Berlin/Hamburg. Jüdisches Gotteshaus soll an prominente Stelle. Für die Machbarkeitsstudie zur neuen Synagoge gibt es aber eine klare Vorgabe.

Die „Bereinigungssitzung“ im Bundestag ist legendär. Bis in die Puppen hinein tagen die Haushaltspolitiker und treffen ihre letzten Entscheidungen für den nächsten Bundeshaushalt. Am Freitagmorgen um fünf Uhr war das Treffen nach rund 15 Stunden beendet. „Ex est“ (aus ist es), twitterte um 5.12 Uhr Johannes Kahrs, Sprecher der SPD-Fraktion im Haushaltsausschuss. Kahrs hatte sich mit seinem CDU-Kollegen Rüdiger Kruse für Hamburger Interessen stark gemacht.

Neben zahlreichen kulturellen Projekten in der Hansestadt finanziert der Bund mit 600.000 Euro auch eine Machbarkeitsstudie. Sie soll ergründen, in welcher Gestalt die von den Nazis zerstörte Hauptsynagoge am früheren Bornplatz wieder aufgebaut werden kann. Ziel ist es, eine Originalkonstruktion der Außenfassade mit einem modernen Innenraum im Grindelviertel zu ergründen.

Landesrabbiner Shlomo Bistritzky zeigte sich erfreut über diese Entscheidung: „Das ist eine positive Nachricht“, sagte er dem Abendblatt. „Die Politik redet nicht nur, sondern handelt – und das sehr schnell.“ Alle Parteien seien sich darin einig gewesen, ein Zeichen zu setzen. Die Hauptsynagoge am ehemaligen Bornplatz (heute Joseph-Carlebach-Platz) im Grindelviertel war 1939 abgerissen worden. Es war Hamburgs größtes frei stehendes Bethaus und bot rund 1200 Gläubigen Platz.

Hamburger Synagoge: Außenhülle soll zu 100 Prozent rekonstruiert werden

Die beiden Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) hatten sich nun für die Finanzierung mit Geld aus dem Bundeshaushalt eingesetzt. „Mir ist wichtig, dass, wenn die Synagoge wiederaufgebaut wird, die Außenhülle historisch zu 100 Prozent rekonstruiert wird“, sagt Johannes Kahrs. Der Innenraum müsse an die heutigen Gegebenheiten angepasst werden.

Die Zeit sei reif, dieses herausragende Projekt in Angriff zu nehmen, betont Rüdiger Kruse. "Mit Workshops und einer Studie wird die Planung geschaffen, der konkrete Wiederaufbau ist dann der nächste Schritt." Dass die Finanzierung mithilfe des Bundes gelungen ist, sei ein „großartiger Anfang“, freut sich der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, André Trepoll.

Anna von Treuenfels-Frowein, Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, betonte: „Es ist wichtig, dass jüdisches Leben in der Hansestadt ein sichtbares Zeichen bekommt.“

Abendblatt-Interview löste Diskussion um Neubau aus

Heute zeigt auf dem Joseph-Carlebach-Platz das Synagogenmonument von Magrit Kahl den Grundriss des Gotteshauses in Form von polierten Granitsteinen, die in den Platz eingelassen sind. Nach dem Abendblatt-Interview mit Landesrabbiner Shlomo Bistritzky hatte es eine Debatte um den möglichen Wiederaufbau der früheren Hauptsynagoge gegeben.

In einer ersten Reaktion auf die Berliner Entscheidung sagte Hamburgs und Lübecks Bischöfin Kirsten Fehrs: „In der Mitte unserer Stadt bietet sich die einmalige Chance, historisches Unrecht wiedergutzumachen und zugleich ein Signal für die Gegenwart und die Zukunft zu setzen: Jüdisches Leben hat einen festen Platz in unserer Gesellschaft.“

Erfreut äußerte sich am Freitag auch Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft, der die Diskussion aus politischer Perspektive angestoßen hatte. Als ersten Schritt schlägt Tjarks nun die Gründung eines Kuratoriums vor, das die komplexen Fragen der Umsetzung besprechen soll. „In diesem Kuratorium sollten namhafte Persönlichkeiten der Stadt sowie der jüdischen Gemeinde und der Universität vertreten sein. Auf Grundlage der Ergebnisse kann dann eine Machbarkeitsstudie entstehen“, sagte Tjarks. Nach Expertenansicht dauert die Erstellung einer Machbarkeitsstudie Monate bis Jahre.

Antisemitisches Gedankengut darf in Hamburg keinen Platz haben

In die Freude über die Berliner Entscheidung mischt sich allerdings die Beobachtung, dass jüdisches Leben immer stärker unter Druck gerät. Anna von Treuenfels-Frowein sieht mit Sorge einen neuen Antisemitismus auch in der Hansestadt, der religiös, aber auch mit extremen linken und rechten Ideologien motiviert ist. „Es gibt leider wieder judenfeindliche Äußerungen auf Hamburger Schulhöfen, in Vereinen und Stadtteilen – und im Internet. Antisemitisches Gedankengut darf aber in Hamburg keinen Platz haben“, sagte sie dem Abendblatt. Insbesondere Teile der Schura (Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg) hätten sich immer wieder mit antisemitischen Demonstrationen solidarisiert.

Anna von Treuenfels-Frowein bekräftigte ihre Forderung, die Staatsverträge mit den muslimischen Verbänden auf dem Prüfstand zu stellen. „Es darf keine Staatsverträge mit Partnern geben, die antisemitisches Gedankengut dulden.“ Die FDP-Politikerin ruft die Hamburger zur Zivilcourage auf. Wichtig sei es, den aufkeimenden Antisemitismus, der sich zum Beispiel in Beschimpfungen, Witzen und in einer hasserfüllten, verrohten Sprache zeige, zu thematisieren und klare Grenzen zu ziehen.

Weiteres jüdisches Symbol müsse geschützt werden

Nach Ansicht der FDP-Fraktionschefin und Juristin gehört zur Zivilcourage auch, dass antisemitische Beleidigungen stärker als bisher zur Strafanzeige gebracht werden. Wer in der Öffentlichkeit Zeuge einer verbalen Attacke werde, solle die Täter ansprechen und die Opfer ermutigen, den Vorfall bei der Polizei anzuzeigen. Außerdem sollten die Zeugen dem Opfer ihre Kontaktdaten mitteilen, damit diese Bürger im Falle eines Gerichtsverfahrens zur Verfügung stehen. Um Ressentiments zwischen den Kulturen keine Chance zu geben, regen die Freien Demokraten einen lebendigen Austausch zwischen Jugendlichen aus Hamburg und Israel an. Durch Begegnungen und Gespräche würden Vorurteile gar nicht erst entstehen.

Neben der Bornplatz-Synagoge rückt ein weiteres jüdisches Symbol ins Blickfeld – die Tempelruine an der Poolstraße (Neustadt), in der sich eine Kfz-Werkstatt befindet. Die Foundation for Jewish Heritage in London führt den Tempel der liberalen Juden in ihrer „Top 19 Watchlist“ der am stärksten bedrohten jüdischen Relikte in Europa. „Sollte dieser bedeutende Ort nicht geschützt werden können, würde das bei den weltweit verbreiteten Nachfolgegemeinden des Israelitischen Tempelvereins von 1817, der den Tempel bauen ließ, mit Sicherheit Bestürzung auslösen“, sagte eine Sprecherin der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hamburg.