Hamburg. Der Hamburger darf seinen Sohn und seine Tochter nicht sehen. Es sei ein „unbegreiflicher Schmerz“. Wie er mit der Trennung umgeht.

Thomas Prantner vermisst seine Kinder, jeden Tag. „Ich denke immer an sie, jede Minute“, sagt der Hamburger Unternehmer – und aus seinem Munde klingt das überhaupt nicht theatralisch, sondern einfach nur traurig. Gesehen hat er sie nun mittlerweile seit etwa fünf Jahren nicht mehr. Dabei wohnt er hier im Stadtteil Harvestehude nur wenige Kilometer von ihnen entfernt.

Der 54-Jährige ist einer der Väter, die von einer Eltern-Kind-Entfremdung betroffen sind, wie Experten es bezeichnen. Kurz gesagt: Prantner darf seit rund 1800 Tagen seinen Sohn und seine Tochter nicht in den Arm nehmen, nicht mit ihnen sprechen, nicht einmal SMS oder WhatsApp mit ihnen austauschen. „Das ist eine Art von Folter, sicherlich“, sagt er.

Sorgerechtsstreit in Hamburg: Kinder vor 5 Jahren zuletzt umarmt – Vater erlebt „Folter“

Angefangen hat alles ganz klassisch, wie Prantner berichtet. Der Unternehmer, der in der Hotelbranche aktiv ist, trennte sich vor rund zehn Jahren von seiner Lebensgefährtin, als die beiden Kinder noch ziemlich klein waren. „Erst schien alles ganz normal zu laufen, wir hatten das gemeinsame Sorgerecht. Die Kinder waren jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien bei mir.“

Doch dann lernte seine Ex-Freundin einen neuen Mann kennen – und bekam ein weiteres Kind. „Hier begann für meine beiden Kinder bereits der Loyalitätskonflikt“, so Prantner. Sie lebten in der neuen Familie, hatten außerhalb aber noch ihren Vater. „Stück für Stück wurde dann der Kontakt erschwert“, so Prantner weiter. Einmal war es zu stressig, ein anderes Mal hatte seine Tochter angeblich keine Lust. Und wieder ein anderes Mal fühlte sich eines der Kinder nicht gut.

Sorgerechtsstreit: Vater und Kinder vor Jahren zuletzt gemeinsam im Urlaub

„Was hier abgelaufen ist, ist die sogenannte Eltern-Kind-Entfremdung wie aus dem Lehrbuch“, sagt der Hamburger, der sich seitdem viel mit diesem Thema beschäftigt hat. Prantner kämpfte. Immer wieder forderte er die Zeit mit seinen Kindern ein, versuchte, sich auch gerichtlich zu seinem Recht zu verhelfen.

„Aber nach der derzeitigen Rechtsprechung ist man relativ machtlos. Denn irgendwann sagen natürlich die Kinder – nachdem sie lange genug bearbeitet und manipuliert wurden –, dass sie nicht mehr zu ihrem Vater wollen. Das ist aber doch kein Wunder“, so Prantner.

Der letzte gemeinsame Urlaub liegt ziemlich genau fünf Jahre zurück. Über Silvester war Prantner mit seinen beiden Kindern, seinen Eltern und anderen Familienmitgliedern in seiner zweiten Heimat in Südtirol. „Wir hatten eine sagenhafte Zeit, alles war wunderbar.“ Doch direkt danach brach plötzlich die Tochter den Kontakt ab, kam nicht mehr zu den gemeinsamen Treffen.

Hamburger Vater wird an jeder Ecke an seine Kinder erinnert

Sein Sohn hielt Kontakt, fuhr auch noch ein weiteres Mal mit seinem Vater in den Urlaub. Allerdings war die allgemeine Stimmung zu dieser Zeit schon deutlich getrübt. „Als er aus diesem Urlaub zurückkam, hat er mir noch eine SMS geschrieben, dass er zu mir wolle“, berichtet Prantner. Am nächsten Tag war das Handy aus – seitdem ist sein Sohn nicht mehr für ihn zu erreichen.

Für Prantner ist die Welt seit diesem Tag eine andere. An jeder Ecke wird er an seine Kinder erinnert, schließlich wohnen sie nicht weit weg. Immer wieder muss er sich zwingen, nicht doch einmal an ihrem Haus vorbeizufahren. Oder an der Schule. „Ich habe es bis heute nicht einmal gemacht“, sagt er. „Ich darf sie nicht auch noch bedrängen und unter Druck setzen.“ Hierbei gehe es in erster Linie um das Wohl der Kinder, nicht um seines.

Vater: „Es ist ein unbegreiflicher Schmerz – jeden Tag, jede Minute“

Schlecht sei es ihm gegangen, nach dem endgültigen Kontaktabbruch, sehr schlecht. „Den Zustand kann man nur schwer in Worte fassen, aber es ist ein unbegreiflicher Schmerz, der einen heimsucht. Jeden Tag, jede Minute.“ Aufhören würde der Schmerz nie, man gewöhne sich vielleicht höchstens dran.

