Hamburg. Hausverbot für Propst, ein suspendierter Pastor und eine Millionenklage – wie in einem Stellinger Gotteshaus die Lage eskaliert.
Wer sich die Berichte rund um diesen Fall in Hamburg-Stellingen anhört, könnte glatt vom Glauben abfallen. Denn das, was sich dort in einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Langenfelde – der Ort gehört zum Stadtteil Stellingen – zuträgt, ist wohl eher das Gegenteil eines friedlich-christlichen Miteinanders.
Es geht um zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen, wie etwa eine Klage wegen Veruntreuung von Geldern in Millionenhöhe. Um Mieter einer kirchlichen Immobilie, die schwere Vorwürfe gegen ihren Vermieter erheben. Und um einen Kirchenkreis, der versucht, die Kontrolle über das Geschehen zurückzugewinnen. All das kreist um den zuständigen Pastor Holger Janke, der kürzlich suspendiert wurde, aber weiterhin die Gottesdienste abhält – und der seinem Propst kurzerhand ein Hausverbot erteilt hat.
Stellingen: Böser Streit in Kirche in Stellingen – Probst bekommt Hausverbot
Ausgerechnet in der besinnlichen Vorweihnachtszeit kam es zum jüngsten Eklat. Denn in Langenfelde blieben die Kirchentüren für einen Besucher geschlossen: für Karl-Heinrich Melzer, immerhin Probst im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein und zuständig für die Propstei Niendorf-Norderstedt und damit auch für die Kirche in Stellingen.
Melzer wollte am 17. Dezember am Gottesdienst in der Kirche „Zum guten Hirten“ teilnehmen. Doch kurz vorher wurde ihm mitgeteilt, dass ihm die Kirchengemeinde ein Hausverbot erteilt habe. Den entsprechenden Beschluss erhielt er ausgedruckt an der Kirchentür.
Rauswurf aus eigener Kirche? Probst: „So etwas habe ich noch nie erlebt“
„So etwas habe ich in meinen 25 Jahren bei der Kirche noch nie erlebt“, sagt Propst Karl-Heinrich Melzer auf Abendblatt-Anfrage zu dem Fall, den die Kirchengemeinde Langenfelde selbst auf der eigenen Homepage thematisiert.
Auch in der gesamten Nordkirche selbst sei es selten, dass ein Streit derart eskaliere, sagt Melzer. Zu weiteren Einzelheiten will er sich nicht äußern, verweist auf laufende Gerichtsverfahren. Nur eines stellt er noch klar: „Wir halten dieses Hausverbot für rechtlich nicht tragbar.“ Klar ist: Der Rauswurf des Propstes ist der vorläufige Höhepunkt eines Streits, der seit Jahren schwelt.
Kirche in Stellingen – Klage wegen des Verdachts der Veruntreuung
Eine kleine Vorstellung davon, wie viele rechtliche Auseinandersetzungen es geben mag, vermittelt ebenfalls die Homepage der Kirchengemeinde. Dort wird unter anderem eine Klage wegen des Verdachts von Veruntreuung von anvertrauten Geldern vor dem Landgericht Hamburg erwähnt. Dabei geht es um 2,7 Millionen Euro.
Der Vorwurf, den die kleine Kirchengemeinde dem übergeordneten Kreis macht: Beim Bau eines Mehrfamilienhauses mit 15 Wohneinheiten direkt gegenüber der Kirche am Försterweg sei die dafür vom Kirchenkreis verwaltete Baukasse nicht ordentlich geführt und Gelder zweckentfremdet worden. Das Landgericht bestätigt auf Abendblatt-Anfrage, dass ein entsprechendes Verfahren anhängig ist.
Streit vor Gericht: Für Kirchengemeinde ist Abrechnung nicht nachvollziehbar
Gerichtssprecher Kai Wantzen erläutert: „Die Kirchengemeinde beansprucht hier vom Kirchenkreis eine vollständige und korrekte Abrechnung für Gelder im Umfang von 2,7 Millionen Euro, die dem Kreis im Zusammenhang mit einem Bauprojekt zur Verfügung gestellt wurden.“
Für dieses Bauprojekt hätte der beklagte Kirchenkreis die Projektentwicklung übernommen. Eine Abrechnung über die Verwendung des Geldes sei vorgelegt worden. Aus Sicht der Klägerin sei diese Abrechnung aber nicht nachvollziehbar. Einen Termin zur mündlichen Verhandlung gebe es noch nicht.
