Hamburg. „Mister Mammazentrum“ Dr. Timm Schlotfeldt geht in Rente. Welche besondere Rolle das Jerusalem-Krankenhaus für ihn hat – und andersherum.
Wenn Dr. med. Timm Schlotfeldt zukünftig ans Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem in Hamburg-Eimsbüttel fährt, dann trägt er statt des weißen Arzt-Kittels eher die Lässigkeit eines Rockmusikers. Denn in den vergangenen Jahren ist dort nicht nur ein Brustkrebs-Spezialzentrum entstanden, sondern auch ein besonderer Ort für eine ganz andere Leidenschaft des Mediziners – und eines anderen bekannten Hamburgers.
Und Engagement, das zeichnet die Vita des 68-Jährigen aus. Dem Mann, der geht und doch bleibt, der gar nicht kommen wollte und den es dann doch jahrzehntelang an diesem Krankenhaus hielt. Genauer: Am Mammazentrum des Krankenhauses. Dieses besondere Haus für Brustkrebs-Patientinnen in historischen Mauern mit benachbarter Kirche ist für ihn weit mehr als ein Arbeitsplatz.
Krankenhaus Hamburg: „Mister Mammazentrum“ Dr. Timm Schlotfeldt geht in Rente
Als Schlotfeldt hier Anfang November 1954 geboren wurde, konnte keiner ahnen, dass der Lütte dort auch alt werden würde. Dass er nach Umwegen seine berufliche Erfüllung an diesem Ort finden würde.
Doch der Reihe nach: „Alle dachten, dass ich einmal im Designbereich arbeiten würde“, sagt Schlotfeldt bei einem Gespräch in den Fluren des Mammazentrums. Schließlich führte sein Vater, ein Grafiker, eine Werbeagentur, und als Junge war er angetan von den eingehenden Aufträgen. „Mich interessierte das wahnsinnig, ich wollte Grafikdesign studieren.“
Mammazentrum: Doc Schlotfeldt vereint Ästetik, Musik und Brust-OPs
Auf Wunsch des Vaters absolvierte er aber zunächst eine Banklehre – nach dem Abitur auf dem renommierten Internat Louisenlund. Die Grundlage sollte etwas Solides, Kaufmännisches sein, um dann in die Welt von Formen und Farben zu starten.
Doch es kam anders. „Was mich an der Werbeszene immer richtig gestört hat, war das wahnsinnige Gelaber“, sagt Schlotfeldt. Da er nun mehr nach dem Faktischen suchte, schien ein Praktikum bei einem befreundeten Chefarzt in Braunschweig das Richtige. „Ich kam schnell an den Punkt, dass ich mich in der Medizin sehr wohlfühlte.“
Schlotfeldt gründete mit „beruflichem Ehemann“ das Mammazentrum in Hamburg
Das Humanmedizinstudium in Köln und Hamburg folgte, anschließend machte Schlotfeldt seinen Facharzt am Universitätsklinikum Eppendorf, war dort Oberarzt. Bis er dem UKE den Rücken kehrte, seit 1994 Frauenarzt in der Praxis Frauenthal ist und 1996 mit seinem „beruflichen Ehemann“ Prof. Eckhard Goepel das Mammazentrum gründete, um die Diagnostik und Therapie insbesondere des Mammakarzinoms, also Brustkrebs, zu verbessern. Seit 2007 ist er zudem Mitinhaber des Jerusalem-Krankenhauses, als einer von vier Gesellschaftern.
Das Quartett lotste die über hundert Jahre alte Klinik mit Backsteinfassade aus den roten Zahlen, etabliertet es zu einer der führenden Spezialzentren für Brustkrebs-Patientinnen. Und auch, wenn sich der Werdegang Schlotfeldts hier in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt, dahinter stecken Jahre der Gespräche, Gedanken, Pläne. Sicher traktierten ihn auch durchwachte Nächte, Magengrummeln, Unsicherheit. Was auffällt, ist seine Haltung: Er wirkt leicht, ohne abgehoben zu sein, sicher, dabei nicht selbstverliebt, routiniert, ohne nachlässig zu sein.
