Hamburg. In Niendorf mehren sich unzufriedene Stimmen über das Verhalten von Obdachlosen. So schätzt die Polizei die Lage vor Europameisterschaft ein.

Von einem großen beleuchteten Bildschirm an der Wand lächelt Uwe Seeler. „Er war mit seiner Frau Ilka oft zu Gast“, sagt der HSV-Fan Daljit Multani. Er betreibt seit 2013 die Kleine Fischerstube auf dem Tibarg. „Uwe hat hier immer gern Currysuppe und deutsche Hausmannskost gegessen, aber er mochte keinen Fisch“, sagt der Gastronom.

Zu Uwes Lebzeiten sei noch alles gut gewesen auf der beliebten Einkaufsstraße in Hamburg-Niendorf, sagt Multani. In letzter Zeit aber habe er schon manchmal zum Schutz seiner Gäste auf der Terrasse eingreifen müssen. „Hier wurden schon öfter Gäste angebettelt. Ich habe die Bettler weggejagt.“ Solche Situationen habe es früher nicht gegeben. Mit früher meint er die Zeit, als noch keine Obdachlosen und Trinker auf den Bänken in der Fußgängerzone und am Busbahnhof saßen.

Obdachlose in Hamburg-Niendorf: Gastronom schildert „eklige Dinge“

Er sieht einen Zusammenhang mit der Eröffnung der Obdachlosenunterkunft am Garstedter Weg 79-85 im April und der geplanten Unterkunft am Garstedter Weg 20, die Ende Juni in Betrieb gehen soll. Sein Verständnis für die Obdachlosen, die sich auf dem Tibarg aufhalten, hält sich in Grenzen.

HSV-Fan Daljit Multani hat Uwe Seeler in der Kleinen Fischerstube in Hamburg-Niendorf ein kleines Denkmal gesetzt. Auf einem Bildschirm im Gastraum strahlt Uwe Seeler neben Tüaka und Daljit Multani.
HSV-Fan Daljit Multani hat Uwe Seeler in der Kleinen Fischerstube in Hamburg-Niendorf ein kleines Denkmal gesetzt. Auf einem Bildschirm im Gastraum strahlt Uwe Seeler neben Tüaka und Daljit Multani. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Denn auch eklige Dinge passierten jetzt, sagt der Wirt. Dass Männer an sein Lokal urinieren, habe er schon selbst mitangesehen. Und kürzlich habe jemand sein „großes Geschäft“ direkt vor seiner Tür gemacht.

Gastronom in Hamburg-Niendorf: „Wenn mehr geklaut wird, haben die Gäste Angst“

Multani will daher die kleine Seitengasse, in der sein Lokal liegt, künftig nachts mit einem Tor sichern. Seine Vermieterin unterstützt die Pläne. Seine Tische und Stühle muss er dank des Tors dann auch künftig nicht aneinanderketten. Laut des Wirts der Kleinen Fischerstube werde auch mehr geklaut: „Einem Kollegen auf dem Tibarg wurden während der Anlieferung zwei Kisten Bier geklaut.“

Und auch seine Stammkunden seien gefährdet: Kürzlich habe er einen Mann gestellt, der eben diese beraubt hatte, sagt Multani. „Er hatte sie um Kleingeld gebeten, weil er das zum Parken brauche.“ Doch der Mann hatte es demnach nicht auf Kleingeld abgesehen, sondern auf die Scheine im Portemonnaie. „Ich bin hinterher und habe es zurückgeholt. Der Mann ist dann abgehauen.“

Er beobachte, dass vor allem seine älteren Stammgäste inzwischen verunsichert seien. „Wenn mehr geklaut wird, haben sie Angst.“

Obdachlose: Gastronom in Niendorf beklagt bereits sinkende Umsätze

Auch ein anderer Gastronom, der seinen Namen nicht veröffentlicht haben möchte, macht derzeit diese Erfahrung. Er hat sein Restaurant erst vor ein paar Monaten eröffnet und sagt, dass er persönlich mit den Obdachlosen und „Alkis“ am Tibarg noch keinen Stress gehabt habe.

„Aber unter meinen Gästen sind viele Rentner. Die haben inzwischen Angst, abends rauszugehen“, sagt er. „Das merke ich schon sehr deutlich an den Umsätzen. Anfangs waren die sehr stabil, aber sind nun schon gesunken.“ Dafür müsse er sich bereits in der Zentrale des Unternehmens rechtfertigen.

