Hamburg. Betrüger gab vor, Ingenieur auf einer Ölplattform zu sein – und wegen eines Feuers Geld zu benötigen. Die Hamburgerin zahlte.

Über Monate hat ein unbekannter Mann eine Hamburgerin regelrecht ausgenommen und sie dabei um mehrere Zehntausend Euro „erleichtert“. Die 39 Jahre alte Frau aus Lokstedt hatte den Mann über Instagram kennengelernt.

Dort gaukelte er ihr die große Liebe vor und schaffte es, dass sie ihm immer wieder hohe Geldsummen schickte. Love Scammingoder Romance Scamming wird diese Masche genannt, die als eine der ertragreichsten Betrügereien gilt, bei denen die Opfer auf frei erfundene Geschichten hereinfallen.

Polizei Hamburg: Lokstedterin zahlt 61.000 Euro an falsche Instagram-Liebe

Der Täter gab sich der Frau gegenüber als Ingenieur aus, der auf einer Ölplattform in Saudi-Arabien arbeitet. Er umgarnte sein Opfer. Dann gab es angeblich ein Feuer auf der Bohrinsel. Um in dem Zusammenhang Behandlungen, Verpflegung von betroffenen Männern oder andere Sachen bezahlen zu können, bat er die Frau um Geld.

„Liebe macht blind“, heißt ein Spruch, der in diesem Fall zutraf, da die Sinne der Frau offenbar vernebelt waren und sie sämtliche Alarmzeichen ignorierte. Die 39-Jährige zahlte – immer und immer wieder. Schließlich waren es über 61.000 Euro, die die Lokstedterin seit Mai an den Mann geschickt hatte.

Betrüger wurde immer gieriger – Lokstedterin sollte erneut Geld zahlen

Doch der wurde offenbar immer gieriger. Die Frau bekam eine E-Mail, in der behauptet wurde, dass im Fall eines von ihr versendeten Paketes, die Sendung erst nach Italien weitergeleitet wurde und schließlich das FBI eingeschaltet worden sei. Um weitere Ermittlungen abzuwenden sollte sie 53.000 Euro überweisen.

Als die Frau jetzt wieder Geld von ihrer Bank wollte, bekam sie keinen Kredit mehr. Dort riet man ihr zur Anzeige. Die 39-Jährige ging zur Polizei. Schnell war klar, dass sie einem Betrüger aufgesessen war. Der Liebesschwindel flog auf. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

Täter kommen durch eine „Hintertür in die Herzen der Frauen“

Die Tat ist kein Einzelfall. Love Scamming ist seit vielen Jahren ein hoch attraktives Geschäft für Betrüger, die in der Regel im Ausland, oft in Afrika sitzen und sich darauf spezialisiert haben durch eine „Hintertür in die Herzen der Frauen zu kommen“, wie es der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper beschreibt.

Oft hätten sich die Opfer schon im Internet auf einschlägigen Portalen auf Partnersuche gemacht. „Solche Annoncen werden ausgewertet, damit der Täter gezielt auf sein Opfer eingehen kann“, so der Kriminologe. „Selbst wenn ich mehrere Hundert Frauen kontaktiere und nur eine von ihnen darauf hereinfällt, lohnt es sich bereits für den Täter.“

Kriminologe: „Die Frauen lieben eigentlich einen Avatar“

Warum Love Scamming so gut funktioniert, weiß Kemper: „Jeder Mensch hat seine Vorstellung von Liebe. Wenn er die erfüllt sieht, ist er bereit, dafür große Risiken einzugehen. Dazu kommen oft auch Angst vor Einsamkeit – oder es gab in der Vergangenheit bereits Enttäuschungen.“

Die Täter würden ihre Opfer an die Hand nehmen, bei der Kommunikation jede Form von Konflikt vermeiden und Frauen so Geborgenheit vermitteln. „Die Täter vermeiden es auch Videos zu schicken. In der Regel werden ausschließlich Bilder verschickt, die natürlich nicht den Betrüger, sondern einen gut aussehenden Mann zeigen“, so Kemper. „Die Frauen lieben eigentlich einen Avatar. Die Fälle zeigen aber auch, in was für einer Scheinwelt Menschen leben können.“

Täter geben sich meist als einsame Geschäftsmänner, Ärzte oder Soldaten aus

In den meisten Fällen geben sich Täter als einsame Geschäftsmänner, Ärzte oder als Soldaten der US-Armee auf Auslandseinsatz aus, um Liebe zu heucheln. Ist die Frau in der „Liebesfalle,“ werden finanzielle Engpässe vorgetäuscht, um so immer wieder Geldbeträge zu erlangen – bis die Quelle versiegt.

Danach bricht der Kontakt ab. Die Konten bei den sozialen Netzwerken werden gelöscht. Manchmal sind es völlig absurd wirkende Geschichten, die die Opfer im „Liebestaumel“ für bare Münze nehmen.

Hamburgerin hoffte auf gemeinsame Zukunft mit „Brad Pitt“

Bereits im Januar hatte eine 56-Jährige auf einen Lebensabend mit „Brad Pitt“ gehofft. Eine Internetbekanntschaft, mit der eine Eißendorferin über soziale Medien in Kontakt stand, hatte sich als der Weltstar ausgegeben und ihr vorgelogen, dass er mit ihr eine gemeinsame Immobilie kaufen wolle, um dort mit der 56-Jährigen zu leben. Die Frau glaubte das und überwies dem Mann 80.000 Euro.

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Die Täter bringen ihre Opfer in einen Ausnahmezustand. In Sachen Liebe wirkt das über Wochen und Monate. Andere Betrugsvarianten, die die Polizei unter dem Oberbegriff „Miese Masche“ führt, versetzen die Opfer nur in eine temporäre Ausnahmesituation, die man schon als „Schockzustand“ bezeichnen kann.

Enkeltrick versetzt Opfer in temporären Schockzustand

Wie etwa der Enkeltrick, mit dem Menschen dazu gebracht wurden, einem vermeintlich in Not geratenen Verwandten, der schnell Geld für die Reparatur eines Autos oder für einen lukrativen Wohnungskauf braucht, eine höhere Summe zu geben.

In anderen Fällen wird vorgegaukelt, dass das Opfer auf der Liste einer Einbrecherbande stehen würde und im Haus aufbewahrte Wertsachen in Gefahr seien, die dann einem angeblichen Polizisten übergeben werden sollen, der sie in Sicherheit bringt. Vor allem ältere Menschen werden bei diesen Taten gezielt als Opfer ausgesucht.

Polizei Hamburg warnt vor Schockanrufen

Besonders schlimm sind die Schockanrufe, bei denen den Opfern suggeriert wird, dass ein naher Verwandter, oft der Enkel oder die Enkelin, einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe und eine Haft nur durch die schnelle Zahlung einer hohen Summe abgewendet werden könne.

Dabei lassen die Täter dann sogar Komplizen am Telefon weinerlich jammern, um so den psychischen Druck auf das Opfer zu erhöhen.