Hamburg. Menschen, die nach der Corona-Impfung erkrankten, leiden oft unter Hassattacken. Hamburger Forscher: „Viele sind traumatisiert.“

„Hör auf zu jammern“, „Geht einfach arbeiten“ oder „Wer so doof ist, sich impfen zu lassen, sollte sterben gehen“: Menschen, die nach einer Corona-Impfung erkrankt sind und unter dem sogenannten Post-Vac-Syndrom leiden, berichten in vielen Fällen davon, dass sie auf Unverständnis und zum Teil auf Hass stoßen – insbesondere im Internet, in den sozialen Netzwerken.

Nachdem das Abendblatt in dieser Woche über einen besonders krassen Fall berichtet hatte, meldeten sich weitere Betroffene. Tenor: „Die Anfeindungen sind uns auch begegnet.“ Das bestätigt auch der Hamburger Wissenschaftler Christof Ziaja, der seit vielen Jahren zum Thema Long Covid, Post Covid und Post Vac am Professor Stark Institut in Hamburg-Eimsbüttel forscht: „Menschen, die unter dem Post-Vac-Syndrom leiden, kommen zum Teil traumatisiert zu uns“, berichtet er.

Krank nach Corona-Impfung – Hamburger Forscher warnt: Post Vac nicht verharmlosen

Fast alle hätten ähnliche Erfahrungen gemacht: „Die Betroffenen erfahren, dass das Thema nicht ernst genommen wird. Dass ihnen nicht geglaubt wird und dass sie für ihre Erkrankung angefeindet werden.“ Das sei für die Erkrankten, die ohnehin oft sehr geschwächt seien, eine zusätzliche Belastung.

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Fakt sei: „Das Post-Vac-Syndrom darf man nicht verharmlosen. Einige Menschen sind so stark betroffen, dass sie arbeitsunfähig sind und ihre Wohnung oder sogar ihr Bett kaum noch verlassen können“, so Ziaja. Dazu kämen in vielen Fällen neurologische Probleme, wie Konzentrationsschwierigkeiten und motorische Einschränkungen.

Was versteht man unter Long Covid, Post Covid, Post-Vac und ME/CFS?

Treten länger als vier Wochen nach einer Corona-Infektion Beschwerden auf, spricht man von Long Covid. Halten Sie länger als zwölf Wochen an, ist von Post Covid die Rede. Gemeinsam ist den meisten vom Long/Post-Covid-Syndrom Betroffenen, dass Symptome oder Beschwerden bestehen, die eine behandlungswürdige Einschränkung der Alltagsfunktion und Lebensqualität bewirken und einen negativen Einfluss auf das Sozial- und/oder Arbeitsleben haben.

Die Symptome können vielseitig sein: von Beschwerden der Lunge, des Kreislaufsystems und der Muskulatur, über Probleme bei der kognitiven Leistung (Konzentration, Merkfähigkeit) und Erschöpfungszustände bis hin zu Angstzuständen und Depressionen. Zudem gibt es auch Betroffene, die nach einer Corona-Impfung erkranken – hier spricht man von Post-Vac.

Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom – kurz ME/CFS – ist eine nach Virusinfekten auftretende schwere neuroimmunologische Erkrankung, welche die schwerste Ausprägung von Long Covid darstellt und oft zu einem hohen Grad körperlicher und kognitiver Behinderungen führt. Mit ME/CFS geht einher, dass sich die Symptome schon nach geringer körperlicher oder kognitiver Anstrengung verstärken.

Wie viele Menschen in Hamburg betroffen sind, ist unklar. Das liegt auch daran, dass es extrem schwierig ist, einen Impfschaden nachzuweisen. Wie berichtet, haben in Hamburg seit der Corona-Pandemie 247 Menschen einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens eingereicht. Nur sieben Fälle wurden anerkannt. In 77 Fällen läuft nach Angaben der Sozialbehörde noch ein Widerspruchsverfahren.

Post-Vac-Betroffene: Der Hass im Internet kommt von allen Seiten

Warum aber wird ausgerechnet die Gruppe der Post-Vac-Betroffenen so oft zur Zielscheibe von Hass-Kommentaren und Anfeindungen? Nadine Ton, eine der Initiatorinnen des Post-Vac-Netzwerks Deutschland, berichtet: „Das Thema Post Vac steht seit Langem im Mittelpunkt der Anfeindungen, weil extreme Meinungen hier aufeinanderstoßen.“

Hass-posts POst Vac
Post-Vac-Betroffene müssen mit vielen Anfeindungen leben. Besonders in sozialen Netzwerken erfahren Erkrankte oft Wut und Hass. © privat | Privat

In den sozialen Medien erlebe man immer wieder, wie Impfgegner und Impfbefürworter sich auf dem Rücken der Betroffenen einen wüsten Schlagabtausch liefern. „Die Impfgegner sagen: ‚Ihr seid selbst schuld. Es hat euch ja keiner gezwungen‘, die Impfbefürworter machen uns Vorwürfe, dass wir das Impfen schlechtmachen wollen.“

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Auch Beispiele von Hassposts hat Nadine Ton parat: „Selber schuld, sorry, aber ihr hattet die Wahl. Ich bin dafür, dass ihr eure Arztkosten selber zahlen müsst.“ „Ihr habt es doch so gewollt.“ „Jammert uns nicht voll.“ Oder: „Ich hab kein Mitleid mit den Impfschafen. Sie wollten unbedingt wieder in Restaurants, Kneipen, tanzen und kegeln gehen. Jetzt tanzen viele im Himmel.“

Nadine Ton ist es wichtig, zu betonen: „Wir wollen niemandem die Schuld geben. Aber wir wollen medizinische Hilfe und Anerkennung unserer Erkrankung. Denn bis heute ist es so, dass wir in vielen Long-Covid-Ambulanzen nicht angenommen werden und die Versorgung der Betroffenen nicht sichergestellt ist.“