Hamburg. Ebru Yaral segelt beim Ocean Globe Race um die Welt – ohne Handy, GPS und weitere Hilfsmittel. Wovor die 43-Jährige Respekt hat.
Aufgeregt ist sie, sehr sogar. Und ein wenig Angst hat sie auch. Angst vor dem, was da draußen auf dem Meer auf sie zukommt. Vor der Kälte und Nässe. Und natürlich vor Stürmen und dem rauen Südpolarmeer. „Aber ich bin auch voller Vorfreude, ich kann es gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht“, sagt Ebru Yaral am Telefon, wenige Stunden vor dem Ocean Globe Race.
An diesem Sonntag (10. September) startet das Rennen um die Welt in Southampton – und Ebru Yaral ist die einzige Hamburgerin im Feld. Doch das Ocean Globe Race ist kein normales Segelrennen, in dem es um Hightech und maximale Geschwindigkeiten geht wie beim Ocean Race, an dem zuletzt der Hamburger Boris Herrmann teilnahm.
Ocean Globe Race: Hamburgerin segelt um die Welt – ohne Hightech
Das Ocean Globe Race ist ein Retrorennen, das an die Anfänge des heutigen Ocean Race vor genau 50 Jahren erinnern soll. Damals hieß es Whitbread Round the World Race, seit 1973 wird es alle drei bis vier Jahre veranstaltet. Heute nehmen unter dem Titel The Ocean Race die modernsten Rennyachten an der Weltumsegelung teil, dazu die besten Segelprofis an Bord. Erst im Juli ist das Ocean Race mit einem dritten Platz für den Hamburger Extremsegler Boris Herrmann zu Ende gegangen.
Doch in den 70er-Jahren war es eine Veranstaltung für jeden, der den Mut für ein solches Abenteuer besaß. Genau daran wollen die Veranstalter des Ocean Globe Race nun zum Jubiläum erinnern. „Der Mensch zählt hier, das Team zählt – und nicht das Hightech-Rennboot“, so Ebru Yaral über die Idee des Ocean Globe Race. 14 Yachten gehen an diesem Sonntag an den Start, rund 200 Teilnehmer aus aller Welt sind an Bord der alten Schiffe.
Wie Boris Herrmann segelt Ebru Yaral durch das raue Südpolarmeer
Die Route ist der von Herrmann und den anderen Profiseglern nicht unähnlich. Von Southampton geht es nach Kapstadt, etwa 45 Tage wird diese Strecke lang sein. Danach segeln die Teilnehmer in das Südpolarmeer bis nach Auckland in Neuseeland. Hier sollen die Yachten Mitte Dezember ankommen. Weiter geht es im Januar durch das Südpolarmeer nach Punta del Este in Uruguay. Im April sollen dann hoffentlich alle teilnehmenden Schiffe wieder in Southampton in England ankommen.
Die Veranstalter haben ein Retro-Rennen mit besonderen Vorgaben geplant. So können nur Schiffe teilnehmen, die vor 1988 entworfen wurden. An Bord dürfen keine technischen Hilfsmittel verbaut sein, wie Anlagen zum Einrollen der Segel. Auch moderne Materialien wie Kohlefaser sollten nicht zu finden sein. Dazu sind keine technischen Geräte an Bord gestattet – wie GPS, Plotter, Handys oder Satellitentelefone.
Ocean Globe Race: Gesegelt wird noch mit Hilfsmitteln wie vor 50 Jahren
Das heißt, gesegelt wird genau wie vor 50 Jahren. Die Position wird mithilfe des Sextanten bestimmt, navigiert wird mit der guten alten Seekarte. „Einmal am Tag erhalten wir ein Wetterfax, danach müssen wir unsere Routen-Entscheidungen und die für die Segel treffen“, sagt die Hamburgerin.
Dazu darf die Crew zweimal am Tag Bilder und Kurznachrichten verschicken – von einem extra darauf ausgelegten Telefon. Weitere Kontakte zu Personen an Land seien strengstens verboten. Alle anderen Smartphones würden versiegelt und müssten in einem Schrank verwahrt werden. „Die dürfen wir nur im Notfall nutzen und dann wieder im nächsten Hafen.“
Genau vor den Folgen dieser strengen Vorgaben hat Ebru Yaral Respekt. „Was ist, wenn wir uns wirklich mal verrechnen“, sagt sie. Andererseits seien diese strengen Regeln es ja auch, die den besonderen Reiz des Rennens ausmachen. „Wir werden ein ursprüngliches Segelabenteuer erleben, da bin ich mir sicher.“
Ocean Globe Race: Ebru Yaral erfüllt sich ihren größten Traum
Für die 43-Jährige ist die Teilnahme an dem Ocean Globe Race die Erfüllung ihres größten Traumes. Dabei hat sie erst spät mit dem Segeln begonnen. „Meine Familie ist nicht gesegelt, aber ich habe den Booten am Wasser schon immer sehnsüchtig hinterhergesehen“, sagt sie. Mit dem BWL-Studium in Hamburg ergab sich für die junge Frau dann endlich die Gelegenheit, den Wassersport einmal auszuprobieren.
Doch so richtig angefangen, den Segelsport ernsthaft zu betreiben, hat Ebru Yaral erst vor rund sechs Jahren. Seitdem ist sie zumindest zwischen April und Oktober beinahe jedes Wochenende auf Fehmarn, um mit einer kleinen Regattacrew dort an Rennen teilzunehmen und zu trainieren. „Das hat mich seglerisch weit nach vorne gebracht“, sagt Yaral.
