Hamburg. Beim Tag des offenen Denkmals gibt es in diesem Jahr rund 160 Veranstaltungsorte. Diesmal finden sich viele Neuzugänge im Programm.
Wenn sich ansonsten verschlossene Türen öffnen und Neugierige in stille Räume strömen, ist es wieder so weit: Der Tag des offenen Denkmals lockt kulturinteressierte Hamburgerinnen und Hamburger (und auch Besucher von auswärts) zum Gucken, Träumen und Staunen.
„Der Tag“ ist eigentlich irreführend, denn es sind genau genommen gleich drei: das komplette zweite Septemberwochenende vom 11. bis zum 13. September. Anders könnten die rund 160 Veranstaltungsorte auch gar nicht untergebracht werden – inklusive des beachtlichen Kultur- und Familienprogramms. Zusammengestellt wurde das alles in Teamarbeit von Denkmalschutzamt, der Stiftung Denkmalpflege und den vielen Einzelveranstalterinnen und Veranstaltern.
Denkmäler Hamburg: Einblicke am Wochenende möglich
„Vom altehrwürdigen Schiff bis hin zu Hamburgs Postmoderne, den jungen Denkmälern – der Denkmaltag hat mittlerweile ein so umfangreiches Programm, dass er zu einem ganzen Wochenende geworden ist“, so Anna Joss, Leiterin Denkmalschutzamt Hamburg.
„Dieser Erfolg ist nur möglich dank der tollen Veranstalterinnen und Veranstalter und stolzen Denkmaleigentümerinnen und Denkmaleigentümer.“ Bei den Veranstaltungen gebe es regen Austausch und viele Erfahrungen zu den Denkmälern und den Geschichten drum herum. „Eine großartige Gelegenheit um den Denkmalschutz für alle erlebbar zu machen“, so Joss.
Welche menschlichen Spuren wurden an Denkmälern hinterlassen?
In diesem Jahr lädt der Denkmaltag unter dem Motto „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz“ dazu ein, sich auf spannende Suchen zu begeben. Die Fragen dazu lauten: Welche Spuren wurden durch menschliches Handeln an Denkmälern hinterlassen? Welche Geschichten erzählen sie und welche Schlüsse zieht die Denkmalpflege daraus? Ergründen lässt sich das überall in der Stadt, wie eine willkürliche Zusammenstellung zeigt: Die Drahtstifte-Fabrik Feldtmann in Ottensen ist genauso dabei wie die Villa Ohlendorff in Volksdorf.
Das WasserForum Rothenburgsort steht auf dem Programm, die Gedenkstätte Plattenhaus in Poppenbüttel ebenso. Und wer möchte, kann die Windmühle Johanna in Wilhelmsburg und/ oder die Rissener Johanneskirche besuchen, sich über den desolaten Zustand der Schilleroper informieren oder mit einem historischen S-Bahnzug herumfahren.
Viele Premieren im diesjährigen Programm
Kirchen, Privathäuser, Schulen, Fabriken und viele andere Denkmäler sind nicht nur geöffnet, sondern dank der themenbezogenen Führungen vor Ort eröffnen sich ganz neue Blicke auf diese Gebäude. Das gilt auch für Parks und Plätze – vom Ohlsdorfer Friedhof über den Johannes-Brahms-Platz und den Garten de l‘Aigle bis zu Jenisch- und Eichtalpark.
Wie in jedem Jahr, gibt es auch diesmal Premieren. Einige Beispiele: Der Altonaer Fischmarkt ist eines der jungen Hamburger Denkmäler. Bis 1989 durch die Architekten Talkenberg und Gerkan, Marg & Partner im Sinne der historischen Stadt gestaltet, hält das Ensemble eine Menge Spuren, aber auch „falscher Fährten“ bereit. Diese sollen in einem geführten Spaziergang um das Quartier erkundet, aufgedeckt und diskutiert werden.
Auch das Teehaus ist neu im Programm
Neu im Programm ist auch das Teehaus in den großen Wallanlagen (Entwurf Heinz Graaf und Paul Krusche), eine Stahlhängekonstruktion, die zur Gartenbauausstellung 1963 errichtet wurde. Was viele nicht wissen: Durch unzureichend ausgeführte Sicherung in Trümmerschutt des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich eine starke Schiefstellung des Gebäudes. Von 2018 an wurde das Teehaus dann umfassend grundsaniert, wobei der Schiefstand absichtlich bestehen blieb.
Ergänzen könnte man den Besuch vor Ort mit der offenen Führung „200 Jahre grüner Wallring“. Nach der Entfestigung Hamburgs vor rund 200 Jahren wurden die Wallanlagen zum Naherholungsgebiet für die Hamburgerinnen und Hamburger und erlebten seither viele Änderungen. Im 20. Jahrhundert haben die Gartenbauausstellungen 1953, 1963 und 1973 dieses Areal und den benachbarten in den 1930er-Jahren eingeweihten Park Planten un Blomen stark geprägt. Der Park wurde stetig verändert und gestaltet und steht seit 2013 unter Denkmalschutz.