Der Arzt mag die Ruhe im Klinikflur und die Bässe im Probenraum
„Es macht mich jeden Tag glücklich, was ich tue“, sagt der verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder. Und zeigt das historische Treppenhaus mit Wandkacheln, seinen Lieblingsort, hier sei es so schön ruhig.
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Doch zurück zum Job: „Man tut etwas Sinnvolles, und ich kann auf eine Weise mein Verständnis von Ästhetik einbringen: Bei Operationen halte ich den Schnitt klein, die Naht möchte ich schön machen. Ich setze beispielsweise den Schnitt von unten an der Brustwarze an, nicht oben im Dekolleté. Auch wenn das einfacher wäre und zum gleichen, medizinischen Ergebnis führt, so ist es doch für die Patientin ein immenser kosmetischer Unterschied.“ Vielleicht spricht da der Mann, der Design weiterhin liebt und sich diese Leidenschaft über all die Jahrzehnte erfüllen konnte, obgleich er nicht Grafiker wurde.
Mammazentrum Hamburg: Der Chef ist nach Feierabend Gitarrist
Ebenso – könnte man meinen – hat es Schlotfeldt mit der Musik gemacht: Gleichfalls ist sie eine lebenslange Begleiterin des Gynäkologen, der nach Feierabend Gitarrist ist. Mehr noch, Bandgründer. Zusammen mit seinem Freund Holger Jung (genau, dem Mitschöpfer der legendären Hamburger Werbeagentur Jung von Matt) rief er 2009 die Band Gone Fishin‘ ins Leben, in der Mitarbeiter des Mammazentrums Hamburg und des Krankenhauses Jerusalem gemeinsam musizierten.
Mittlerweile mit anderer Besetzung und komplizierterem Namen: Seit 2018 nennt sich die rockende Band, die mittlerweile aus Psychologen, Oberstudienräten und einem Maschinenbauer besteht, „Comfortably Numb“ (in Anlehnung an einen Pink Floyd-Song). Übersetzt heißt sie somit „angenehm betäubt“ und referiert darauf, dass Medikamente genutzt werden, um Musiker vor ihren Auftritten fit zu bekommen. Für die „Mainstream-Rocker“ gab es in den vergangenen Jahren jedoch keine Pillen, dafür ordentlich Applaus für Auftritte in Hamburg, Bremen und Umgebung.
Immer mittwochs wird leidenschaftlich und ernsthaft geprobt, ganz oben, im einstigen Raum für die Klimaanlage. Deshalb wird der Doc im Ruhestand dann wöchentlich zurückkehren, in sein Mammazentrum. In seinen Händen dann auch ein Instrument, jedoch eines, das der Musik zuzuschreiben ist: die Gitarre.
Krankenhaus in Eimsbüttel: Der Probenraum versteckt sich unterm Dach
Wo? Ganz oben, unterm Dach, da wird geübt. „Den Raum habe ich zufällig entdeckt“, erzählt der Krankenhausbesitzer, den man sich gut vorstellen kann, wie er in Hausmeistermanier mit klirrendem Schlüsselbund nach Feierabend die letzten Winkel des Hospitals erkundet. „Und mir war sofort klar, dass das ein idealer Ort zum Proben ist.“
Mittlerweile komplett mit rotem Teppich ausgelegt und einer Bar samt alkoholischem Inhalt reicher und bestens schallisoliert, um die Patientinnen und Anwohner nicht zu stören, wird hier nun bei Tageslicht und mit Blick auf den Turm der Christuskirche und der Jerusalem-Gemeinde geprobt.
„Die Musik, die war immer da“, sagt Schlotfeldt. „Im Internat habe ich schon lagerfeuermäßig Gitarre gespielt, und im OP war ich immer derjenige, der Musik angemacht hat.“ Also auch so etwas, das ihn begleitet und ausmacht. Von Anfang an.