Hamburg. Die Pavillons sind ein Schandfleck, galten aber einst als architektonische Perle Hamburgs. Warum sie einen zweiten Blick verdienen.

  • Die Glaskästen der Pavillons auf der Kieler Straße gelten in Hamburg-Stellingen als Schandfleck
  • Das war aber nicht immer so: In den 1960er-Jahren waren sie ein echter Hingucker
  • Im Zuge der Neugestaltung der Umgegend sollen sie jetzt vollkommen verschwinden

Heute gelten sie als Schandfleck – doch früher waren sie ein echter Hingucker und galten als eine architektonische Perle: die maroden sogenannten Glaskästen an der Kieler Straße in Hamburg-Stellingen. Die Pavillons werden im Zuge der Neugestaltung des Areals an der Ecke zur Volksparkstraße wohl verschwinden. Doch für den Denkmalverein gibt es gute Gründe, warum zumindest ein Teil erhalten bleiben sollte.

Hamburg-Stellingen: Hässliche Glaskästen an Kieler Straße seit Jahren ein Schandfleck

Kurz vor der Autobahnauffahrt Hamburg-Stellingen sind die mit Graffiti besprühten Glaskästen zu sehen. Sie sind heruntergekommen und bilden ein trauriges Bild. Seit Jahren stehen die Pavillons leer und werden vernachlässigt.

So sahen die 1963 erbauten Pavillons an der Kieler Straße zu ihren besten Zeiten aus.
So sahen die 1963 erbauten Pavillons an der Kieler Straße zu ihren besten Zeiten aus. © Christian Spindler | Christian Spindler

Dabei hat der renommierte Hamburger Architekt Werner Kallmorgen dieses frühere Ladenzentrum einmal entworfen. Kallmorgen hat unter anderem auch den Zuschauerraum des Thalia Theaters und den Wiederaufbau der Speicherstadt verantwortet.

Stellingen: Denkmalverein – Teil der Glaskästen in Neubebauung integrieren

Als Geschäftsführerin des Denkmalvereins Hamburg ist es klar, dass Kristina Sassenscheidt architektonisch und städtebaulich wertvolle Gebäude am Herzen liegen – und sie am liebsten auch das Pavillon-Ensemble an der Kieler Straße erhalten würde.

Doch der Abgesang auf die mehr als 60 Jahre alten Bauten hat schon längst begonnen, das ist ihr klar. Hoffnungsvoll bleibt sie trotzdem: „Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, aber es wäre schön, wenn man zumindest einen Teil der Pavillons in die Neubebauung integrieren würde und bei zukünftigen Planungen auch auf städtebauliche Qualitäten der Nachkriegszeit achtet.“ Manche Bauten, so Sassenscheidt, verdienten einfach einen zweiten oder dritten Blick.

Das ehemals elegant anthrazit gestrichene Stahlskelett der beiden Pavillons an der Kieler Straße ist heute dunkelbraun. 
Das ehemals elegant anthrazit gestrichene Stahlskelett der beiden Pavillons an der Kieler Straße ist heute dunkelbraun.  © Christian Spindler | Christian Spindler

Sie macht auf die architektonische Qualität der Pavillons aufmerksam. Auch wenn es heute nur schwer vorstellbar ist, galten die beiden Pavillons einmal als echte Perlen.

Glaskästen-Architekt war renommierter Speicherstadt-Architekt Kallmorgen

In den Nachkriegsjahren bekam Kallmorgen von der städtischen Sprinkenhof AG den Auftrag, dort ein Ladenzentrum zu errichten, schreibt Sabine Kock in einem Beitrag. Die Leiterin des Hamburgischen Architekturarchivs ist Expertin für Nachkriegsarchitektur.

Der renommierte Hamburger Architekt Werner Kallmorgen hatte das frühere Ladenzentrum in Stellingen entworfen.
Der renommierte Hamburger Architekt Werner Kallmorgen hatte das frühere Ladenzentrum in Stellingen entworfen. © Christian Spindler | Christian Spindler

„Kallmorgen entwickelte mit einer klassisch modernen Haltung und einer stringenten, klaren Struktur einen ungewöhnlich anderen Ansatz“, schreibt sie. In Anlehnung an Bauten Mies van der Rohes wählte Kallmorgen für die Gebäude eine sichtbare Stahlkonstruktion mit Ganzglasfassaden.

Stellingen: Alte Bäume gehören zum Ensemble und sollten erhalten bleiben

Heute sind die beiden zweigeschossigen Pavillonbauten verwahrlost, inmitten eines Verkehrsknotenpunkts. „Das ehemals elegant anthrazit gestrichene Stahlskelett ist dunkelbraun, und die Farbe blättert“, so Kock. Von der ursprünglichen Leichtigkeit, der Transparenz und Eleganz des Ensembles ist nichts mehr übrig.

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Dem Raum, so Sabine Kock, wäre eine „sensible Zukunft zu wünschen.“ Aber vom Bezirksamt Eimsbüttel sei der Denkmalwert bereits vor einigen Jahren erörtert und negativ beschieden worden. Laut dem SPD-Fraktionsvorsitzenden in Eimsbüttel, Gabor Gottlieb, sollen die Pavillons abgerissen und in drei bis fünf Jahren durch Wohnungen und Gewerbe ersetzt werden.

Historische Aufnahmen der sogenannten Glaskästen an der Kieler Straße in Stellingen.
Historische Aufnahmen der sogenannten Glaskästen an der Kieler Straße in Stellingen. © Christian Spindler | Christian Spindler

Kristina Sassenscheidt wünscht sich, dass zumindest die großen alten Bäume, die zu dem Ensemble gehören, bleiben können. Die alten Bäume wurden damals geschickt in Stufen und Rampen eingebunden. Ihr Vorschlag: „Die dreieckige Platzfläche an der Ecke Kieler Straße/Volksparkstraße könnte als aufgelockerter Freiraum erhalten werden und mit den Bestandsbäumen seine gerade in Zeiten des Klimawandels wichtige mikroklimatische Funktion behalten.“