Hamburg. Die Gewerkschaft zieht sich zurück, der Betriebsrat sitzt wieder am Verhandlungstisch. Doch bis zu einer Einigung kann es dauern.
Der Versuch, die Geschäftsleitung des Tierparks Hagenbeck durch einen Streik zu Tarifverhandlungen zu zwingen, dürfte gescheitert sein. Wie berichtet, verkündete die Gewerkschaft IG BAU am Donnerstag in einem offenen Brief an Zoo-Chef Dirk Albrecht,den Arbeitskampf auszusetzen. Albrecht selber teilte mit, dass der Betriebsrat bereits wieder am Verhandlungstisch sitze.
Genau das hatte Albrecht während des Streiks immer wieder gefordert – und ist jetzt froh, dass es weitergeht. „Wir verhandeln bereits seit mehr als einem Jahr mit dem Betriebsrat über eine neue Betriebsvereinbarung. Doch wir lagen so weit auseinander, dass wir in diesem Sommer gemeinsam einen Schlichter angerufen haben.“
Tierpark Hagenbeck: Sind sich Parteien uneins, entscheidet der Schlichter
Das heißt, dass es auf jeden Fall ein Resultat geben wird – denn sind sich die Parteien uneins, wird der Schlichter die Entscheidung fällen. In diesem Fall ist das Esko Horn, Präsident der Hamburger Arbeitsgerichte. „Ihn zu wählen war unser Vorschlag. Und der Betriebsrat hat dem zugestimmt“, so Albrecht.
Die erste Verhandlung sollte bereits im August stattfinden, doch der Betriebsrat – so Albrecht – habe seine Teilnahme mit Verweis auf den Streik abgesagt, was nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht zulässig sei. Erst nach einer Intervention von Schlichter Horn setzte sich der Betriebsrat bei einem zweiten Termin Mitte September an den Verhandlungstisch.
Tierpark Hagenbeck: Neue Arbeitskleidung würde fast 500.000 Euro kosten
In der kommenden Woche, am 4. Oktober, wird das dritte Treffen stattfinden. Diskutiert werden Albrecht zufolge insgesamt 17 Paragrafen aus der 2010 geschlossenen Betriebsvereinbarung sowie zwei bis drei Ergänzungen. „Die Arbeitnehmer möchten das alles ein bisschen updaten – und das ist ja auch in Ordnung. Wir müssen nur sehen, wie wir zusammenkommen.“
So ginge es etwa um die Forderung des Betriebsrats, allen Beschäftigten neue Arbeitskleidung zu besorgen. „Es geht da um eine komplett neue Ausstattung in zweifacher Ausführung“, so Albrecht. Er könne verstehen, dass atmungsaktive Bekleidung in hoher Qualität gewünscht werde, aber das würde den Tierpark fast 500.000 Euro kosten.
Dirk Albrecht: „Maximalvorstellungen muss man verhandeln dürfen“
„Maximalvorstellungen kann man fordern, aber man muss sie verhandeln dürfen“, so Albrecht. Das heiße aber nicht, wie von der Gewerkschaft transportiert, dass die Forderung abgelehnt werde. Ein weiterer Diskussionspunkt sei die Gleitzeit, die der Tierpark all seinen Beschäftigten einst als „Goodie“ zugestanden habe und die ihnen einen Arbeitsbeginn zwischen 6.30 und 7.30 Uhr ermöglicht.
Im Bereich des Gästeservices, der nur während der Öffnungszeiten arbeite, sei das aber nicht sinnvoll. „Wenn dort jemand um 7 Uhr beginnt, kann er keine Besucher betreuen und muss zwei Stunden warten, bis die Kassen öffnen. Arbeitet er dann über seine reguläre Arbeitszeit hinaus, fallen Überstunden an, die der Tierpark teuer bezahlen muss.“
Hagenbeck – Gewerkschaft erhebt schwere Vorwürfe in offenem Brief
Die Gewerkschaft IG BAU hatte in dem drei Seiten langen offenen Brief, in dem sie die Streikpause ankündigte, auch schwere Vorwürfe gegen Albrecht erhoben. So zahle er einerseits an Beschäftigte, die sich nicht am Streik beteiligen, eine (Streikbruch-)Prämie – „aber auch nur an diejenigen, deren Arbeit Sie für wertvoll genug halten (Tierpfleger)“.
Auch habe Albrecht Besuchern, die sich mit den Streikenden solidarisiert hätten, die Jahreskarten entzogen. „Hier zeigen Sie deutlich, was Sie von Meinungsfreiheit in unserem Land halten“, heißt es in dem Brief weiter. Wenn auf diese Art und Weise mit betriebsfremden Menschen umgegangen werde, „kann sich jeder denken, was innerhalb des Unternehmens für ein Umgang mit den Beschäftigten herrscht“.
Hagenbeck-Geschäftsführer nimmt Äußerung öffentlich zurück
Albrecht weist sämtliche Vorwürfe als haltlos zurück. „Nur so viel: Es wurde eine Dauerkarte entgegengenommen, da die Inhaberin fristlos gekündigt hatte. Sie erhält den anteiligen nicht genutzten Betrag zurückerstattet.“ In einem zweiten Fall gebe es „erhebliche persönliche Vorwürfe gegen die Besucherin“. Aus Datenschutzgründen sei eine weitere Stellungnahme nicht möglich, einen Zusammenhang damit, dass sich beide Frauen mit den Streikenden solidarisch erklärt hätten, gebe es nicht.
Ferner hatte der Zoo-Chef vor einigen Tagen in einer Pressemitteilung behauptet, der Betriebsrat versuche „mit erheblicher krimineller Energie“ seinen Ruf in der Öffentlichkeit zu beschädigen, und den Betriebsratsvorsitzenden Thomas Günther beschuldigt, aufgrund falscher Verdächtigungen im Jahr 2020 Strafanzeige gegen ihn gestellt zu haben.
Tierpark Hagenbeck: Verhandlungen könnten sich in die Länge ziehen
Über seinen Anwalt Andreas Kilian hatte Günther mitteilen lassen, dass er persönlich nicht in die Strafanzeige des Betriebsrates gegen die Geschäftsführung des Tierparks wegen angeblichen Betruges eingebunden gewesen sei. Albrecht: „Die Geschäftsführung des Tierparks nimmt diese Erklärung von Herrn Günther – ohne weitere Prüfung – entgegen und nimmt, sofern er sich persönlich angesprochen gefühlt hat, die Äußerung mit Bedauern zurück.“
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Nach einer Stellungnahme zu den aufgenommenen Verhandlungen befragt, gab sich der Betriebsratsvorsitzende skeptisch. „Wir liegen bei vielen Themen weit auseinander. Ich glaube nicht, dass wir schnell ans Ziel kommen“, so Günther.
Immerhin hätten Betriebsrat und Geschäftsführung aber bereits zu früheren Zeitpunkten Betriebsvereinbarungen hinsichtlich des Kurzarbeitergelds und der Zeiterfassung schließen können, ebenfalls im Beisein des Schlichters Horn – aber ohne, dass dessen Eingreifen notwendig war.