und das komplette Programm der „Woche der Pressefreiheit“ gibt es unter www.pressefreiheit.hamburg