Hamburg. Inken Hose ist die erste Frau an der Spitze der Traditionsschule. Worauf Eltern bei der Schulwahl für ihr Kind achten sollten.
Sie ist die erste Frau an der Spitze der ältesten Schule Hamburg: Seit mehr als zehn Jahren leitet Inken Hose die Gelehrtenschule des Johanneums mit ihren rund 900 Schülerinnen – und der Pflicht, sowohl Latein als auch Griechisch zu lernen.
In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ sagt Inken Hose, warum die alten Sprachen für das Leben junger Menschen wichtig sind, was sie über Noten denkt und worauf Eltern achten sollten, wenn sie ihre Kinder an einer weiterführenden Schule anmelden.
Das sagt Inken Hose über …
… berühmte ehemalige Schüler, zu denen neben Kurt Sieveking und Gustav Hertz auch Lotto King Karl gehört:
„Lotto King Karl ist ein ehemaliger Schüler und dem Johanneum nach wie vor eng verbunden. Er hat bei uns schon einmal ein Benefizkonzert gegeben, und er war der Überraschungsgast, als mein Amtsvorgänger verabschiedet wurde, für den er ,Hamburg, meine Perle‘ gesungen hat.“
… ihre Zweifel, ob sie Direktorin des Johanneums werden sollte:
„Ich habe dieses Amt nicht unbedingt angestrebt. Mein Vorgänger, Herr Dr. Reimer, hat mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, Direktorin des Johanneums zu werden, nachdem er sich entschlossen hatte, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Ich war damals Mittelstufenkoordinatorin, er hat mir das zugetraut, ich selbst war mir gar nicht so sicher. Ich habe eine gute Freundin und mein Leitungsteam gefragt, ob ich das machen sollte. Mir war sehr bewusst, dass das keine rein berufliche, sondern eine Lebensentscheidung ist. Das ist keine Aufgabe, bei der man auf die Uhr schauen kann und darf. Ich hätte mich an keiner anderen Schule als Direktorin beworben, und ich hätte auch an keine andere Schule gepasst.“
… den Stolz von Eltern, Lehrern und Schülern auf das Johanneum, und was das mit dem Gebäude zu tun hat:
„Es ist so, dass unsere Schulgemeinschaft sich in hohem Maße mit der Institution, den Menschen und dem Bildungsprofil identifiziert. Das hat auch damit zu tun, dass man sich bewusst ist, in einer langen Tradition zu stehen. Und das Kulturwissen, das man sich bei uns durch die Beschäftigung mit den alten Sprachen erwirbt, ist etwas, das verbindet. Das trägt genauso zu der hohen Identifikation bei wie die Tatsache, dass wir gern Feste feiern, die uns immer wieder an unsere Schulgeschichte erinnern.
Und nicht zuletzt wird das Leben und Lernen am Johanneum von dem wunderschönen alten Schumacherbau geprägt, in dem wir sitzen dürfen. Das Gebäude ist nach den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern der dritte Pädagoge. Der Schumacherbau hat etwas Behütendes und im positiven Sinne Ehrfurchteinflößendes. Er spiegelt in seiner Außendarstellung das wider, was wir auch als Bildung vermitteln wollen.“
… die Auswahl einer weiterführenden Schule und was Eltern dabei beachten sollten:
„Eltern sollten genau gucken, ob das Bildungsangebot der weiterführenden Schule zu ihrem Kind passt, zu seinen Interessen, seinen Begabungen und seinem Entwicklungsstand. Wenn wir am Ende der Schulzeit stabile Persönlichkeiten haben wollen, dann muss das mit Erfolgen verbunden sein. Kinder müssen auch glückliche Phasen in der Schule erleben, nur dann können sie ein gesundes Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten ausbilden. Das Gute ist ja, dass das Abitur an jeder weiterführenden Schulform möglich ist.“
… die Frage, ob es am Johanneum schwieriger ist, gute Noten zu bekommen, als anderswo:
„Wir verschenken Noten nicht, wir erwarten von den Schülerinnen und Schülern eine hohe Leistungsbereitschaft. Aber die größte Herausforderung an einem altsprachlichen Gymnasium ist, dass man sich in den Jahren der Pubertät und Adoleszenz mit drei Fächern „herumschlagen“ muss, die ein kumulatives Lernen erfordern, nämlich Latein, Griechisch und Mathe. In diesen Fächern muss man alles, was man bereits gelernt hat, immer parat haben. Das verlangt verhältnismäßig viel Arbeit, die manchen Jugendlichen zwischen Klasse acht und zehn nicht leichtfällt.“
… Noten überhaupt:
„Mir wäre es zu wenig, am Ende der Schulzeit nur auf die Noten zu gucken. Schule ist nicht nur dazu da, Noten zu vergeben. Das machen wir auch, vielleicht ist das der unschönste Teil an Schule. Vor allem brauchen wir gebildete, gefestigte Persönlichkeiten, die in der Welt bestehen können, die lernen, ihren Verstand zu benutzen, um ein begründetes Urteil fällen zu können, und die ein inneres Wertesystem haben, das andere Menschen und die Gesellschaft berücksichtigt.
