Hamburg. Polizei kündigt Untersuchung des Vorfalls am Schlump an. Demo wegen wehrhaften schwarzen Blocks an U-Bahn-Station Hagenbeck beendet.
Dies vorab: Die 1. Mai-Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mag vielleicht nicht so viel mediale Beachtung finden wie die Protestzüge der linksextremen Gruppierungen. Doch am Ende des Tages war sie auch an diesem Montag wieder die größte Demo am „Tag der Arbeit“.
Nach Gewerkschaftsangaben marschierten hamburgweit bis zu 9000 Menschen, darunter auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), unter der DGB-Flagge. Die Polizei sprach in der Spitze von bis zu 7000 Teilnehmern am zentralen, großen Aufzug im Hamburger Kerngebiet – bei zuvor nur 3000 angemeldeten Teilnehmern. Dieses Jahr lautete die Parole „ungebrochen solidarisch“. Am frühen Nachmittag endete die Demo. Natürlich friedlich.
1. Mai in Hamburg: Demo „Wer hat, der gibt“ zieht durch Pöseldorf
Einen deutlich offensiveren Zungenschlag und eine am 1. Mai gewöhnlich auch nicht ganz so friedliche Perspektive haben die linksextremen Gruppen, die sich am Montag von oder zu den aus ihrer Sicht neuralgischen Punkten des Unrechts im Hamburger Kerngebiet in Bewegung setzen. Unter dem Motto „Klassensturz statt Kassensturz“ marschierte das Bündnis „Wer hat, der gibt“ durch die gut betuchten Viertel Eppendorf, Harvestehude und Pöseldorf. In dem Aufruf zur Demo hieß es: „Wir können und wollen uns die Reichen nicht mehr leisten“.
Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ging davon aus, dass sich Menschen aus dem links-alternativen, nicht extremistischen Spektrum an der Demo beteiligen würden. Jedoch: „In dem Bündnis, das kein Beobachtungsobjekt des LfV ist, engagieren sich auch linksextremistische Gruppierungen“, sagte Behördensprecher Marco Haase. Der Protestzug wurde daher von starken Polizeikräften begleitet.
Der Aufzug mit nach Angaben der Polizei 2700 Teilnehmern (angemeldet waren nur 1000) sei weitgehend friedlich verlaufen, hieß es von der Polizei auf Abendblatt-Anfrage. Zwischendurch sei mal ein Nebeltopf angezündet worden, ein bisschen Pyrotechnik. Nichts Wildes. Einen Dissens galt es dann aber bei der Zwischenkundgebung am Mittelweg zu lösen. Dort hatten sich einige Teilnehmer verbotenerweise vermummt, etwa mit Schlauchschals.
Weil die Polizei das untersagte, tauschten einige Demonstranten ihre Vermummung durch FFP2-Masken aus – vorgeblich, um sich vor Infektionen zu schützen. Diese Scharade zeigte keine Wirkung. „Wir haben das als Fortführung der Vermummung gewertet“, sagte Polizeisprecher Florian Abbenseth. Erst als alle Teilnehmer die Vermummung abgelegt hätten, durfte die Demo weiterziehen. Um kurz nach 16 Uhr endete der Aufzug am Bahnhof Dammtor.
Linken-Demo in Lokstedt nach Gerangel aufgelöst
Am Nachmittag sollten noch zwei weitere Demonstrationen folgen, die die besondere Aufmerksamkeit der Hamburger Polizei genossen. In beiden Fällen war ein Großaufgebot im Einsatz – und im ersten Fall mussten die Beamten schon vor dem geplanten Start aktiv werden: Ursprünglich wollte das anarchistische Bündnis „Schwarz-Roter 1. Mai“ unter dem Motto „Das System ist die Krise, Anarchismus in die Offensive“ um 15.30 Uhr von der U-Bahn-Station Hagenbecks Tierpark durch Eimsbüttel und das Univiertel bis zum Theodor-Heuss-Platz ziehen.
Doch zuerst gab es Verzögerungen, da ein Lautsprecherwagen nicht rechtzeitig von einer anderen Kundgebung eintraf. Später wollte ein aus etwa 150 Menschen bestehender schwarzer Block die Vermummungen nicht ablegen – es kam zu Gerangel, die Polizei umstellte eine Gruppe von mehreren Dutzend Vermummten. Auch ein paar unfein formulierte Plakate (“Bullenschweine“) wurden untersagt. Der Protestzug wurde daher zunächst in eine lokale Kundgebung umgewandelt, bevor der Versammlungsleiter auch diese um 18.45 Uhr schließlich auflöste.
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Angemeldet waren 800 Teilnehmer, bis 16.40 Uhr hatten sich dort etwa 500 Menschen eingefunden. Nach Angaben der Polizei hatten sich am Ende schließlich etwa 1000 Menschen versammelt. Die Polizei hatte den Demonstrierenden noch das Angebot gemacht, ohne Beteiligung des schwarzen Blocks in die andere Richtung loszuziehen – doch schließlich entschied sich der Versammlungsleiter dazu, die Kundgebung aufzulösen.
Nach Darstellung der Polizei wurde den umstellten Mitgliedern des schwarzen Blocks jederzeit die Möglichkeit eingeräumt, sich frei zu entfernen. „Es gab keine Ingewahrsamnahmen, auch Personalien wurden nicht festgestellt“, sagte Polizeisprecher Abbenseth. Die Gruppierung hatte bereits an der Plakatwand der „Roten Flora“ für die Aktion geworben. Hamburgs Verfassungsschutz zählt die Anarchisten zum „Spektrum der gewaltorientierten Linksextremisten“.
Demo des gewaltbereiten „Roten Aufbaus“ in der Schanze
Fast zeitgleich war unter dem Motto „Kampf auf der Straße, Streik im Betrieb – Das ist unsere Antwort auf Eure Politik“ die revolutionäre 1. Mai-Demo aus dem Umfeld des vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestuften Roten Aufbaus geplant. Hier wurden nach Polizeiangaben 1000 Teilnehmer angekündigt, am Ende zogen etwa 1500 Menschen vom Hauptbahnhof in den Osten Hamburgs bis nach Barmbek. Nach ersten Erkenntnissen kam es bis auf eine verletzte Ordnungskraft zu keinen größeren Zwischenfällen.
Demonstrant nach Zusammenprall mit Polizist schwer verletzt
An der Schäferkampsallee nahe des U-Bahnhofs Schlump wurde indes ein Demonstrant offenbar schwer am Kopf verletzt. Der Mann soll, wie Bilder zeigen, von einem Polizisten gezielt umgerannt worden sein. Das Opfer musste vom Rettungsdienst versorgt und nach Abendblatt-Informationen intubiert werden. Anschließend wurde es mit einem Krankenwagen in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht.
Augenzeugen hatten die Szene im Video festgehalten, das auch der Polizei vorlag. Diese kündigte am Abend an, den Vorgang prüfen zu wollen. Dafür wurde die Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) eingeschaltet.,
Auch im Hamburger Schanzenviertel, wo es am 1. Mai regelmäßig Ausschreitungen der linksextremen Szene und Auseinandersetzungen mit der Polizei gibt, war es nach Angaben von Augenzeugen bis zum frühen Abend (noch) ruhig. An der Sternschanze war gegen 20 Uhr noch eine Kundgebung mit dem Tenor „Aktuelle Veränderung im Viertel“ im Gange.