Ocean Globe Race – Hamburgerin segelt auf einem südafrikanischen Schiff
Im Hinterkopf spukte bei der Betriebswirtin allerdings immer die Teilnahme an größeren Touren oder Wettfahrten herum. Also begann sie auf Internetseiten wie „Hand gegen Koje“ zu suchen. Und stieß so auf das Ocean Globe Race. „Ich war komplett elektrisiert von diesem Projekt. Ich wusste sofort, da muss ich mitfahren.“ Ebru Yaral begann zu recherchieren – und sich bei einzelnen Crews zu bewerben.
Die Welt wird die junge Frau nun auf der „Sterna“ umrunden – einem Schiff, das der Südafrikaner Gerrit Louw und sein Vater extra für dieses Rennen angeschafft, umgebaut und ausgerüstet haben. Der Eigner selbst segelt mit, Skipper ist der Südafrikaner Rufus Brandt. Dazu kommt eine ausgewählte Crew von sechs weiteren Männern und Frauen. „Wir haben uns alle beworben und sind dann durch ein Auswahlverfahren gelaufen“, so Yaral.
Hamburgerin hat bei ihrem Arbeitgeber Airbus ein Sabbatical beantragt
Erst Anfang des Jahres habe sie die Zusage für einen Platz auf der „Sterna“ erhalten, berichtet die Hamburgerin. Danach ging alles sehr schnell. Ebru Yaral musste ein Sabbatical bei ihrem Arbeitgeber Airbus beantragen und die vielen Monate auf See durchplanen. „Mein Arbeitgeber war unglaublich kulant“, sagt sie. Zehn Monate werde sie fehlen – und dennoch 75 Prozent ihres Gehaltes weiter bekommen. „Dafür muss ich danach auch so lange Vollzeit arbeiten mit dem verringerten Gehalt, bis alles wieder ausgeglichen ist.“
Ebru Yaral findet diese Abmachung fair, außerdem braucht sie das Geld dringend. „Denn ehrlich gesagt bin ich pleite“, sagt sie trocken. Das Abenteuer ihres Lebens bringe sie an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten. Denn die Eigner der „Sterna“ lassen sich die begehrten Plätze an Bord bezahlen. Zwischen 15.000 und 20.000 Euro pro Etappe muss Yaral ausgeben. Bei vier Etappen sei das viel Geld.
Ocean Globe Race: Zu Teilnahmekosten kommen noch Kosten für Ausrüstung
„Diese Gebühr benötigen die Eigner für den Refit der Yacht, die Ausrüstung, die Teilnahmegebühren, die Verpflegung und vieles mehr.“ Yaral ist sich sicher, viel bleibe bei den beiden selbst nicht über. Zudem musste die junge Frau selbst einiges Anschaffen. „Ich habe hochwertige Kleidung und Ausrüstung gekauft.“
Nun sei von ihrem Ersparten nicht mehr viel über. „Ich habe lange mit mir gehadert, weil es wirklich so ein unglaublich teures Unterfangen ist“, sagt sie. Natürlich habe sie manchmal darüber nachgedacht, dass das Geld auch gut auf der Bank liegen und später in eine eigene Wohnung investiert werden könnte. Aber, sagt sie dann schnell: „Ich werde nie wieder eine solche Möglichkeit in meinem Leben bekommen.“ Der Wunsch an dem Rennen teilzunehmen, sei so groß gewesen. „Ich weiß schon jetzt: Ich hätte es später bitter bereut, wenn ich nicht mitgefahren wäre.
Yaral versucht mit Spenden, einen Teil ihrer Ausgaben zu refinanzieren
Um wenigstens einen kleinen Teil der Kosten wieder reinzubekommen, hat die Hamburgerin eine Spendenaktion bei GoFundMe gestartet. „Ich freue mich über jeden, der mein Abenteuer ein wenig unterstützt.“
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Bleibt noch die Frage, wie die Familie auf das Abenteuer von Ebru Yaral reagiert hat. „Ich habe keinen Partner und keine Kinder, das hat das alles schon mal leichter gemacht.“ Allerdings sei sie eine leidenschaftliche und engagierte Tante. „Aber die Kinder“, so sei auch der erschrockene Einwurf ihrer Schwester gewesen. Da habe sie lachen müssen und gesagt: „Es sind ja nicht meine Kinder, wir schaffen das schon.“
Ihre Mutter wiederum sei voller Sorge und Angst, berichtet die Seglerin. „Sie hat im Stillen bis zum Schluss gehofft, dass es aus irgendeinem Grund doch nichts wird mit dem Rennen.“ Und dann habe sie sehr ernst gesagt: Bitte komm heil zurück.
Ocean Globe Race: Hamburgerin rechnet auch mit Schwierigkeiten
Das hat sich Ebru Yaral fest vorgenommen. „Ich habe ein gutes Gefühl mit meiner Crew“, sagt sie. Sicherlich, es werde Schwierigkeiten, Stürme und Materialschäden geben. Manches Mal werde sie sich fragen, warum sie sich das alles antue.
„Und natürlich werden wir an Bord auch mal streiten.“ Aber sie sei sich sicher: Am Ende werde sie voller Stolz auf das Abenteuer ihres Lebens zurückblicken. „Das kann mir kein Mensch mehr nehmen, das bleibt für immer.“