Hamburg. Ben Mirgel war Tierpfleger bei Hagenbeck und ist jetzt Safari-Guide in Afrika. Warum ihm seine Ausbildung im Zoo das Leben rettete.
Wenn Ben Mirgel über Afrika und die Wildnis spricht, ist dieses Feuer in seinen Augen zu erkennen. Dieser Funke, der sich bei Menschen immer dann zeigt, wenn sie über ein Thema sprechen, das sie aus tiefstem Herzen begeistert. „Ich würde mein Leben für den Artenschutz geben. Das ist meine Bestimmung. Wenn ich dafür sterbe, ist das der Preis, den ich zahlen muss“, sagt der 25-Jährige.
Sein Blick wirkt entschlossen. Er meint die Worte so, wie er sie gesagt hat. Der Hamburger arbeitet mehrere Monate im Jahr als Safari-Guide in Afrika und dreht Naturfilme. „Ich habe schon viele brenzlige Situationen erlebt“, erzählt er.
Von Hagenbeck nach Afrika: Hamburger arbeitet als Safari-Guide
Zum Beispiel, als er ein Camp im Okavango Delta in Botswana geleitet hat. Mirgel ging gerade im Dunkeln zurück zu seinem Zelt, als er ein schweres Schnaufen hörte und den warmen Atem eines Tieres an seinem nackten Bein spürte. Direkt vor ihm lag ein Büffel. Isoliert von dem Rest der Herde und deswegen besonders gefährlich.
Büffel töten jährlich bis zu 200 Menschen. „Ich bin ruhig geblieben. Die Entscheidung lag nicht mehr bei mir, ob ich diesen Tag überleben werde oder nicht“, sagt Mirgel. Einige Sekunden verharrte er, dann ging er langsam an dem Büffel vorbei. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass mir nichts passiert. Ich habe mich dann in meinem Zelt schlafen gelegt.“
Safari-Guide aus Hamburg: Sein Vorbild ist Steve Irwin
Schon als kleines Kind war Mirgel fasziniert von Tieren. Er ist in Hamburg geboren und in Sasel aufgewachsen. Hinter seinem Elternhaus floss die Saselbek. „Da habe ich stundenlang mit meinem Bruder nach Fröschen gesucht“, erinnert er sich. Als Mirgel vier Jahre alt war, nahm sein Vater einen Job in Miami an. Vier Jahre lang lebte er mit seiner Familie in Florida. Schlangen und Alligatoren im Garten waren fortan so normal für ihn wie in Deutschland Maulwürfe und Rotkehlchen.
In dieser Zeit wurde auch der australische Dokumentarfilmer Steve Irwin mit seiner Fernsehserie „The Crocodile Hunter“ weltberühmt. Immer wieder filmte sich der Naturschützer mit den gefährlichsten Tieren der Welt und erreichte damit ein Millionenpublikum – und den kleinen Ben, der schwer beeindruckt vor dem Fernseher saß. „Wir haben denselben Knacks“, sagt er heute und lacht. „Wir sind alle irgendwie nicht ganz dicht.“
Tierpark Hagenbeck: Ben Mirgel absolvierte Ausbildung in Hamburg
Mit nur 44 Jahren starb Steve Irwin. Bei Unterwasseraufnahmen am Great Barrier Reef endete ein Stich von einem Stachelrochen in sein Herz tödlich. „Natürlich ist die Möglichkeit gegeben, dass mir auch etwas passiert“, sagt Mirgel angesprochen auf den Tod von Irwin. „Aber ich habe keine Angst mehr.“
Auch nicht, als in Botswana ein 200 Kilogramm schwerer Löwe in drei Meter Entfernung vor ihm stand. „In diesem Moment ist die Welt stehen geblieben und Ruhe in mir eingekehrt“, erzählt Mirgel. Seine Safari-Gäste hatte er im sicheren Küchenzelt untergebracht. Es gab nur noch ihn und den Löwen. Und der entschied sich, einfach an ihm vorbeizumarschieren. „Der wollte nicht jagen. Er wollte nur durch das Camp laufen.“
Bevor Mirgel im afrikanischen Busch landete, ließ er sich bei Hagenbeck zum Zootierpfleger ausbilden. Er durchlief alle Reviere, trainierte, fütterte und versorgte Eisbären, Tiger und Walrosse. Den Krokodilen im Tropen-Aquarium brachte er gemeinsam mit seinen Kollegen bei, auf ihre Namen zu hören. „So konnten wir Pfleger sie viel stressfreier in eine andere Ecke locken, wenn wir das Gehege reinigen wollten“, erklärt er. Ein halbes Jahr arbeitete er zudem intensiv mit Elefanten zusammen. Schon damals lernte Mirgel, die Körpersprache der Dickhäuter zu lesen. „Das hat mir in Afrika sehr weitergeholfen.“
Prüfungen zum Ranger in Afrika sind anspruchsvoll
Trotzdem war die Arbeit bei Hagenbeck nicht das, was Mirgel wirklich wollte. Er träumte von der Wildnis. Filme wie Steve Irwin zu drehen. „Doch zu diesem Zeitpunkt habe ich das noch für utopisch gehalten“, sagt er. Also schlug er einen konventionelleren Weg ein, bewarb sich bei der Polizei und bestand den Aufnahmetest. Aber das Schicksal hatte einen anderen Plan.
