Hamburg. Verein steht nach Fest-Absage in der Kritik. So verteidigt Organisator die Entscheidung, das Grindelfest nach dem Anschlag abzusagen.
- Organisatoren sagen Straßenfest im Grindelviertel wegen des Anschlags in Solingen ab.
- Verein sieht sich nach der Entscheidung, teils harscher Kritik ausgesetzt.
- Organisator spricht über die Beweggründe und die Pläne für 2025.
„Armutszeugnis“, „traurig“, „Alarmsignal“: Schon kurz nachdem gestern Mittag öffentlich wurde, dass das geplante Straßenfest im Grindelviertel wegen des Anschlags in Solingen mit drei Toten abgesagt wird, kamen die ersten Reaktionen. Zwar gibt es viel Verständnis für die Entscheidung der Organisatoren – „sehr traurig und nachvollziehbar“ oder „das Einzige, was vernünftig ist“ lauten einige Kommentare im Netz –, aber es gibt eben auch sehr viel Kritik daran.
Der größte Vorwurf, dem sich die Organisatoren ausgesetzt sehen, lautet: Kapitulation vor dem islamistischen Terror. Sie würden denen, die Angst und Schrecken verbreiten wollen, damit genau in die Karten spielen. Doch das ist den Veranstaltern nur zu bewusst.
Straßenfest in Hamburg nach Solingen abgesagt – „der falsche Weg“
„Wir wissen, dass es der falsche Weg ist“, sagt Jimmy Blum am Donnerstag, einen Tag nach der Absage. Er ist Vorsitzender des Vereins Grindel, der das Fest in diesem Jahr zusammen mit den Hamburger Kammerspielen und der Jüdischen Gemeinde als Kooperationspartner auf die Beine stellen wollte.
Unter dem Motto „Grindelfest: Kultur. Jüdisch. Bunt“ wollte man vom 13. bis 15. September das bunte Leben und die vielfältige Gemeinschaft im Grindel feiern. Geplant waren Bühnen vor den Hamburger Kammerspielen und auf dem Joseph-Carlebach-Platz. Auf dem Allende-Platz wollten sich verschiedene Kulturvereine und -organisationen präsentieren. Das Programm stand.
Dann kam der 23. August. Der Freitag, an dem ein 26-Jähriger bei einer Feier der nordrhein-westfälischen Stadt Solingen auf Menschen einstach. Drei Menschen tötete er, weitere verletzte er teils schwer. Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamierte die Tat später für sich.
Grindelfest – „Attentat in Solingen hat uns Augen für die Gefahr geöffnet“
Schon vor dem Terroranschlag war über die Sicherheitslage bei dem Vielfältigkeitsfest im Grindelviertel debattiert worden. Doch zuvor fühlten sich die Organisatoren gut gewappnet, die auch mit den Sicherheitsbehörden der Stadt dazu im Austausch standen. „Das Attentat in Solingen hat uns die Augen für die Gefahr geöffnet“, so Blum. „Seit Freitag habe ich kaum noch geschlafen.“ Das Grindelfest sei ein Nachbarschaftsfest, auf dem Freunde und Familie mitfeiern würden. „Was, wenn ihnen etwas passieren würde? Wie sollen wir dann weiterleben?“
Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber alle, die die Absage jetzt harsch in den sozialen Medien mit Beiträgen kritisierten, stünden am Ende eben nicht in der Haftung, entgegnet Blum. Allein sein TikTok-Video mit der Absageinformation wurde innerhalb von 14 Stunden 100-mal kommentiert. „Wenn das die Reaktion auf die Einzelfälle (...) sein soll, dann haben wir bald keine Kirmes, keine Weihnachtsmärkte, keine Maifeiern, keine kirchlichen Großveranstaltungen“ und „Ihr toleriert euch zu Tode“, lauten nur zwei der Kommentare.
Nach Straßenfest-Absage in Hamburg: Hass und Hetze in sozialen Medien
Und auch auf Facebook und Co. gibt es viele Reaktionen zu der Absage des Grindelfestes. „Damit hat der Terror sein Ziel erreicht“, „Was für ein fatales Zeichen!“ oder „Definitiv der falsche Weg“ sind nur einige der kritischen Äußerungen.
„Ich lese mir das lieber gar nicht durch“, sagt Blum, der es entweder doch getan hat oder schon ahnt, wie viel Hass und Hetze solch ein Thema im Internet provoziert. Viele vermuten nun, dass das Grindelfest erst der Anfang war und nun weitere Straßenfeste in Hamburg aus Sicherheitsgründen abgesagt werden könnten. Mancher macht sich sogar bereits Sorgen um die Weihnachtsmärkte.
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Blum betont, dass der Verein in einem sehr guten Austausch mit der Polizei und den Behörden stand, man sich nicht deshalb für die Absage entschieden habe. Vielmehr könne man die Sicherheit eben nicht garantieren, und als kleiner Verein wolle man diese Verantwortung nicht tragen. Für das kommende Jahr stehe man bereits im Austausch, wie man die Last auf mehr Schultern verteilen könne.
Darauf spielt auch der Hamburger Bundestagsabgeordnete Till Steffen (Grüne) an, der die Fest-Absage so wie CDU und FDP kommentiert. Er fordert, dass nun sinnvolle Maßnahmen in enger Zusammenarbeit zwischen Polizei und Veranstaltern ergriffen werden müssten „Das Ziel muss sein, dass wir uns nicht einschüchtern lassen von Islamisten. Wir leben unser vielfältiges Leben.“
Forderungen von der CDU-Politikerin Anke Frieling, dass der Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nun eingreifen müsse und das Fest noch in diesem Jahr retten solle, hält Blum für unrealistisch. „Wir sind für Gespräche immer offen, aber ich sehe nicht, was auf die Schnelle helfen könnte.“
Für Jimmy Blum ist aber ganz klar: Er wird weiterhin Großveranstaltungen und Straßenfeste besuchen. „Ich persönlich beuge mich nicht dem Terror.“