Böser Streit: Gemeinderat reicht Anzeige beim Landeskirchenamt ein
Mit dem Bauprojekt begann offenbar der Streit zwischen Kirchenkreis und Gemeinde, der heute so eskaliert. Die Kirchengemeinde Langenfelde schreibt dazu: „Leider liegen bis heute keine genauen Abrechnungen des Kirchenkreises über die 2017 zugeführte Baukasse von 2.700.000,00 Euro vor, sodass der KGR (Kirchengemeinderat) eine Klage beim Landgericht Hamburg und eine Anzeige beim Landeskirchenamt als aufsichtführende Stelle einreichen musste. Die Verfahren laufen.“
Aber auch die Gegenseite, der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, erhebt Vorwürfe. Auf Abendblatt-Anfrage teilte dieser mit: „Aktuell können keine Auskünfte zur finanziellen Situation der Gemeinde getroffen werden, da die Gemeinde – entgegen der kirchlichen Vorschriften – bereits seit mehreren Jahren keinen Jahresabschluss zu ihren Haushaltsplänen beschlossen hat.“
Stellingen: Kirchenkreis suspendiert Pastor – doch der ignoriert es
Klar ist, dass der Fall nun vom Landeskirchenamt untersucht wird. Zudem wurde der Pastor der Kirchengemeinde, Holger Janke, suspendiert. Das bestätigte auf Nachfrage auch der Kirchenkreis: Ihm wurde „durch das Landeskirchenamt der Nordkirche die Dienstausübung untersagt“.
Zu den genauen Gründen äußert sich der Kirchenkreis nicht – und auch der Pastor verweist auf Anfrage auf laufende Verfahren. Laut Abendblatt-Informationen gibt der suspendierte Pastor allerdings weiterhin Gottesdienste und will das offenbar auch in Zukunft tun. So lädt er für den 18. Februar zur Winterkirche mit „Mensch und Tier“ ein.
Dass ein Pastor vom Kreis außer Dienst gestellt wird, beispielsweise für Ermittlungen, kommt durchaus mal vor. Dass der Betroffene es ignoriert, ist so ungewöhnlich wie dieser Hamburger Fall selbst. Die Landeskirche müsste nun wiederum mit Maßnahmen tätig werden.
Kirche in Stellingen: Mieterin erhält Räumungsklage vor Weihnachten
Der Streit zwischen dem Kirchenkreis und der Hamburger Gemeinde zieht bereits weite Kreise und trifft auch Mieter in dem besagten Mehrfamilienhaus, das 2017 fertiggestellt wurde. Dort hatten die Bewohner, wie sie dem Abendblatt berichten, ursprünglich ihre Mieten an den Kirchenkreis überwiesen – bis sie Ende 2022 ein Schreiben von der Gemeinde „Zum guten Hirten“ erhielten, dass sie das Geld ab 2023 auf ein gemeindeeigenes Konto überweisen sollen. Das taten fast alle. Nur eine nicht: Mieterin Kerstin B.
Die Bewohnerin überwies weiterhin an den Kirchenkreis. Kurz vor Weihnachten kam plötzlich eine Räumungsklage der Kirchengemeinde wegen nicht gezahlter Miete. Nur mit Mühe konnte sie das abwenden.
Am 22. Februar wird der Fall nun erneut vor Gericht verhandelt. Kerstin B. ist optimistisch, dass sie alle Vorwürfe abschmettern kann: „Ich habe den Kampf aufgenommen und wehre mich gegen das Stigma einer säumigen Mieterin.“
Mieter gegen Pastor: Nebenkostenabrechnung lässt Streit hochkochen
Die Mieterinnen und Mieter am Försterweg berichten zudem übereinstimmend, dass es in den vergangenen Jahren viele Probleme mit dem Vermieter – der Kirchengemeinde – gegeben habe. Ausgangspunkt war offenbar eine Nebenkostenabrechnung, zu der die Bewohner Fragen hatten.
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Nachdem sie Zweifel äußerten und Einsicht forderten, wurde der Ton zwischen Mietern und Kirchengemeinde – konkret Pastor Janke – offenbar rauer. Dies hatte auch direkte Auswirkungen auf den Alltag der Mieterinnen und Mieter. Denn die Nutzung der zum Haus gehörigen Rasenfläche wurde laut den Betroffenen von da an nicht mehr geduldet.
Stellingen: Kirchen-Immobilie – Hausverwaltung lässt Dornenhecke einziehen
Zwar war die Nutzung nie ein Teil des Mietvertrags, aber laut den Bewohnerinnen und Bewohnern hatte zuvor niemand etwas dagegen, wenn die Kinder dort spielten. „Wenige Tage vor Weihnachten hat die Hausverwaltung sogar eine Dornenhecke einziehen lassen“, sagt ein Mieter dem Abendblatt. Als Grund habe man angegeben, dass es sich um einen „Ziergarten“ handele.
Dornenhecke, Nebenkosten, Klagen vor Gericht: Zu den Vorwürfen und dem Streit wollte sich Pastor Holger Janke auf mehrfache Abendblatt-Anfrage nicht inhaltlich äußern. Er lud stattdessen zum Gottesdienst ein – dort würde man mehr erfahren.