Thomas Prantner hat seine Kinder seit vier Jahren nicht gesehen. Die Mutter verweigert den Kontakt – trotz gemeinsamen Sorgerechts.

Thomas Prantner und die Mutter seiner Kinder sind getrennt. Sie lebt wie er in Hamburg – nicht weit entfernt von seiner Wohnung – mit seinem Sohn (13) und seiner Tochter (11) sowie einem weiteren, jüngeren Kind. Seit vier Jahren hat er die beiden nicht gesehen, obwohl die Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben. Vielen Vätern und Müttern in Deutschland geht es ähnlich wie ihm. Sie müssen wie Prantner gerichtlich vorgehen, weil der andere Elternteil nicht kooperiert. Gutachten werden erstellt, Jugendämter schalten sich ein, Anwälte streiten. Der 53-Jährige versucht trotzdem immer wieder, den Kontakt zu den Kindern herzustellen. Da ihm dies bisher nicht gelungen ist, schrieb er ein Buch mit dem Titel: „Briefe für meine Kinder“, er hofft, dass sie es irgendwann selbst lesen werden. Der Unternehmer wagt sich nun an die Öffentlichkeit, um auf gewollte Entfremdung von Kindern durch Elternteile aufmerksam zu machen. Wie sich seine Situation darstellt als aufs Abstellgleis geschobener Vater, schildert er im Interview.

Herr Prantner, haben Sie momentan Kontakt zu Ihren Kindern?

Nein, jegliche Kommunikation wird verweigert, und das schon seit Jahren, mittlerweile leider auch von den Kindern. Aktuell weiß ich nichts von ihnen. Ich fahre auch nicht zu ihnen nach Hause oder warte vor der Schule, so was mache ich nicht. Denn die Kinder sind ja schon unter Druck und geraten dann in einen Loyalitätskonflikt. Wenn Zeugnisse anstehen, bitte ich per E-Mail darum, sie mir zu schicken, die bekomme ich. An die Kinder schreibe ich oft Postkarten von meinen Reisen, weiß aber nicht, ob sie bei ihnen ankommen.

Wie sind Sie in diese, wie Sie sagen „Null Kontakt“-Situation, hineingeraten?

Das ist ein schleichender Prozess gewesen. Es fing schon nach der Geburt meiner Tochter an. Als wir in Trennung waren, musste ich mir das Umgangsrecht bereits erstreiten. Ich wollte die Kleine im Park spazieren fahren oder mal zu meinen Eltern, da hieß es von der Mutter: „Mir geht’s nicht gut“, „Sie schläft“ oder „Es passt gerade nicht“. Vom Gericht wurde der Umgang dann ganz klar fixiert und eine Zeitlang hielt sie sich einigermaßen daran. Gespräche waren trotz versuchter Mediation nicht möglich. Sie ist nicht erschienen, dann saß ich da immer alleine. Und die Mutter sagte, sie wolle die Kinder nicht zwingen, sich mit mir zu treffen, und die beiden möchten das eben nicht.

Gab es auch Zeiten, in denen Sie mit den Kindern etwas unternehmen konnten und es besser lief?

Ja, ich war mit ihnen auch im Urlaub. Das war offenbar schön für sie, denn sie sagten oft: „Können wir nicht noch länger bleiben.“ Ich habe dann gesagt: „Wir hatten jetzt eine tolle Zeit, aber bei Mama ist es auch toll.“ Im Umkehrschluss war das leider nicht so. Da wurde der Umgang mit mir nie gefördert. So was fängt ja schon bei Übergaben an: Wenn ich die Kinder zurückbringe, dann erwarte ich eigentlich, dass die Mutter aus dem Haus kommt und „Hallo“ sagt. Das hat sie nie getan.

Gibt es keine Hilfe vonseiten der Behörden?

Nein, und der Lebensmittelpunkt ist ja fast immer bei der Mutter, das wird von Gerichten und Ämtern so gesehen, obwohl sich die Lebensmodelle sehr verändert haben. Es gibt zwar das Wechselmodell, bei dem die Kinder zum Beispiel eine Woche beim Vater, dann bei der Mutter wohnen. Das hatte uns ein Gutachter mal empfohlen – nur müssen beide Eltern das wollen. Es ist so: Wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht unbedingt haben will, dann muss er sich einfach nur jeglicher Kommunikation verweigern.

Wie kommen Sie mit dieser Situation zurecht?

Es ist traurig. Und die Großeltern sind ebenso traurig. Ich fühle mich einfach ohnmächtig, weil ich es nicht verstehe. Ich kenne so etwas von meiner Familie nicht, ich bin mit meinen Eltern sehr eng, sehe sie jeden Tag. Die Tante meiner Kinder wohnt auch im Umkreis von 500 Metern. Das ist für uns alle sehr schön. Ich war vielleicht auch ein bisschen Ersatzpapi für die Kinder meiner Schwester, da ihr Mann leider früh verstarb. Mit den beiden komme ich super klar, mein Vater hat sie durch die Welt geschickt zum Studieren und ich habe sie dann im Ausland besucht. Wenn ich dürfte, wäre ich ein super liebevoller Papi – das war ich immer. Früher freuten sich die Kinder auf ihr Papi-Wochenende. Ich habe ihnen Fahrradfahren, Skilaufen und Schwimmen beigebracht, wir haben im Garten und in den Bergen gezeltet, Feuer gemacht, gegrillt. Was man so macht als Vater.