Auf dem Tibarg in Hamburg-Niendorf gibt es inzwischen viel Außengastronomie.
Auf dem Tibarg in Hamburg-Niendorf gibt es inzwischen viel Außengastronomie. © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Von den Obdachlosenunterkünften in Niendorf sei er nicht begeistert, sagt der Wirt. Vor allem die neue Einrichtung in der Fett‘schen Villa am Garstedter Weg 20, die Ende Juni eröffnen soll, findet er problematisch. „Man weiß ja nicht, welches Publikum da kommt. Aber weil die Europameisterschaft kommt, soll Hamburg sauber aussehen – deshalb müssen die Obdachlosen am Hauptbahnhof weg.“

Geschäftsmann beklagt, vor allem nachts gebe es viele Betrunkene

Tarik Cosgun hat vor eineinhalb Jahren ein Juweliergeschäft auf dem Tibarg eröffnet. Er hat vorher in Harburg gearbeitet und habe sich für seine Selbstständigkeit bewusst für den Stadtteil Niendorf entschieden. „Tagsüber ist es immer noch okay hier, aber wenn ich erst nach 22 Uhr hier rausgehe, sehe ich viele besoffene Leute, die hier herumgrölen – auch jüngere.“ Manchmal kämen tagsüber Menschen auch zum Betteln in seinen Laden. „Es wird hier zunehmend schlechter.“

Matthias Fick, Leiter Prävention und Verkehr auf dem nahegelegenen Polizeikommissariat 24 am Garstedter Weg, sagt, es gebe keine Belege für mehr Kriminalität auf dem Tibarg. Es gebe dort eine Obdachlosen- und Trinkerszene, das seien maximal zehn Leute. Die Zusammensetzung wechsle immer mal, und es gebe auch welche, die auffallen. „Es gibt einzelne Störungen, und wir rufen die Beteiligten dann zur Ordnung“, sagt Fick.

Vor allem jene, die sich schon länger in Niendorf aufhalten, versuchten, nicht negativ aufzufallen. Aber längst nicht alle Vorfälle werden gemeldet, mutmaßt der Beamte.

Polizist in Niendorf kann keine große Veränderung feststellen

Die Obdachlosenunterkunft am Garstedter Weg 79-85 laufe ruhig, dort habe es noch keine Einsätze gegeben. Beim Polizeieinsatz Anfang Mai vor der Einrichtung, als eine betrunkene aggressive Frau auf ein Auto uriniert und es zudem beschädigt hatte, habe es sich nicht um eine Bewohnerin gehandelt.

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Fick kann bislang keine große Veränderung der polizeilichen Lage feststellen. „Ich kann mir aber vorstellen, dass es eine gewisse Verdrängung aus der Innenstadt heraus gibt. Uns fehlen da noch Zahlen. Aber auch für Obdachlose gilt: Es ist ein freies Land. Wir können da nicht viel machen.“

Obdachlose und Suchtkranke: Der Sozialbehörde ist die Gruppe bekannt

Bei der Sozialbehörde kennt man das Thema bereits. „Bei der angesprochenen Personengruppe handelt es sich um eine heterogene Gruppe, bestehend aus obdachlosen Personen wie auch aus suchterkrankten Personen, die in einer eigenen Wohnung leben. Die Personen wurden von Visite Sozial, der Straßensozialarbeit von F&W, aufgesucht. Es besteht Kontakt und es wurden bereits Hilfsangebote unterbreitet“, sagt Behördensprecher Wolfgang Arnhold.

Auch die soziale Beratungsstelle Eimsbüttel sei informiert. „Seitens der Kolleginnen und Kollegen dort wurde ausdrücklich geäußert, dass sich auch Anwohner und Anwohnerinnen bei der Beratungsstelle melden können, sofern obdachlose Personen auffallen. Die Straßensozialarbeiter der Beratungsstelle würden die Personen dann ebenfalls in Niendorf aufsuchen. Ebenfalls stehen die Notübernachtungsstätten für Frauen und für Männer jederzeit zur Verfügung“, so Arnhold. Die Inbetriebnahme und Belegung der Fett‘schen Villa sei weiterhin für die letzte Juniwoche geplant.