Kurze Zeit später sortierte ihn der Polizeiarzt wegen einer Fehlstellung seiner Kniescheibe aus. „Scheiße“, dachte er damals. Am Ende brachte ihn der Rückschlag aber genau dorthin, wo er jetzt ist: nach Afrika. „Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Also konnte ich einfach meiner Bestimmung nachgehen.“
2021 absolvierte der Hamburger in Südafrika und Botswana die Ausbildung zum Field- und Trails-Guide. Er hat damit sowohl die Erlaubnis, Gäste mit dem Jeep als auch zu Fuß durch den Busch zu führen. „Ich war davor noch nie auf Safari. Aber ich wusste ab der ersten Sekunde: Das ist es“, sagt Mirgel. Die Prüfungen zum Ranger sind anspruchsvoll. Die Studenten müssen sämtliche Vogelarten anhand ihrer Rufe erkennen und Wildtiere anhand ihrer Spuren im Sand und ihres Kots aufspüren.
Safari-Guide muss innerhalb von Sekunden reagieren und schießen
Ranger müssen außerdem in der Lage sein, während Buschspaziergängen blitzschnell mit ihren Waffen zu schießen. Wenn ein Löwe mit bis zu 80 Kilometern pro Stunde auf den Safari-Guide zurennt, bleiben ihm höchstens Sekunden, um einen punktgenauen Schuss abzugeben. „Ziel ist es aber, niemals ein Tier töten zu müssen“, sagt Mirgel. Bisher musste er noch nicht einmal einen Warnschuss abgeben.
Der gebürtige Hamburger lebt in seiner Heimatstadt, wird aber alle paar Wochen von Urlaubern als privater Guide für Safaris in Afrika gebucht. „Ich kann nicht lange ohne Natur sein, ich gehöre in die Wildnis“, sagt er. Mirgels tiefer Wunsch ist es, seinen Gästen so besondere Begegnungen mit den Tieren zu schenken, dass sie allesamt als Artenschützer nach Hause zurückkehren. „Safaris sind pure Magie. Sie schaffen Klarheit, was im Leben wirklich wichtig ist“, sagt Mirgel. Die Zeit in Afrika verändere Menschen. Erde sie und zeige ihnen, wie es ist, sich lebendig zu fühlen. „Wir gehören nicht in Büroräume“, meint er.
Mirgel will Geschichten über Artenschutz ins Fernsehen bringen
Menschen, die es sich nicht leisten können, nach Afrika zu reisen, oder einfach nur Sehnsucht haben, möchte er mit seinen Dokumentarfilmen vor den Bildschirmen begeistern. Seinen etwas mehr als 12.000 Followern bei Instagram erklärt Mirgel in kurzen Videos interessante Fakten – wie zum Beispiel, dass Schlangen über die Zunge riechen oder Menschen die Wurzeln von Seerosen essen können. Dafür steigt er auch schon mal in einen Fluss, in dem jeden Moment Krokodile und Nilpferde aus dem Dickicht auftauchen könnten.
Sein Ziel ist es, Geschichten über den Artenschutz im Fernsehen zu erzählen – nicht auf eine belehrende, sondern eine unterhaltsame Art und Weise. Ähnlich wie es Mirgels Vorbild Steve Irwin einst gemacht hatte. „Wir wollen die Menschen aufklären und begeistern. Wenn du dich für etwas begeisterst, dann wirst du es schützen“, ist Mirgel überzeugt. Für seine Idee sucht er derzeit einen Fernsehsender.
Tierpark Hagenbeck in Hamburg: Ausbildung rettete Ben Mirgel das Leben
Mirgels Weg führte ihn vom Tierpark Hagenbeck in den afrikanischen Busch. Der Hamburger wird häufig gefragt, wie er Zoos inzwischen gegenübersteht. Ob er es noch ertragen könne, Tiere eingesperrt zu sehen, wenn er doch wisse, wie sie in der freien Natur lebten. „Zoos sind ein komplexes Thema, da gibt es aus meiner Sicht kein Schwarz-Weiß-Denken“, sagt er. Bis zu 150 Pflanzen- und Tierarten würden jeden Tag aussterben. Zoos können durchaus eine wichtige Rolle im Artenschutz spielen und einen bedeutenden Einfluss auf Kinder haben, meint Mirgel. Vorausgesetzt, der Zoo werde vernünftig geführt.
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Seine Zeit bei Hagenbeck hat ihm rückblickend betrachtet jedenfalls das Leben gerettet, davon ist der junge Safari-Guide überzeugt. Bei einer Buschwanderung in Afrika wäre er versehentlich fast auf eine giftige Puffotter getreten. Sie ist für die meisten gefährlichen Schlangenbisse auf dem Kontinent verantwortlich.
Weil es kein Antiserum in der Nähe gab, hätte ein Biss vermutlich Mirgels Ende bedeutet. „Durch meine Ausbildung bei Hagenbeck habe ich das Fauchen der Puffotter aber erkannt.“ In letzter Sekunde, kurz bevor er auf die Schlange im dichten Gras getreten wäre, zog er seinen Fuß zurück und nahm Abstand. „Danach musste ich dann doch mal kurz verschnaufen.“