Prantner schreibt seinen Kindern seitdem regelmäßig Briefe und Karten. „Ich berichte, was ich mache, wo ich bin. Ich sage ihnen, dass ich sie vermisse und wie lieb ich sie habe. Und dass ich stolz auf sie bin“, so der Vater. Mehr nicht. Keine Fragen, warum sie sich nicht melden. Keine Vorwürfe. „Sie sind doch absolut unschuldig und gestraft genug.“ Er möchte sie aber an seinem Leben teilhaben lassen, minimalen Kontakt zu ihnen halten.

Sorgerechtsstreit: Vater schreibt regelmäßig Briefe an seine Kinder

Dabei weiß er nicht einmal, ob die Karten und Briefe überhaupt bei ihnen ankommen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass meine Ex-Freundin sie in den Müll wirft oder ihnen die Post zumindest nicht zeigt“, sagt er. Dennoch werde er weiter von überall Briefe und Karten schreiben.

Außerdem hat der Unternehmer ein Buch geschrieben. In „Briefe für meine Kinder“ verarbeitet er die Trennung von seinem Sohn und seiner Tochter in fiktiven Briefen. In dem Werk, das er zusammen mit dem Journalisten Andreas Wrede verfasst hat, sind auch Briefe an die Kindermutter enthalten. Briefe von guten Freunden an die Mutter oder solche von den Großeltern an ihre Enkel. „Ich wollte die verschiedenen Perspektiven aufzeigen“, so Prantner.

Sein Buch ist für den Vater eine Art Kontaktaufnahme zu seinen Kindern

Das Buch ist für ihn eine Möglichkeit, den Trennungsschmerz zu verarbeiten. Es ist aber auch eine andere Art der Kontaktaufnahme zu seinen Kindern. „Ich hoffe, dass sie die Zeilen irgendwann lesen können. Dass sie auch vielleicht durch die Berichterstattung etwas davon mitbekommen, wie sehr ich versuche, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.“

Selbst wenn sie das Buch erst später sehen und lesen: „Dann können sie zumindest sehen, dass es immer verschiedene Perspektiven auf einen Vorgang gibt.“ Auch deshalb würde er in der Öffentlichkeit kein schlechtes Wort über seine Ex-Partnerin oder die Kinder verlieren. „Eine Abrechnung soll es auf keinen Fall sein.“

Sorgerechtsstreit: Vater will Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren

Das Buch ist aber auch Prantners Weg, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. „Ich möchte, dass sich etwas ändert bei dem Thema Eltern-Kind-Entfremdung.“ Er wolle erreichen, dass endlich mehr darüber gesprochen wird. Dass die Jugendämter wachsamer werden. Und irgendwann auch die Gerichte vielleicht anders entscheiden.

Der Sorgerechtsstreit der Familie Block, den Prantner genau verfolgt, würde seiner Meinung nach auch dazu beitragen. „Diese Öffentlichkeit sorgt zumindest dafür, dass das Thema Sorgerechtsstreit mehr diskutiert wird.“ Das sei wichtig und längst überfällig.

Hamburger Vater verlor nach dem Erscheinen seines Buches das Sorgerecht

Dennoch hat das Buch erst einmal vor allem negative Auswirkungen für den Unternehmer. „Das Gericht hat mir nun sogar das Sorgerecht entzogen“, so Prantner. Kurz vor Weihnachten kam der Brief. „Die Begründung ist, dass ich mit meinem Buch die Kinder in die Öffentlichkeit gezogen habe.“ Dabei stünde nirgends der Name der beiden, nirgends ein schlechtes Wort.

Mit dieser traurigen Konsequenz werde er nun leben müssen. „Ich habe nicht einmal mehr rechtlich die Chance, mich zu wehren – alle Möglichkeiten sind ausgeschöpft.“ Prantner versteht die Welt nicht mehr, die Rechtsprechung nicht mehr. „Ich habe mir, meinen Kindern und meiner Familie gegenüber nie etwas zuschulden kommen lassen – warum werde ich so hart bestraft?“

Eltern-Kind-Entfremdung – auch Großeltern haben Enkel seit Jahren nicht gesehen

Und nicht nur das. Prantner: „Eine solche Entfremdung zieht ja viel weitere Kreise“. Seine Eltern beispielsweise hätten ihre Enkel auch seit Jahren nicht gesehen. „Und die haben ja rein alterstechnisch nicht mehr viel Zeit“, sagt er. Durch diese Kontaktsperre würden also viel mehr Menschen leiden als nur die betroffenen Eltern und Kinder.

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Dennoch, er habe vor einiger Zeit für sich entschieden, dass er lernen müsse, mit dem Verlust umzugehen. „Ich muss weiterleben, mein Leben gestalten – und auch versuchen, es zu genießen.“ Er habe schließlich auch selbst nur dieses eine Leben.

Und das rate er auch anderen betroffenen Eltern. „Ich möchte stark bleiben – für den Tag, an dem ich wieder Kontakt zu meinen Kindern habe.“ Denn Prantner ist sich sicher: Dieser Tag wird kommen. Auch wenn er heute noch nicht weiß, wann dieser Tag sein wird. Dann wolle er als glücklicher und starker Vater vor ihnen stehen. „Daran arbeite ich jetzt jeden Tag.“