Ist Ihnen ein Teil Ihres Lebens weggebrochen?

Völlig. Ich denke jeden Tag an die Kinder und es wird leider nicht leichter. Ich hatte mich bewusst für sie entschieden und bin dankbar, dass ich zwei tolle, gesunde Kinder habe. Eigentlich habe ich mein ganzes Leben auf sie ausgerichtet. Und jetzt ist alles weg.

Was kann ein Elternteil tun, um die eigenen Rechte durchzusetzen?

Leider wird in meinen Augen an das Kindeswohl seitens der Jugendämter und Gerichte nicht so wirklich gedacht. Es vergeht oft viel zu viel Zeit, bis ein Termin feststeht. Bei uns hätte man schon viel früher eingreifen müssen, zum Beispiel dass man beide Elternteile zu einer Mediation zwingt. Wir müssen doch mal eine Lösung finden, sonst geht die Entfremdung immer weiter. Und ab dem Punkt, wo die Kinder sagen, sie wollen nicht, kann man nichts mehr tun.

Was tun Sie denn überhaupt noch?

Ich habe das Angebot gemacht, wir treffen uns mal an der Alster und gehen spazieren. Einfach, um mal wieder ins Gespräch zu kommen, zu fragen: „Wie geht es euch?“, gerne mit der Mutter zusammen. Deren Reaktion: „Nein, das will ich nicht.“ Ich vermute, vielleicht würde dann ihr Kartenhaus zusammenbrechen und sich zeigen, dass ich doch kein schlechter Mensch bin. Ich lese ja in den Gutachten aus den Aussagen der Kinder, was sie über mich erzählt.

Wie beurteilen Sie diese für alle belastenden Vorgänge, auch die vielen Befragungen der Kinder?

Das liegt an dem veralteten Familiengesetz in Deutschland, ich fühle mich diskriminiert, es gibt keine Gleichberechtigung in dieser Sache. Für mich ist Kindesentfremdung seelischer Kindesmissbrauch.

Warum gehen Sie jetzt mit diesem Thema so sehr an die Öffentlichkeit?

Für mich ist das ein großer Schritt, weil ich nicht weiß, wie das auf meinen Sohn und meine Tochter wirkt. Ich hoffe, dass sie sagen: „Mensch, Papi setzt sich für uns ein, der kämpft für uns und alle Kinder, denen es so geht.“ Aber es geht ja Tausenden Vätern und Müttern so. Als ich kürzlich bei SAT.1 im Frühstücksfernsehen war, kamen gefühlt 80 Prozent der dort Tätigen auf mich zu und sagten: „Ich habe dasselbe Problem, können wir uns darüber mal austauschen, damit wir da was bewegen?“ Ich möchte die Gesellschaft für das Thema sensibilisieren, habe unseren Justizminister angeschrieben, unsere Familienministerin, mit Bürgermeister Tschentscher darüber gesprochen. Da hoffe ich auf Veränderung.

Das Buch „Briefe für meine Kinder“ (fineBooks, 120 S., 19,90 Euro) hat Thomas Prantner mit Andreas Wrede geschrieben, der Verkaufserlös kommt dem Jugendwerk „Die Arche“ zugute.

Kampagne „Genug Tränen!“

Familien- und Kinderschutzverbände und -vereine starteten am 18. November 2021 die Kampagne „Genug Tränen!“. Sie fordern von den Bundesministerien für Familie und der Justiz nach 25 Jahren Stillstand im Familienrecht wirksame Reformen zum Schutz von Kindern, insbesondere vor Eltern-Kind-Entfremdung – weil Kinder beide Eltern brauchen. Während in anderen Ländern Unterstützungsprogramme – in Europa z. B. Dänemark oder Belgien – für Eltern und Kinder existierten und Eltern-Kind-Entfremdung als eine Form von Gewalt und Missbrauch an Kindern anerkannt ist, werde das Thema in Deutschland von den Verantwortlichen in der Politik weitestgehend totgeschwiegen. Wer von „Kindeswohl“ spreche, müsse auch handeln. Die Kampagne macht aufmerksam auf das Schicksal von Trennungskindern, die Kontaktabbruch zu einem Elternteil erleiden. Das betreffe mit lang anhaltenden psychischen Folgen außer den Kindern auch deren Eltern, Großeltern und Anverwandte. Die Kampagne läuft noch bis Ende 2023, man kann seine Unterstützung über eine Petition oder Aktionen und Veranstaltungen bekunden.

Informationen und Hilfe gibt es z. B. bei: Papa Mama Auch – Verband für Getrennterziehen, VAfK – Väteraufbruch für Kinder, BIGE – Bundesinitiative Großeltern, Väter-Netzwerk e. V.