Noten sagen darüber nichts aus. Unser Anspruch ist nicht, dass die Schülerinnen und Schüler zu uns kommen, um eine bestimmte Abinote zu erreichen, auch wenn deutlich mehr als 90 Prozent nach der Schulzeit studieren. Unser Abischnitt lag in den vergangenen Jahren übrigens zwischen 1,9 und 2,2, wir sind mit unseren Schülerinnen und Schülern sehr zufrieden.“
… Latein und Griechisch – und warum sich Schülerinnen und Schüler damit beschäftigten sollten:
„Man lernt durch die Beschäftigung mit den alten Sprachen, mikroskopisch genau hinzugucken und Aussagen zu hinterfragen. Es kommt hinzu, dass die antiken Texte zentrale Fragen des Menschseins berühren. Die Inhalte haben immer etwas mit den jungen Leuten und ihrer Lebenswelt zu tun. Man beschäftigt sich mit grundlegenden Themen im Spiegel der Antike, das ist ungemein wichtig.“
Der Fragebogen: Kinderrechte stärker berücksichtigen!
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
An Berufswünsche aus meiner Kindheit kann ich mich nicht erinnern. Ich wusste aber seit der 9. Klasse, dass ich Latein- und Griechischlehrerin werden wollte. Das kam natürlich daher, dass mir beide Sprachen schon als Schülerin lagen, aber auch daher, dass ich sowohl mit meinem Vater zu Hause, der selbst Latein und Griechisch in der Schule gelernt hatte, als auch in der Schule sehr gute Lehrer hatte, die die Begeisterung für die antike Literatur und Kultur haben überspringen lassen.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Sie haben mich weniger durch Ratschläge als durch ihr Vorbild geprägt, insbesondere durch ihre Offenheit und Freundlichkeit gegenüber anderen Menschen und die Einheit von Reden und Handeln.
Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?
Ich hatte das Glück, auch außerhalb meines Elternhauses an jeder Station meines Werdegangs auf Menschen zu treffen, die fachlich exzellent, authentisch und zugewandt und darüber hinaus noch gute Lehrer waren und die mir darin Vorbild sind. In meinen Werten und Haltungen aber hat mich neben meinen Eltern sicher am stärksten Prof. Gerhard Dickel geprägt, in dessen Jugendchor am Michel ich fast ein Jahrzehnt lang gesungen habe.
Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?
Hoffentlich nur Gutes!
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute ausüben?
Den Beruf der Schulleiterin habe ich nicht aktiv angestrebt, sondern mein Amtsvorgänger Dr. Uwe Reimer hat den Anstoß für die Bewerbung gegeben, indem er mich gefragt hat, ob ich mich nicht auf seine Nachfolge bewerben wolle. Er und eine sehr gute Freundin, die ich daraufhin um Rat gefragt habe, haben mir dieses Amt zugetraut, und das hat mir Mut gemacht.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Meine Eltern, meine Lehrer am Wilhelm-Gymnasium, die mich nach dem Abitur für die Studienstiftung des Deutschen Volkes vorgeschlagen haben, und mein Amtsvorgänger, der mich nicht nur ermutigt hat, mich auf die Schulleitung am Johanneum zu bewerben, sondern der mich bereits als Mittelstufenkoordinatorin dorthin geholt hat.
Auf wen hören Sie?
