Hamburg. Nach mehr als 20 Jahren muss die Filmhauskneipe in Ottensen einen neuen Betreiber finden. Was wird aus dem Kultlokal?

Ob sich Dieter Kosslick und Fatih Akin hier mal ein Schnitzel geteilt haben? Eher nicht. Aber dennoch: Die Filmhauskneipein den Räumen der ehemaligen Schiffsschraubenfabrik Karl Theodor Zeise in Ottensen ist untrennbar mit der Filmgeschichte Hamburgs verbunden. Vor ein paar Jahrzehnten trafen sich hier regelmäßig Filmemacher von damals, heute und morgen zum Kino-Klönschnack.

Beinahe nur noch Anekdoten zeugen heute von diesem Kapitel der Filmhauskneipengeschichte – und auch ein weiteres wird sich bald schließen. Ewald Kuhn, seit mehr als 20 Jahren Wirt in dem Lokal, will die Filmhauskneipe in den Zeisehallen im kommenden Jahr abgeben.

Restaurant Hamburg: Filmhauskneipe in Ottensen sucht neuen Pächter

Er habe den Schritt schon länger geplant, sagt der 68-Jährige: „Ich will das ja nicht noch machen, bis ich 95 bin.“ Aufgeben will Kuhn das Lokal jedoch nicht, sondern abgeben, wie er betont.

An wen, das lässt er im Geheimen oder weiß es selbst noch nicht. Nur so viel will der Kneipier verraten: „Es gibt Interessenten.“ Ob diese die Filmhauskneipe mit demselben schlichten Interieur und langjährigen Konzept weiterzuführen gedenken? „Was mein Nachfolger macht, da habe ich keine Ahnung und auch keinen Einfluss drauf“, sagt Kuhn.

Eigentümer der Zeisehallen: Es gibt Interessenten

Dass die Kuhn-Ära in der Filmhauskneipe sich dem Ende neigt, bestätigt auch das Immobilienunternehmen Procom, Eigentümer der Zeisehallen und damit auch der Räume der Filmhauskneipe: „Der langjährige Pächter hat seinen Mietvertrag gekündigt. Selbstverständlich respektieren wir seine Entscheidung, bedauern dies aber und haben das Gespräch gesucht. Zumindest bis ins nächste Jahr hinein wird er seinen Betrieb noch weiterführen. Für die Zeit danach gibt es bereits Interessenten für die Fläche“, sagt ein Procom-Sprecher.

Procom ist seit mehreren Jahrzehnten Eigentümer der denkmalgeschützten Zeisehallen. Dass sich die Schiffsschraubenfabrik seit dem Ende der 1980er-Jahre in ein Kultur- und Medienzentrum verwandeln konnte, ist auch dem Immobilienunternehmen zu verdanken.

Zeisehallen: Im Filmhaus in Ottensen stehen Flächen leer

Aus dem Filmhaus waren zuletzt diverse Mietparteien gewichen. Die Kurzfilm Agentur Hamburg e. V. haust beispielsweise seit rund zwei Jahren in der ehemaligen Viktoria-Kaserne. Angesichts einiger ungenutzter Räumlichkeiten teilt Procom daher mit, dass auch die Fläche des ehemaligen Filmhauses neben der Kneipe künftig neu vermietet werden soll.

Wer wie und wann dort einzieht, ist bislang unklar. Fest steht wiederum, dass die Flächen gewerblich genutzt werden sollen. Pläne für Wohnungsbau über dem ehemaligen Filmhaus gebe es derzeit nicht. „Das würde insbesondere in Kombination mit der Außengastronomie an der Stelle nicht funktionieren“, so ein Procom-Sprecher.

Industriehistorisches Ensemble: Innenhof der Zeisehallen in Hamburg-Altona.
Industriehistorisches Ensemble: Innenhof der Zeisehallen in Hamburg-Altona. © Anika Würz

Ottensen war einst das cineastische Epizentrum Hamburgs

In den 1980er-Jahren war alles ganz anders in Hamburgs cineastischem Epizentrum Ottensen. Das Filmhaus beherbergte die Hamburger Filmförderung, eine der ersten von Filmemachern selbst verwalteten. Chef der Filmbüro genannten Förderung auf Vereinsbasis war damals Dieter Kosslick, der später – von 2001 bis 2019 – Direktor der Berlinale war.

In den ehemaligen Konferenzraum der Schiffsschraubenfabrik Zeise zog schon damals die Filmhauskneipe, die gemeinsam mit dem ebenfalls noch immer existenten Restaurant Eisenstein – benannt nach dem russischen Regisseur Sergej Eisenstein – Filmschaffende zum Dinieren lud.

Restaurant Hamburg: In Filmhauskneipe in Ottensen lernte schon Christian Rach

Ende der 1980er-Jahre entbrannte um das kreative Zentrum gar ein kleiner Kulturkampf. Vermummte warfen zahlreiche Scheiben der Lokale ein und versprühten Buttersäure in den Läden. „Die Szene will die sogenannten Yuppies aus dem Viertel vertreiben und ruft zu Aktionen auf“, sagte ein Polizist damals gegenüber dem Abendblatt.

Darf es zum Dessert noch eine Anekdote aus der Filmhauskneipe sein? In dem Lokal jobbte vor geraumer Zeit Christian Rach, um sich sein Mathematik- und Philosophiestudium an der Universität Hamburg zu finanzieren. Das Studium beendete er nie, dafür entdeckte Rach in der Filmhauskneipe seine Leidenschaft in der Küche und wurde letztlich Sterne- und Fernsehkoch.