Hamburg. Altbau an der Grindelallee wird seit Jahren saniert. Was die Hamburger bald zu sehen bekommen und welche Berühmtheit dort lebte.

Wohl jeder, der in Hamburg lebt, ist schon häufig an dem auffälligen Altbau an der Grindelallee/Ecke An der Verbindungsbahn in Rotherbaum vorbeigekommen. Dort, wo die australische Kneipe Down Under im Souterrain ihre Räume hat.

Bekannt ist das Haus auch für einen frauenfeindlichen Werbespruch, der dort 26 Jahre lang an der Hauswand prangte. Nicht nur der altmodische Werbespruch ist verschwunden: Die neuen Eigentümer machen das Gebäude unter dem Projektnamen „Grindel One“ gerade fit für die kommenden Jahrzehnte.

Immobilien Hamburg: Gründerzeithaus am Grindel seit Jahren hinter Gerüst

Bereits im dritten Jahr steht das mächtige Haus hinter Planen und einem Gerüst versteckt. Das mag lästig sein für die Mieter, ist aber unabdingbar. Denn die drei Fassadenteile des Gründerzeithauses, das um 1872 erbaut wurde, bröckelt. „Wir mussten sofort handeln und haben das Gerüst aufstellen und einen Fußgängertunnel errichten lassen“, sagt Architektin Julia Elmenhorst. „Es waren bereits kleine Elemente heruntergekommen.“ Das war vor zwei Jahren – und die Fassadenarbeiten dauern immer noch an.

Kennt wohl jeder Hamburger: Das Eckhaus Grindelallee/An der Verbindungsbahn wird aufwendig saniert. Noch in diesem Jahr soll das Gerüst verschwinden.
Kennt wohl jeder Hamburger: Das Eckhaus Grindelallee/An der Verbindungsbahn wird aufwendig saniert. Noch in diesem Jahr soll das Gerüst verschwinden. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Gemeinsam mit Eigentümerin Anna Bruhn und der Hausverwalterin Mariam Taufiqui kümmert sich Julia Elmenhorst um den Fortbestand dieses alten Gebäudes. Ihr Ziel: „Wir wollen dieses Gründerzeithaus mitnehmen in die moderne Zeit“, sagt Bruhn.

2018 hatte eine private Investorengruppe um Anna Bruhn aus Harvestehude das denkmalgeschützte Haus gekauft und eine siebenstellige Summe investiert – nun liegt alles in den Händen der drei Frauen. „Auf unserer Baustelle ist auch eine Vorarbeiterin, die hat die Männer gut im Griff“, sagt Elmenhorst. Dennoch – auf dem Bau wird viel mit Männern zusammengearbeitet. „Das ist mein Alltag. Und ich empfinde das in der Regel als positiv.“

Hamburg-Rotherbaum: Immobilie am Grindel mit Ornamenten verziert

Begeistert sind die drei Frauen davon, wie gut die Fassadensanierung des sechsstöckigen Hauses vorankommt. Gab es am Anfang einige Verzögerungen, weil Handwerker fehlten, habe sich das inzwischen komplett geändert: „Wir bekommen mittlerweile auch spontan Handwerker“, sagt Elmenhorst.

Oben, hinter der Plane, ist bereits die neue Fassade des Gründerzeithauses in Rotherbaum zu sehen: beige statt braun wird sie sein.
Oben, hinter der Plane, ist bereits die neue Fassade des Gründerzeithauses in Rotherbaum zu sehen: beige statt braun wird sie sein. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Sie nimmt die Abendblatt-Reporter mit auf das Gerüst und präsentiert den Fortschritt der Arbeiten und die beeindruckenden Ornamente hoch oben. „Typisch für ein Gebäude aus der Gründerzeit waren die reich geschmückten Fassaden. Bei der Gestaltung setzten Architekten und Künstler vorzugsweise auf Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte“, sagt sie. Lange Zeit war von diesem Glanz der Gründerjahre nichts mehr zu sehen.

Grindel: Gründerzeithaus wird saniert – in Abstimmung mit Denkmalschutzamt

„Die Ornamente bleiben in einem Farbton – die sind so stark und sprechen für sich. Die müssen wir farblich nicht von der Fassade hervorheben.“ Wenn ein solch altes Haus nach Jahren des Sanierungsstaus wieder instand gesetzt wird, bleiben Überraschungen nicht aus.

