Hamburg. „text+töne“ in Hoheluft-West ist für viele Kunden eine Institution. Warum trotzdem bald Schluss ist – und was der Inhaber plant.
Ein kleines Schild, eine große Wirkung: „Nach knapp 40 Jahren schließt text+töne seine Pforten“, steht darauf. Inhaber und Gründer Frank Mundt hat es am Eingang seines Geschäfts am Eppendorfer Weg in Hoheluft-West aufgehängt. An das Geschäft, das er 1984 eröffnet hat. Die Resonanz auf das Schild: gewaltig. Manch einer sagte zu ihm: „Das ist doch eine Institution. Sie können doch nicht einfach so weggehen.“
Frank Mundt, inzwischen 62 Jahre alt, aber findet: Er kann – Gründe gebe es genug – und Pläne für die Zukunft auch. Und sehr wahrscheinlich würden die besten Jahre für das Geschäftsmodell, gebrauchte Bücher und CDs zu verkaufen, ohnehin in der Vergangenheit liegen.
Eppendorfer Weg: Kultladen text+töne startete vor 40 Jahren in Altona
Mundt blickt zurück auf knapp 40 Jahre, in denen er fast jeden Tag hinter dem Verkaufstresen stand, in den ersten Jahren noch in Altona. Denn dort, an der Neuen Großen Bergstraße, eröffnete der damals 23-Jährige sein Geschäft – damals unter dem Namen „Altonaer Gebrauchtbuchladen“. Motto: „Nur geklaut ist billiger.“
Rückblickend sagt Mundt: „Ich war ganz schön naiv, aber wir haben es einfach gemacht.“ Der gebürtige Hannoveraner kannte ein ähnliches Geschäft aus seiner Heimatstadt und hatte sich mit seiner damaligen Partnerin in den Kopf gesetzt, selbst einen Laden für gebrauchte Bücher zu eröffnen. „Die Idee war, dass wir weggehen vom klassischen Antiquariat und stattdessen Bücher verkaufen, die auch für den normalen Leser interessant sind.“
Laden wurde über die Jahre zu einer Institution in Hamburg
Dass es sie nach Hamburg verschlagen hat, war Zufall: „Wir haben uns mehrere Städte angeschaut und freie Ladengeschäfte gab es auch genug. Aber die meisten Vermieter hatten wenig Interesse an 23-jährigen Hippies mit wenig Geld.“ Die einzige Zusage kam schließlich aus Hamburg.
Und so landeten sie in Altona. Mundt erinnert sich: „Nachdem wir den Laden fertiggemacht und Ware eingekauft hatten, waren wir so pleite, dass wir kein Geld mehr für eine Wohnung hatten und im Keller unter dem Geschäft geschlafen haben.“ Aber das Wichtigste war: Das Konzept kam an.
Nach der Trennung seiner Partnerin ging es an die Grindelallee, mitten ins Studentenviertel. Ein perfektes Umfeld – könnte man jedenfalls meinen. Doch Mundt sagt mit einem Augenzwinkern: „Studenten werden als Käufer überschätzt.“
Kultladen text+töne: Manche kamen auch nur zum Kopieren
Er lernte jedenfalls, dass bei vielen das Interesse größer war, ein Buch gegen Pfand zu leihen und die relevanten Seiten zu kopieren, als es zu kaufen. Aber dennoch: Insbesondere in diesen Jahren nahm die Bekanntheit des Geschäftes, das er inzwischen in text+töne umbenannt hatte, immer weiter zu. „Die Kunden kamen damals nicht nur aus ganz Hamburg, sondern auch aus dem Umland“, erinnert sich Mundt.
Bis 2013 blieb er an der Grindelallee. Und da wäre er wohl bis heute, wenn das Haus dort nicht irgendwann verkauft worden wäre. Der neue Eigentümer hatte andere Pläne und Mundt musste sich wieder auf die Suche machen. Fündig wurde er am Eppendorfer Weg.
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Inhaber von text+töne: Auspacken von Kartons ist wie Weihnachten
Das Konzept hat er über all die Jahre nicht geändert. „Die Kunden schätzen uns zum einen, weil wir günstig und alle Bücher in einem guten Zustand sind. Aber auch, weil wir eine gute Auswahl haben“, so Mundt. Konkret heißt das: „Der normale Unterhaltungsroman, der ein paar Wochen in den Auslagen liegt und dann verschwindet, ist für uns uninteressant. Wir bieten vor allen Dingen Bücher, die über viele Jahrzehnte gefragt sind.“
Der Bestand umfasst rund 30.000 Bücher, dazu CDs und DVDs. Mundt hatte jedes Buch einmal in der Hand. Fast alle kauft er von privat an. „Gerade bei größeren Einkäufen ist es für mich immer noch das Schönste, die Kartons zu öffnen. Das ist wie Weihnachten.“
Eppendorfer Weg: Kein Nachfolger für Geschäft gefunden
Dennoch: Leicht waren die vergangenen Jahre nicht. „Seit etwa 2006 konnte ich nur noch überleben, weil der Onlineshop ganz gut lief.“ Das Interesse – insbesondere bei den jüngeren Menschen – an Büchern, Filmen und Musik, sei deutlich zurückgegangen. „Die Kunden unter 30 kenne ich alle mit Vornamen“, scherzt er. Für viele seien volle Bücherregale nur noch „Staubfängerwände“.
Vor einer Weile beschlossen er und seine Frau: Irgendwann muss Schluss sein. Zunächst versuchte Frank Mundt noch, einen Nachfolger zu finden. Aber: Niemand wollte. Und das überrascht Mundt nicht: „Wahrscheinlich ist die Wahrheit, dass Geschäfte wie diese irgendwann keine Perspektive mehr haben.“
Aber so ist es nun. Der Mietvertrag ist gekündigt. Am 16. September ist Schluss. Mundt selbst nimmt es gelassen. Und blickt auf neue Perspektiven. Gemeinsam mit seiner Frau plant er, nach Portugal auszuwandern. Ein Haus im Familienbesitz macht es möglich. Nach rund zehn Jahren, in denen Mundt fast keinen Urlaub gemacht hat, freut er sich vor allen Dingen auf das erste große Ziel: nichts tun. Und: „Wieder mehr lesen.“