Je nach Thema und Entscheidungsebene auf meinen Stellvertreter und mein Leitungsteam, meine Kolleginnen im Schulbüro, mitunter auch auf den Rat von Kolleginnen und Kollegen, zu denen aufgrund der langen Zusammenarbeit ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis besteht, und in jedem Fall auf mein Bauchgefühl, das sich aus einem mittlerweile reichen Erfahrungswissen speist.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Ihr Arbeitsethos, ihre spürbare Identifikation mit ihrer jeweiligen Schule und vieles mehr.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Eine wichtige Entscheidung fällen, die andere betrifft, ohne sie im Vorwege den Betroffenen erläutert oder im besten Fall gemeinsam mit ihnen erarbeitet zu haben.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Wertschätzung, Authentizität, Ansprechbarkeit, Arbeiten im Team.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Persönlich nicht wichtig, aber die finanzielle Sicherheit sorgt dafür, dass ich gedanklich wie zeitlich frei bin, mich meinen Aufgaben als Schulleiterin in vollem Umfang zu widmen.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?
Dass sie die Werte und das Bildungsprofil des Johanneums mittragen, guten Unterricht machen und teamfähig sind.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Auf die Lehrerpersönlichkeit – diese muss ins Kollegium passen –, auf die fachliche Qualifikation und die Fähigkeit, sich sprachlich gut auszudrücken.
Duzen oder siezen Sie?
Ich sieze überwiegend; nur diejenigen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich schon zusammengearbeitet habe, bevor ich Schulleiterin wurde, duze ich.
Was sind Ihre größten Stärken?
Ich bin sehr belastbar und schaffe es eigentlich immer, mir selbst in herausfordernden Situationen eine positive Grundhaltung zu bewahren.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Meine Vorliebe für Espresso und Schokolade und die nicht sehr ausgeprägte Fähigkeit, den Schreibtisch abends vor 22 Uhr zu verlassen. Beides hängt natürlich miteinander zusammen.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?
Johannes Bugenhagen, den Schulgründer der St.-Johannis-Schule.
Was würden Sie ihn fragen?
Ich würde ihn nichts fragen, sondern gern in seinem Unterricht hospitieren; denn Bugenhagen, der schon mit 19 Jahren Schulleiter an der Ratsschule in Treptow an der Rega geworden war, war für seinen hervorragenden Unterricht weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Was denken Sie über Betriebsräte?
In der Schule entspricht dem Betriebsrat der Personalrat. Der Personalrat ist für ein funktionierendes Miteinander von Schulleitung und Kollegium unverzichtbar, zumindest, wenn Personalrat und Schulleitung wie bei uns am Johanneum konstruktiv zusammenarbeiten. Denn der Personalrat spiegelt der Schulleitung, wie ihre Entscheidungen bei den Kolleginnen und Kollegen ankommen, und gibt wichtige Hinweise auf Fragen und Themen, die beantwortet bzw. bearbeitet werden müssen.
Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?
Fehler gehören zum Leben und insbesondere zu Schule und passieren auch mir regelmäßig. Meist sind es Fehler in der Kommunikation, die einem hohen Zeitdruck, der Komplexität des Systems Schule oder dem nicht mehr zu bewältigenden E-Mail-Aufkommen geschuldet sind. Wichtig ist mir persönlich wie in der Schule insgesamt eine positive Fehlerkultur: Ist ein Fehler erkannt, muss man ihn benennen, nach Möglichkeit wieder gutmachen und versuchen, ihn nicht zu wiederholen.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Ca. 70. In außergewöhnlichen Zeiten wie jetzt können es in seltenen Fällen auch einmal mehr werden.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Unter der Woche 5 bis 6; was fehlt, wird am Wochenende nachgeholt.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Gelassen. Und wenn es mit der Gelassenheit doch einmal vorbei sein sollte, dann helfen ein paar Schritte über das Schulgelände oder am Wochenende eine Stunde Gartenarbeit, um den Kopf freizubekommen und wieder klar priorisieren zu können.
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Wie kommunizieren Sie?
Am liebsten im persönlichen Gespräch, de facto aber häufiger per E-Mail.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Mache das, was dich interessiert, woran du Freude hast, und bleibe offen für die Chancen, die das Leben dir bietet.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Ich wünsche mir, dass in unserer Gesellschaft die Bedürfnisse und Rechte der Kinder und Jugendlichen stärker berücksichtigt werden und nach der Pandemie eine Wertschätzung für das bleibt, was Eltern, Lehrkräfte und das nicht pädagogische Personal an Schulen leisten.