Als Restaurator Norbert Kirchhoff die Fassade zu Beginn der Arbeiten genau untersuchte, stellte er die Originalfarbe des ehemals braunen Hauses fest. Und die ist wie die Fachleute sagen „putzsichtig“. Bedeutet: „Die Fassade hatte ursprünglich keinen Anstrich, sondern war im Natursteinton gehalten“, sagt Julia Elmenhorst. „Das sollte damals hochwertiger wirken.“

Alle Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt. Die Zusammenarbeit, sagen die drei Frauen, klappe gut – was nicht immer selbstverständlich ist, wie andere Beispiele aus Hamburg zeigen.

Grindel: Lange Zeit war das Haus braun – bald wird es viel heller erstrahlen

Wenn also das Gerüst voraussichtlich noch in diesem Jahr abgebaut wird, können die Hamburger das Gebäude in seinem Originalton erleben: in einem hellen Sandton. Dort oben auf dem Gerüst ist das schon gut zu erkennen.

Es bleibt jedoch nicht bei den Fassadenarbeiten, auch das Dach des Hauses, das einen Fernwärmeanschluss bekommt, ist undicht und muss saniert werden. Zudem schaffen die drei Frauen Wohnraum im Dachgeschoss: Dort entsteht eine Mietwohnung sowie zwei weitere Gewerbeflächen. Eine Änderung wird es auch im ersten Stock – der Beletage – geben, in der bis vor Kurzem ein alleinstehender Herr gewohnt hat, der nun verstorben ist. Die 60 Quadratmeter große Wohnung wird bald das Büro des Inneneinrichters „Badly bitten“ aus dem Hanseviertel sein.

Grindel: Die Stuckelemente in der Wohnung im ersten Stock des Gründerzeithauses sind gelb vom vielen Nikotin. Nach der Sanierung soll der Stuck matt sein.
Grindel: Die Stuckelemente in der Wohnung im ersten Stock des Gründerzeithauses sind gelb vom vielen Nikotin. Nach der Sanierung soll der Stuck matt sein. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Zum Beispiel muss der imposante Stuck oben an den vier Meter hohen Wänden restauriert werden. Der zeigt sich noch gelb glänzend: „Das Gelb kommt vom Nikotin, der Stuck wurde früher einmal beschichtet und glänzt. So soll es aber nicht sein“, sagt Elmenhorst. Später wird der Stuck wieder matt und schlicht sein. Weitere Gewerbemieter sind unter anderem Rechtsanwälte und eine Influencer-Agentur.

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Immobilien Hamburg: Grindel – Carl von Ossietzky lebte früher in dem Haus

Auf ein Projekt freut sich Architektin Julia Elmenhorst besonders: „Es gab wohl einmal einen alten Ziergiebel – diesen werden wir wieder aufbauen.“ Vielleicht ist der Giebel im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. So genau weiß das niemand, da es keinerlei Aufzeichnungen oder Pläne zu dem Haus gibt. Ansonsten blieb das Haus im Zweiten Weltkrieg offensichtlich verschont.

An der Grindelallee in Hamburg-Rotherbaum lebte früher der Hamburger Pazifist und Journalist Carl von Ossietzky, ehe er am 4. Mai 1938 an den Folgen seiner KZ-Haft starb.
An der Grindelallee in Hamburg-Rotherbaum lebte früher der Hamburger Pazifist und Journalist Carl von Ossietzky, ehe er am 4. Mai 1938 an den Folgen seiner KZ-Haft starb. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Was man weiß, ist allerdings, wer in dem Haus früher einmal gelebt hat: Carl von Ossietzky (3. Oktober 1889 bis 4. Mai 1938). Der Hamburger Journalist, der sich für Frieden, Demokratie und Völkerverständigung einsetzte, starb am 4. Mai 1938 an den Folgen seiner KZ-Haft.

Vor dem Eingang erinnert ein Stolperstein an den ehemaligen Bewohner. Es ist ein Haus mit Geschichte, das die drei Frauen nun für die Zukunft gestalten.