Franz-von-Assisi-Kirche erstmals dabei
Auch sie ist beim diesjährigen Denkmaltag erstmals dabei: die Franz-von-Assisi-Kirche in Neuallermöhe. Das Gotteshaus wurde 1991 bis 1993 als jüngste Kirche in Hamburg nach den Plänen von Nils Roderjan gebaut. Unter dem Dach befinden sich die Gemeinderäume, die mit Kupfer verkleidete Turmspitze ist ein weithin sichtbarer Wegweiser.
Rote Ziegel in Klosterformat geben der Kirche einen rustikalen und zugleich modernen Charakter, zugleich vermitteln die großen Fensterfronten Luftigkeit und Transparenz. In Hamburg nur wenig bekannt: Das Fenster der Barmherzigkeit im Altarraum war 1939 aus St. Nikolai ausgebaut und in den Katakomben von St. Michaelis eingelagert worden. Am Denkmaltag führt der Architekt persönlich.
Einer der letzten Bohlenspeiche der Vier- und Marschlande
Wie wäre es mit einem Besucher im „Spieker“ am Horster Damm in Altengamme? Bei dem Speicher aus dem Jahre 1562 handelt es sich um einen der letzten drei Bohlenspeicher, die sich in den Vier- und Marschlanden erhalten haben. Der ursprüngliche Zustand des dreistöckigen Spiekers hat sich über die Jahrhunderte sowohl im Inneren als auch im Äußeren weitgehend bewahrt.
Und noch eine Premiere: Die heutige Tempelruine an der Poolstraße zeugt von einer fast 180 Jahre langen und bewegten Geschichte – mit offenem Ausgang. Denn nach jahrzehntelangem Schattendasein ist der Tempel wieder in den Fokus erinnerungskultureller und stadtplanerischer Diskussionen gerückt. Am Denkmaltag geben Miriam Rürup und andere Mitglieder des Vereins TempelForum e. V. einen Überblick über die Geschichte, aktuelle Entwicklungen und die Arbeit des Vereins.
Wohnhaus von Karl Schneider mit dabei
Sehenswert ist auch dieser „Neuzugang“: das Wohnhaus, das Karl Schneider 1928 für sich und seine Familie in Bahrenfeld erbaute. Es spiegelt Leben und Werk des Avantgarde-Architekten: die Großzügigkeit seinen beruflichen Aufstieg, die strenge Eleganz seine Architektur, das abgeschiedene Dachatelier seine Introvertiertheit. Von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt, musste Schneider 1935 das Haus verkaufen. Der neue Eigentümer, der das Hamburger Abendblatt bereits einmal zum Exklusiv-Rundgang einlud, baut das Haus aktuell in seinen originalen Zustand zurück.
Die Karl Schneider Gesellschaft e. V. berichtet über die wechselvolle Geschichte des Hauses und die Herausforderungen seiner Restaurierung. Apropos Haus: Der Verlagssitz Hoffmann und Campe am Harvestehuder Weg steht diesmal auch auf dem Programm. Der 1781 gegründete Verlag ließ sich zwischen 1989 und 1991 einen seit 2021 denkmalgeschützten Neubau errichten, der aus zwei villenartigen postmodernen Gebäudeteilen besteht. Die Bauten sind von vier Bestandsgebäuden und altem Baumbestand – darunter zwei Villen von Martin Haller (Villa Krogmann, 1878/1979, und Villa von der Meden, 1874) umgeben.
Pendelverkehr mit der Barkasse „Hansa III“ eingerichtet
Wer sich aufs Wasser begeben möchte hat diesmal nicht nur die Gelegenheit, historische Schiffe zu besichtigen, sondern auch mitzufahren. Ein Beispiel: Für die Besuche der Denkmäler im und am Harburger Binnenhafen wurde extra ein Pendelverkehr mit der Barkasse „Hansa III“ eingerichtet. Es geht durch den Köhlbrand, vorbei an Hafenanlagen, Industriebetrieben, Werften und Docks. Anleger und Abfahrtszeiten finden sich im Programmheft.
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„Mehr als 40 Denkmäler konnten mithilfe der Stiftung Denkmalpflege gerettet werden.“, sagt Irina von Jagow von der Stiftung Denkmalpflege Hamburg. „Am Denkmaltag können Besucherinnen und Besucher auch die Arbeit der Restauratoren bewundern. Wir wollen dabei auch symbolisch ein wenig an der Fassade der historischen Denkmäler kratzen und Spuren der wechselnden Zeiten, Moden und des technischen Wandels aufspüren.“
Denkmäler Hamburg: Erbe der Ukraine im Fokus
Ein besonderes Anliegen ist es von Jagow und der Stiftung Denkmalpflege in Zeiten des Krieges, das bedrohte kulturelle Erbe der Ukraine vor Augen zu führen. Dafür wurde eigens zum Denkmaltag die Ausstellung „Denkmalromanze“ konzipiert, die in der Hauptkirche St. Katharinen zu sehen ist.